Gesichter des Museums

Folge 2: Peter Forster, Kustos der Alten Meister

Dass ich nun einige Vorbemerkungen mache, liegt an dem, was Peter Forster mir – zunächst – nicht erzählen wollte und auch nicht durfte. Denn das, was der Kustos der Alten Meister im Interview vor einigen Tagen als großen Wunsch noch geheim ließ, ist nun Wirklichkeit geworden: Das Museum Wiesbaden kann sich bald Zentrum des Jugendstils nennen!
570 Werke – Gemälde, Möbel, Kunsthandwerk aus Jugendstil und Symbolismus – überlässt der bislang in der Öffentlichkeit wenig bekannte Sammler Ferdinand Wolfgang Neess dem Museum. Von 2019 an soll diese Sammlung, deren Wert mit 42 Millionen Euro angegeben wird, im Südflügel zu sehen sein. Ausgerechnet am Tag, an dem unser Interview auf dieser Website publiziert werden sollte, stand die Unterzeichnung des Schenkungsvertrags durch den Minister für Wissenschaft und Kunst, Boris Rhein, an.
Es ehrt den Kustos, dass er zunächst immer noch nichts verraten wollte. Das sei Chefsache. Aber wir, Vorstand und Kuratorium der Freunde, erfuhren erfreulicherweise am Vorabend von Direktor Alexander Klar, wie eng diese Schenkung mit der Person Peter Forster verbunden ist, wie tatkräftig er beteiligt war. Er selber will darum kein Aufhebens machen. Er wirkt einfach nur glücklich, als ich noch einmal mit ihm spreche. Dann ist er bereit, doch noch ein kurzes Statement für unsere Freunde-Website abzugeben: „Am Mittwoch, 29. März, wurde für das Museum Wiesbaden ein neues Kapitel aufgeschlagen, und fortan wird das Museum ein anderes sein, es wird vielfältiger, internationaler und offener. Ein großer Glücksfall, von dem zukünftige Generationen profitieren werden!“ Dieser Glücksfall war zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht spruchreif …

Herr Dr. Forster, nach einem gewissen zeitlichen Abstand: Wie haben Sie „Caravaggios Erben“ überstanden?

Erschöpft. Wir hatten mit der Ausstellung das große Rad gedreht. Dann musste alles zurück, wir hatten mehr als 70 Leihgeber und mussten zwei Wochen verpacken. Da wird man auch wehmütig.

Erklären Sie doch bitte mal am Beispiel dieser Ausstellung, wie das mit der Planung, den Kosten, dem Erfolg ist.

Zweieinhalb Jahre haben Rebecca Krämer und ich vorbereitet, viele Anträge gestellt. Der Kulturfonds Frankfurt RheinMain war unser Hauptgeldgeber, hinzu kam die Art Mentor Foundation Lucerne. Meine Mitkuratorin und ich hatten einen wissenschaftlichen Beirat der Universität Mainz zur Seite.

Aber zuvor mussten Sie Ihren Chef überzeugen?

Ja, sicher. Wir stellten ihm das Projekt vor. Das Wiesbadener Museum hat eine lange Tradition in der italienischen Kunst, an die ich anknüpfen wollte. Der Direktor ist immer offen für unsere Ideen, aber es muss natürlich auch Kohle reinkommen. Das Ziel ist die Refinanzierung, und da braucht es eine seriöse Besucherplanung.

Und: Ziel erreicht?

Wir hatten die große Hoffnung auf 40.000 Besucher gesetzt. Wir haben 46.000 erreicht.

Waren Sie auch viel auf Reisen, ehe Sie die mehr als 200 Kunstwerke von mehr als 70 Leihgebern, davon allein 17 Werke vom Capodimonte in Neapel, zusammen hatten?

Ja, wir haben schon einige Reisen unternomme – London, Neapel, Wien. Wir hätten eigentlich noch viel mehr unterwegs sein müssen. Aber der wissenschaftliche Beirat hat uns auch sehr geholfen, die richtigen Bilder zu finden. So viele Gemälde und Grafiken gab es noch nie zusammen in einer solchen Ausstellung. Elf Werke waren übrigens aus unserem Bestand. Wichtig ist natürlich auch die Arbeit der Registrarin Carin Jones, die für den Leihverkehr zuständig ist, für Transport und die Versicherung sorgt.

