Unter Freunden

Ein Penthouse für Bienen

Foto: Bernd Fickert/Museum Wiesbaden
Foto: Bernd Fickert/Museum Wiesbaden

Falls Sie, liebe Freundinnen und Freunde, ihn noch nicht probiert haben, den frischen und naturbelassenen Honig aus dem Museum, dann können wir es Ihnen nur empfehlen – so Sie denn Honig auf dem Frühstücksbrötchen mögen. Er schmeckt vorzüglich, und das Wissen, dass dieser Honig in der Tat von den Museumsbienen stammt, macht ihn natürlich noch besser.

In unserer Mitgliederversammlung hatten wir schon darauf hingewiesen: Auf dem Dach unseres schönen Theodor-Fischer-Gebäudes sind fünf Völker zu Hause, von denen jedes 40 Kilo Honig jährlich liefert, das sind 800 Gläser. Und wir vom Freunde-Verein fördern seit Jahren doch wirklich gerne dieses Hotel in luftiger Höhe. Mit dem Imker Günther Kusterer und dem Mann, der die Idee zum Ansiedeln der Bienen hatte, Dr. Helmut Arnold, Vorsitzender des Nassauischen Vereins für Naturkunde, haben wir den Völkern einen Besuch abgestattet.

Foto: Bernd Fickert/Museum Wiesbaden
Foto: Bernd Fickert/Museum Wiesbaden

Muss man da nicht erst einmal Schutzkleidung anlegen? Nein, muss man nicht, sagt Günther Kusterer. Denn die Bienen schwirren zwar umher, aber sind keineswegs angriffslustig, wenn man nicht zu nahe an ihr Zuhause kommt. Will Günther Kusterer aber am Bienenhotel arbeiten, dann muss er schon auf sich achtgeben und sich entsprechend schützen, wie Sie auf unseren Fotos sehen.

Okay, auch der Blick auf die Stadt macht uns staunen und ein bisschen schwelgen. Aber dann wenden wir uns den so lebenswichtigen Insekten zu, über die alle Welt heutzutage spricht oder schreibt – weil sie eine bedeutende Rolle für unser Ökosystem spielen und ohne sie ein entscheidendes Glied in unserer Nahrungskette fehlte. So sind 80 Prozent unserer Nutz- und Wildpflanzen auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen. Wo keine Biene mehr bestäubt, da muss mit hohem Aufwand nach Alternativen gesucht werden. Wie sich dieses auch in Teilen Chinas zeigt, wo mittlerweile Menschen die Bestäubungsleistung der Bienen simulieren – eine Situation, deren Ursprung in dem dramatischen Einsatz von Pestiziden gesehen wird. Hohe Erträge erhofft sich auch die industrielle Landwirtschaft bei uns durch den Einsatz einer Vielzahl von Pestiziden, von denen insbesondere die Neonicotinoide zu den am meisten eingesetzten Pflanzenschutzmitteln weltweit zählen. Bienen, die Nektar oder Pollen von derart behandelten Nutzpflanzen sammeln, nehmen damit auch das Gift auf, das deren Kommunikationsfähigkeit und Orientierungssinn stört. Sie finden ihren Weg nicht mehr zum heimischen Stock und gehen zugrunde. Aber nicht nur der Einsatz von Pestiziden, auch der großflächige Anbau nur einer Pflanzenart statt einer großen Vielfalt an Pflanzen führt zum Futtermangel unter den Bienen. Wiesen mit blühenden Pflanzen und Kräutern, die ein bevorzugtes Ziel vieler Wildbienen darstellen, sind selten geworden. Und auch die Varroamilbe (Varroa destructor) richtet weltweit ein zerstörerisches Werk unter den Bienenvölkern an. Aber die Frage nach den Gründen für das Bienensterben und wie dem bedrohlichen Zustand zu begegnen ist, stellt ein eigenes, umfangreiches Thema dar. Albert Schweitzer warnte einst: „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Tiere mehr, keine Menschen.“

