Interview mit Nikolas Jacobs

Das Museum Wiesbaden – eines der spannendsten Museen

Kurzes Treffen mit Nikolas Jacobs in der Innenstadt. Der im November 27 Jahre jung gewordene Doktorand kommt am Morgen mit Anzug und Krawatte aus dem Hessischen Landtag. „Oh, was hat er denn vor?“, denkt man unwillkürlich. Nikolas Jacobs geht an diesem Tag einer seiner Studentenjobs nach: Er führt Besucher durch den Landtag und die Teile des Stadtschlosses, die nicht wegen Sanierung gesperrt sind. Der Stipendiat Nikolas Jacobs ist vielseitig engagiert und interessiert, vielfach auch schon mit Preisen bedacht. Seine große Liebe gehört der Bildenden Kunst, und diese will er auch zur Profession machen, er schreibt zur Zeit an seiner Doktorarbeit. Heute schon ist er gefragter Redner und Schreiber über Kunst. Den Wiesbadener Maler Alexej Jawlensky kennt er in- und auswendig. Nikolas Jacobs ist Mitglied bei den Freunden des Museums Wiesbaden, das er für ganz besonders hält. 


Jawlensky-Kenner Nikolas Jacobs vor dem Bild Nikita. Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert
Jawlensky-Kenner Nikolas Jacobs vor dem Bild Nikita. Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert

Herr Jacobs, wann haben Sie Ihre Neigung zur Bildenden Kunst entdeckt?

Schon als Kind. Ich war mit meinen Eltern im Städel und habe die Rembrandt-Ausstellung gesehen. Ich war begeistert und wollte wissen, ob es im Wiesbadener Museum auch einen Rembrandt gibt.

Und der 12-jährige wurde nicht fündig?

Stimmt. Und es gab keinen aktuellen Sammlungskatalog, der jüngste stammte aus den 1970er Jahren.

Aber das Interesse am Museum und an der Kunst war nachhaltig geweckt?

Ja, ich kannte das Museum schon früher, als wir mit der Schule in der Naturkunde waren, auch mit meinen Eltern war ich dort. Und ich glaube, der allererste Besuch war schon mit der Johannes-Maaß-Schule, damals noch zu den Nassauischen Altertümern.

Doch dann interessierte die Kunst mehr…

Ja, ich habe die Pförtner ausgefragt über das, was in Wiesbaden an Kunst zu sehen ist. Und auf diese Weise kam ich eines Tages mit Dr.  Renate Petzinger zusammen.

Und die Fachfrau erkannte das „Potenzial“ in dem Wiesbadener Jungen?

Sie fragte mich, ob ich nicht Lust auf ein Projekt „Kinder führen Kinder“ hätte.

Und schon waren Sie mittendrin in der Kunst und auch rasch bei Jawlensky…

Ja. Die Ausstellung zum 140. Geburtstag von Jawlensky stand an, und es gab diese Ausstellung „Meine liebe Galka“. 

Sie haben also Schülern mit Führungen Jawlensky nähergebracht?

Ja. Wir haben aber auch durch die Ausstellung „60 Jahre Hessen“ geführt.

War Ihnen damals schon klar, dass die Kunst in Ihrem Leben eine besondere Rolle spielen würde?

Als ich das Abi hatte und studieren wollte, dachte ich schon an Kunstgeschichte. Meine Eltern meinten, damit könnte man später kein Geld verdienen, ich sollte auch noch „was Richtiges“ machen. Na ja, Politik- und Rechtswissenschaften fand ich auch interessant. Also habe ich erst in Mainz und dann in München beides studiert.

Die Master-Arbeit in Kunstgeschichte haben Sie über Jawlenskys Schaffensperiode in München geschrieben?