Herr Forster, Sie sind seit 2010 im Museum Wiesbaden der Kustos der Alten Meister. Ihren Magister haben Sie aber über zeitgenössische Kunst am Beispiel von Donald Judd gemacht, und die Doktorarbeit in Frankfurt bei Klaus Herding über den Wiesbadener zeitgenössischen Künstler Vollrad Kutscher. Wie passt das denn zusammen?

Mich hat neben der klassischen, der christlichen und der byzantinischen Archäologie immer auch die Kunstgeschichte insgesamt interessiert. Das alles habe ich in Mainz studiert. Ich habe dann viel im Städel gearbeitet, auch mit den Alten Meistern, und ich war freier Mitarbeiter im Museum Wiesbaden, habe einen zeitgenössischen Hintergrund bekommen. Ich fand es immer schon spannend, in Themenräumen die Alten Meister in Bezug zu neuen Arbeiten zu setzen, so wie es heute in Wiesbaden geschieht. Es gibt bei den alten wie den modernen Werken gute und schlechte Kunst.

Sagen Sie etwas zu den Themenräumen.

Man kann die Kontinuität eines Themas über Jahrhunderte hinweg durchdeklinieren, bis hin in unsere heutige Zeit.

Kustos für die Alten Meister ist Ihr Traumjob?

Ja, das ist mir eine Herzensangelegenheit. Es ist eine Riesenchance, hier Akzente zu setzen. Die Sammlung ist noch lange nicht fertig. So wie der Kölner Dom … Seit 2013 gab es zahlreiche Sonderausstellungen, ich will die Alten Meister auf der Landkarte der deutschen Museen besser verorten.

Was waren denn besonders erfolgreiche Ausstellungen?

Mit der Rheinromantik, einem großen Knaller, ging es los. Gleich im Anschluss konnten wir die wunderbare Anselm-Feuerbach-Ausstellung zeigen, in deren Zentrum sein Modell Anna Risi, genannt Nanna, stand.

Diese Ausstellung wurde sogar in die Hamburger Kunsthalle ausgeliehen.

Ja, und wir bekamen wiederum großzügige Leihgaben im Gegenzug.

Nennen Sie doch bitte die Schwerpunkte ihrer Sammlungen.

Die italienische Kunst der Renaissance und des Barock. Die niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts. Und die Kunst des 19. Jahrhunderts, die möchte ich stärken. Der erfolgreichste Wiesbadener Maler in dieser Zeit, Ludwig Knaus, liegt mir besonders am Herzen. Er hat ganz klar eine Vormachtstellung, und wir haben in einer Ausstellung gezeigt, dass wir ihn nicht vergessen haben. Die Ausstellung „Von Schadow bis Schuch“ war auch so ein Meilenstein.

Sie sind auch mit der Provenienzforschung befasst. Sagen Sie uns etwas zu diesem wichtigen Arbeitsfeld.

Bei uns ist die zentrale Stelle für Provenienzforschung für Kassel, Darmstadt und Wiesbaden angesiedelt. Ich für meinen Teil kümmere mich um die Situation im Museum Wiesbaden und arbeite in enger Abstimmung mit den beiden Kolleginnen zusammen.

Sehr viel Aufmerksamkeit hat in Wiesbaden die Aktion „Wiesbaden schafft die Wende“ erregt.

Da ging es um das Werk „Die Labung“ von Hans von Marées, das vom Museum zurückgegeben und dann zurückgekauft wurde. Hier hat sich ja auch der Förderverein engagiert. Wir haben viele Bilder geprüft und geklärt, wer sie rechtmäßig besitzt. So haben wir aktuell zum Beispiel das Gemälde „Der Gang nach Bethlehem“ von Fritz von Uhde zurückgekauft. Wir halten die Arbeit sehr transparent. Der frühere Direktor Hermann Voss (1935 bis 1945) hat uns leider auch ein vergiftetes Erbe hinterlassen.

