Kunstvoll und Naturnah

Das Kabinett der 120 Farben

Farben nutzt der Mensch nachweisbar seit 55.000 Jahren. Sie wurden aus fein gemahlener Erde oder zerstoßenen und gesiebten Mineralien für Höhlenmalereien hergestellt. Dazu kamen Färbemittel, die zum einen – wie das kräftige indigoblau aus der tropischen Indigopflanze – aus pflanzlichen Rohstoffen entstanden. Zum anderen waren sie tierischen Ursprungs, wie das edle rotviolette Purpur aus einem Sekret der Purpurschnecke. Im Jahr 1856 kam der erste synthetische Farbstoff hinzu. Eine Sammlung von 120 Farbmitteln nimmt uns mit zu einem Streifzug durch die Kulturgeschichte der Farben. Susanne Kridlo stellt uns das „Farboktogon“ vor.

Sepia; aus den Tintenbeuteln der Tintenfische (Sepien) gewonnener braun- bis grauschwarzer Farbstoff, der heute überwiegend zum Färben von Pasta verwendet wird (Foto: Bernd Fickert)

Indisch Gelb und Böhmische Grüne Erde sind nur zwei von 120 Farbmitteln, die in einer achtteiligen Vitrine in der Dauerausstellung „Ästhetik der Natur“ vorgestellt werden. Das Spektrum reicht von den ältesten Farben der Menschheit, den Erdfarben, über kulturgeschichtliche wichtige Pigmente wie Purpur oder Lapislazuli bis zu industriegeschichtlich bedeutenden Produkten wie Alizarin-Krapplack und Titanweiß. Eingeteilt ist das „Farboktogon“ nach grünen, roten, gelben und blauen Farbmitteln. Dazu kommen die Erdfarben, natürliche Glanzeffekte, Weiß und Schwarz. Tatsächlich ist auch Schwarz nicht gleich Schwarz: Tintenfische liefern den Grundstoff für die braunschwarze Sepia, mit Eichengallen werden Stoffe grauschwarz gefärbt. Und selbst organische Kohlen unterscheiden sich: Je nach dem, welches Ausgangsmaterial – ob Pfirsichkerne oder Elfenbein – unter Luftabschluss verschwelt wird, ergibt sich mal ein dichteres und mal ein blaustichiges Schwarz.  Jedes Farbmittel wird, wenn nicht synthetisch hergestellt, mit seinem Ausgangsmaterial und einem deckenden und lasierenden Farbausstrich präsentiert. Ein kurzer Text erzählt wichtige und interessante Details.

Indisch Gelb; ein beliebtes Pigment bis es Anfang des 20. Jahrhunderts aus Tierschutzgründen verboten wurde (Foto: Bernd Fickert)

Über das Indisch Gelb lässt sich folgendes berichten: Indische Kühe lieferten es nach einer „Mango-Diät“ mit ihrem Urin. Konzentriert und getrocknet kam es nach Europa. William Turner, der als der bedeutendste bildende Künstler Englands in der Epoche der Romantik gilt, und viele seiner Zeitgenossen schätzten dieses kräftige, ungiftige und lichtechte Gelb. Die Gewinnung wurde von der Britischen Kolonialmacht 1914 aus Tierschutzgründen (oder weil die ersten synthetischen Farben in England auf den Markt kamen?) verboten.

Mineral Malachit; die alten Ägypter und Römer malten ihre Wand- und Tafelbilder mit dieser kalkechten Farbe (Foto: Deinhard)

Ausgestellt ist auch eine Leihgabe der Dresdner Farbstoffsammlung, Freunde der Böhmischen Grünen Erde können sich freuen. Diese war seit Jahrhunderten wegen ihrer Farbreinheit und des warmen Farbtons geschätzt, verschwand aber nach 1945. Tschechische Restauratoren kümmern sich seit 1991 in Westböhmen wieder um die Gewinnung des traditionsreichen Pigments. So konnten die Wandmalereien in der Dresdner Frauenkirche nach dem Wiederaufbau im ursprünglichen Grünton ausgeführt werden.

Smalte; brachte die Farbe Blau in Meißner Porzellan und in barocke Himmelsdarstellungen (Foto: Deinhard)

Weitere 118 Farbstories, mit denen die Kulturgeschichte der Farbmittel nachgezeichnet wird, sind in der Ausstellung der Naturhistorischen Sammlungen nachzulesen. Die Vitrine, die eine Verbindung zwischen den zwei Sparten des Museums – Kunst und Natur – herstellt, entstand mit der Unterstützung des Schweizer Malers und Farbforschers Stefan Muntwyler.

Susanne Kridlo

 

Gelbe Farbmittel; Ausgangmaterial und Farbanstrich (Foto: Deinhard)

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