Das war spannend! Aus der Zeit zwischen 1909 und 1913, bevor er in die Schweiz ging, stammen eigentlich die berühmtesten Werke Jawlenskys, und diese Zeit war schlecht erforscht. In dieser Zeit hatte er bereits seinen eigenen Stil gefunden. Er ließ sich aber weiterhin von anderen Künstlern inspirieren. Ich wohne übrigens fünfzig Meter von dem Haus entfernt, in dem Jawlensky lebte. Die Werke in Wiesbaden, das Selbstbildnis (1912), der junge Nikita (1910) und die Dame mit dem Fächer (1909) stammen aus der Münchner Zeit. Der erste Direktor nach dem Krieg im Museum Wiesbaden, Clemens Weiler, hat übrigens mit viel Aufwand wieder Jawlensky-Bilder zusammengetragen, unter anderem von seiner Assistentin Lisa Kümmel. Sie hatte viele Bilder von ihm.

Klingt interessant, schön, dass Sie uns für das Selbstbildnis von Jawlensky eine Bildbetrachtung geschrieben haben. Apropos Bildbetrachtung: Das scheint Ihnen offensichtlich viel Spaß zu machen, da kann man gut zuhören.

Ja, das macht mir Freude.

Sie haben es auch schon einige Male auf Einladung des Künstlerpaars Hartmann/Jeckel getan. Wie kamen sie mit diesem zusammen?

Schon als Jugendlicher, durch meine Eltern und deren Freunde. Damals fand ich Karl-Martin Hartmanns Projekt „Stele der Toleranz“ noch doof und sagte es ihm auch. Aber er konnte mich überzeugen, heute bin ich im Vorstand des Stele-Vereins, mit großer Überzeugung.

Bleiben wir bei Freundschaften. Sie hatten auch einen sehr guten Draht zum kürzlich mit 103 Jahren verstorbenen K. O. Götz?

Als ich 2004 in einem alten Katalog von 1969/70 blätterte und mir ein Bild von Götz gefiel, stellte ich fest: Der lebt ja noch! Ich schrieb ihn an. Und bekam eine lange Antwort. Er lebte erblindet im Westerwald und lud mich ein. Das war 2007. Es entstand eine schöne Freundschaft.

Wie ging das denn?

Ich glaube, ich hatte immer den Vorteil, noch jung und naiv zu sein, die Menschen freuen sich, wenn man Interesse an der Kunst hat. Ich hatte immer schon gute Kontakte zu Künstlern, zum Beispiel auch zur verstorbenen Theresia Hebenstreit. Meine Eltern haben eine Figur von ihr, die war so groß wie ich, als ich sechs war.

Auch zu dem Wiesbadener Künstler Wolf Mirus haben Sie eine Verbindung.

Ich habe für ihn Recherchen gemacht, als er am neuen Werksverzeichnis von Otto Ritschl arbeitete.

Und zu Kirchhoff, dessen Sammel-Leidenschaft zurzeit im Museum eine grandiose Ausstellung gewidmet ist, gibt es auch eine Beziehung …

In einem Schüler-Wettbewerb 2006, zu dem Oberbürgermeister Diehl aufgerufen hatte, habe ich über die Geschichte der Kirchhoff-Sammlung sowie über die Fluxus-Sammlung von Ute und Michael Berger geschrieben und den ersten Preis bekommen. Ute Berger ist die Enkelin von Heinrich Kirchhoff.

Gehen wir nochmal kurz zu Jawlensky und seinem Umfeld, etwa zu Marianne von Werefkin, zurück, welches Bild in Wiesbaden mögen Sie denn besonders?

Nikita ist schon besonders interessant. Und von Werefkin mag ich sehr die Schindelfabrik.

Was gefällt Ihnen noch?

Klar, dass ich K. O. Götz immer noch besonders gerne sehe. Über ihn habe ich übrigens auch mal einen Text geschrieben, der in der FAZ veröffentlicht wurde

Wir von den Freunden des Museums freuen uns sehr, dass Sie Mitglied sind. Wie kam es dazu?