Foto: Bernd Fickert/Museum Wiesbaden
Foto: Bernd Fickert/Museum Wiesbaden

Aber gehen wir hier lieber wieder zu den Bienen aufs Museumsdach. Ihnen geht es recht gut, meint Imker Günther Kusterer, von Beruf Umweltingenieur und beim Umweltministerium mit Finanzen beschäftigt. Sie kommen nicht so häufig mit Pestiziden und ähnlichem in Berührung. Ihr Fluggebiet ist der Warme Damm mit einer Vielzahl südländischer Bäume, wo sie Rosskastanien, Akazien, auch die Linde und den Götterbaum anfliegen, und damit die perfekte Grundlage für einen würzigen, besonders aromatischen Honig haben. Im Unterschied zu ihren Artgenossen auf dem Land dürfen sie recht entspannt sein, denn wo sie unterwegs sind, müssen sie sich vor dem regelmäßigen Einsatz von bienenschädlichen Pflanzenschutzmitteln nicht fürchten. Mit ihren langen Saugrüsseln nehmen die Bienen den Nektar vom Boden der Blüte auf. Der Luftkontakt ist nicht so intensiv, erklärt Kusterer, der mit seiner Frau Sabine die Museumsbienen seit es sie gibt – seit 2014 – betreut und übrigens auch auf dem Wochenmarkt mit einem Honig-Stand zu finden ist.

Natürlich reden wir auch über die Gefahren für die Bienen-Völker, die mit einer Population von etwa 20.000 in einem Stock leben. Und davon, dass Ameisensäure bei der Bekämpfung der Varroamilbe zum Einsatz gelangt. Auch darüber reden wir, dass nicht jeder Imker sich so richtig gut auskennt und deshalb Fehler bei der Bienenpflege macht. Ein ausgeklügeltes System ist die Imkerei, deren Beherrschung unerlässlich ist, will man ein gesundes Bienenvolk erhalten und einen Honig von hoher Qualität gewinnen. Wabenhygiene, unterschiedliche Sommer- und Frühjahrsbehandlungen, Honigernte und Verarbeitung – ein verantwortungsvoller Imker ist ständig im Einsatz. Auch regelmäßige Behandlungen gegen die Varroamilbe sind unerlässlich. Mangelnde Kenntnis beim Einsatz der natürlichen Ameisensäure, deren Wirkung keine Vergiftung darstellt, sondern auf Verätzung beruht, kann die Entwicklung der Bienen empfindlich stören, den Bestand dezimieren und den Honig ungenießbar machen.

Übrigens, nicht nur Honig, sondern zwei Drittel der Produkte würden im Regal des Lebensmittelhandels fehlen, wenn es die Insekten nicht mehr gäbe. Darüber konnte im Mai einen spannenden Artikel in der FAZ studieren. Die Handelskette Penny und der Naturschutzbund Nabu haben das mit leeren Regalen eindrucksvoll demonstriert. Zu denken gibt auch ein Zitat der Expertin Kerstin Schnücker vom rheinland-pfälzischen Landesverband Nabu: „Die Dienstleistung der Bienen auf der ganzen Welt ist 200 Milliarden Euro pro Jahr wert. Wenn man für alle Nutzpflanzen Leute zum Bestäuben einstellen müsste, wäre das ein finanzieller Wahnsinn.“

Ein Thema, mit dem sich jeder beschäftigen sollte. Aber wir von den Freunden des Museums wir wollen ja auch Kunst und Natur zusammenführen. Dabei hilft uns Dr. Helmut Arnold vom Nassauischen Verein für Naturkunde. Er macht uns zum Beispiel auf die Künstlerin Bärbel Rothhaar aufmerksam, die schon in den 90er Jahren entdeckt hatte, wie sehr sich die Bienen für eine künstlerische Auseinandersetzung eignen. Anfangs beschäftigte sie sich mit der Symbolik der Biene in der Kulturgeschichte des Menschen, dann legte sie gemeinsam mit Bienenforschern den Fokus auf die Organisation des Bienenstaates, fasziniert vom architektonischen Wunderwerk der Waben. Helmut Arnold hat uns zum Treffen auf dem Museumsdach auch den Lorscher Bienensegen mitgebracht. Was ist das? Er gehört zu den ältesten gereimten Dichtungen in deutscher Sprache. Der althochdeutsche Segen wurde im 10. Jahrhundert geschrieben. Eine Kostprobe?

Kirst, imbi ist hucze…
Sizi, sizi, bina

Christ, der Bienenschwarm ist hier draußen.
Nun fliegt ihr, meine Bienen …
Sitzt im absolut Stillen
Und erfüllt Gottes Willen.

Zum Schluss ein Hoch auf unser kleines Bienen-Engagement auf dem Dach des Museums und auf einen ganz besonderen Imkerhonig!

Ingeborg Salm-Boost/Martina Mulcahy

Foto: Bernd Fickert/Museum Wiesbaden
Foto: Bernd Fickert/Museum Wiesbaden

Zur Übersicht