Was ist Ihr nächstes großes Projekt?

Wichtig ist: Alle Ausstellungen gehen von den Sammlungen aus. Im November wird es eine Ausstellung mit Delacroix, Ribot und Courbet geben. Klein, aber hochqualitativ. Schon im Juni ist ein Projektraum Sebastian Meschenmoser gewidmet. Das wird sehr spannend!

Nennen Sie uns doch Ihre Lieblingswerke im Museum Wiesbaden.

Die Wiesbadener Heimsuchung und das Walsdorfer Kruzifix sind unsere Spitzenwerke, daher liebe ich diese natürlich besonders.

Kommen wir noch einmal zu „Caravaggios Erben“: Was war hier Ihr liebstes Bild?

Der Bethlehemitische Kindermord von Massimo Stanzione, eines der herausragendsten Werke, das aus einer Familiensammlung in Österreich stammt (siehe im Foto hinter Peter Forster).

Der Titel ist grässlich!

In diesem Bild fängt sich die gesamte Ausstellung. Es ist brutal und gleichzeitig schön.

Sie sind auch für die Museumspädagogen Ansprechpartner. Wie fanden Sie die Auseinandersetzung der Niemöller-Schülerinnen mit dieser „brutal-schönen“ Welt?

Das Kunst-Projekt war wirklich gelungen, die jungen Leute haben das toll gemacht, beindruckende Arbeiten als Antwort auf „Caravaggios Erben“ hervorgebracht!

Zum Schluss Ihr Wunsch fürs Museum?

Dass die Dinge, mit denen ich in der Planung bin, über die ich aber noch nicht sprechen darf, tatsächlich umgesetzt werden. Dazu werden Sie bald mehr hören. (Anmerkung der Redaktion: Das Geheimnis ist gelüftet, siehe die Einführung zu Beginn des Interviews)

Und was bleibt denn dann noch? Immerhin haben Sie vor nicht allzulanger Zeit auch mit Hilfe der Freunde des Museums die „Phryne“ von Hans von Stuck erstehen können.

Ja, das stimmt. Aber wir brauchen noch mehr Unterstützung für die Alten Meister durch bürgerliches Engagement. Wenn man vom Frankfurter Städel geprägt ist, denkt man, dass das Mäzenatentum in Wiesbaden noch ausbaufähig ist. Ich würde mich sehr über Zuwachs in den Sammlungen freuen – nicht als Leihgaben, sondern als Schenkungen. Hier appelliere ich gerne an Wiesbadener Kunstfreunde.

Nach diesem Appell vielleicht ein positives Schlusswort?

Ja, gern. Der vom Förderverein möglich gemachte eintrittsfreie erste Samstag im Monat ist toll und hilft uns sehr, den Bildungsauftrag des Museums zu erfüllen. Hier sind Menschen, die sich gerne für unser Museum engagieren!

Das Interview führte Ingeborg Salm-Boost.

 

Zur Person: Dr. Peter Forster (49) war seit 1994 Freier Mitarbeiter und ist seit 2010 Kustos für die Alten Meister im Museum Wiesbaden. 2013 hat er die Alten Meister wieder mit Sonderausstellungen an den Start gebracht, wie der gebürtige Frankfurter es selbst ausdrückt. Sein Studium der klassischen Archäologie, christlichen Archäologie und byzantinischen Archäologie und Kunstgeschichte hat er in Mainz absolviert. Den Magister machte Forster mit einer Arbeit über Donald Judd. In Frankfurt promovierte er über Vollrad Kutscher, beides zeitgenössische Künstler. Seine Begeisterung für die Alten Meister überträgt er bei Vorträgen und Führungen mühelos auf die Besucher. Hobbys hat Peter Forster nach eigenen Aussagen nicht – er widmet sich lieber ganz seiner Profession.

 


Weiteres Interview aus der Reihe „Gesichter des Museums“:

Folge 1: Walter Büttner, der Mann mit dem guten Überblick

 

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