Ich glaube, Felicitas Reusch, früher im Vorstand, hat mich angesprochen. Ich bin gerne im Verein und schaue auch regelmäßig auf die Website. Ich bin nicht zuletzt dabei, weil ich das Museum Wiesbaden als eines der spannendsten sehe.

Gibt es noch ein Museum, wo Sie besonders gerne hingehen?

Das Brandhorst Museum in München mit seiner zeitgenössischen Kunst und Architektur.

Und irgendwann ins Museum Reinhard Ernst ins Wiesbaden?

Ja, von dieser Idee bin ich vollkommen begeistert, ich bin ein Riesen-Fan von dieser Sammlung der abstrakten Kunst der Nachkriegszeit, sie ist einer meiner Forschungsschwerpunkte. Reinhard Ernst kenne ich schon lange, wir sind über Götz zusammengekommen.

Hätten Sie denn auch einen Wunsch, was sich kulturell in Wiesbaden noch tun müsste?

Eine ganze Reihe. Aber dringend müsste man den Umgang mit dem Thema Stadtmuseum bereinigen und langfristig ein richtiges Haus installieren. Man darf das nicht wie eine heiße Kartoffel fallen lassen. Und: Ein Kulturdezernent darf kein lästiges Anhängsel sein. Nichts gegen einen Kulturbeirat, er darf aber keine Ausrede fürs Rathaus werden, sich selbst nicht zu kümmern.

Jetzt kommt bei Ihnen der Jungpolitiker durch … Sie waren mal Vorsitzender des Jugendparlaments und sind Mitglied in der CDU.

Ja, aber ich habe jetzt natürlich keine Ämter mehr.

Derzeit beschäftigen Sie sich mit der Doktor-Arbeit. Welches Thema?

Mit den Rollenbildern der Bundeskanzler seit 1949. Da kann ich zwei Interessenfelder zusammenführen. Kunst und Politik. Wie wurden die Kanzler dargestellt? Dieser Frage gehe ich nach. Ich befasse mich mit Fotoarbeiten und Wahlplakaten.

Wo wollen Sie beruflich in zehn Jahren stehen?

Wenn ich es aussuchen könnte: Professor für Kunstgeschichte an einer guten Uni oder eine interessante Aufgabe im kulturpolitischen Bereich, das würde mich reizen. Langfristig gesehen würde ich gerne in Wiesbaden arbeiten. Aber ich bin ja noch jung …

Das Interview führte Ingeborg Salm-Boost

Zur Person
Nikolas Jacobs machte sein Abitur an der Diltheyschule. Schon früh engagierte er sich in verschiedenen Bereichen und nahm an einer Reihe von Wettbewerben erfolgreich teil. So gewannen er und ein Mitschüler 2007 beim Leonardo Schul Award der Wiesbaden Stiftung in der Kategorie Soziales den ersten Platz. In der Kategorie Ideen für Wiesbaden war er bereits beim ersten Leonardo-Wettbewerb 2005 mit Platz zwei unter den Siegern. Für seine Forschungen über Alexej von Jawlensky erhielt Nicolas Jacobs den Heinrich Wölfflin-Preis. Die Bildende Kunst ist es, die ihn besonders in ihrem Bann zieht. Sein Masterstudium absolvierte er im Studiengang AISTHESIS – Historische Kunst- und Literaturdiskurse des Elitenetzwerks Bayern an der Ludwig-Maximilians-Universität München und den Universitäten Eichstätt-Ingolstadt, Augsburg und Regensburg. Nun ist Nikolas Jacobs mit seiner Promotion beschäftigt, da geht es um die visuelle politische Kommunikation – ein Thema, das auch zu seinem zweiten Studienbereich Politikwissenschaft und Rechtswissenshaft bestens passt. Zum Museum Wiesbaden hat er schon als Kind eine besondere Beziehung aufgebaut. Und so ist er heute im Verein der Freunde Mitglied. Während seines Zivildienstes engagierte er sich in einem Altenheim.

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