190 Jahre Nassauischer Verein für Naturkunde

Die Vielfalt erleben und verstehen

Die regionalen Naturkenntnisse verbessern und für jeden verständlich vermitteln – diesem Ziel fühlt sich der Nassauische Verein für Natur bis heute verbunden. Jetzt wird er 190 Jahre alt und will dies feiern. Es soll bei den Aktivitäten des Vereins wissenschaftlich genau, aber eben auch anschaulich zugehen. Der Fokus liegt natürlich ebenso darauf, die Naturhistorischen Sammlungen im Museum Wiesbaden zu unterstützen, „wir setzen uns für Erhalt, Ausbau und moderne Präsentation ein“, heißt es beim Verein, der den Grundstein für die Sammlungen gelegt hatte. Dass die „Natur“ im Museum erhalten bleibt, es ein Zwei-Sparten-Haus gibt, war nicht immer so selbstverständlich. Erst in Vereinsführung, dann in städtischer Regie, schließlich dem Land überlassen, musste einige Jahre lang tatsächlich um den Verbleib im Museum gebangt werden. Aber das ist eine lange Geschichte … Und keine sehr schöne. Jetzt soll es mehr um den erfreulichen Geburtstag gehen. Nach dem Umbau ist die „Natur“ seit Mai 2013 im Nordflügel wunderbar präsentiert.

„Uns wird nichts verborgen bleiben, was die reiche und mannigfaltige Natur unseres Vaterlandes darbietet. Die Fremden werden die Schätze des gesegneten Landes bewundern …“  Das klingt ebenso zielgerichtet wie stolz. Generaldomänendirektor von Rössler sprach diese Worte am 31. August 1829, dem Gründungstag des „Vereins für Naturkunde im Herzogthum Nassau“, in seinem Eröffnungsvortrag. Das lässt sich wie so vieles Spannende nachlesen in einem umfangreichen Werk des Pharmazeuten, Heimatforschers und Ehrenmitglieds Walter Czysz, der 2007 verstarb. Der zeitweilig zweite Vorsitzende des Vereins hat in der  Chronik „175 Jahre Nassauischer Verein für Naturkunde und Naturwissenschaftliche Sammlung des Museums Wiesbaden 1829–2004“ nicht zuletzt auch den Kampf von Aktiven des Vereins um den Verbleib der Naturwissenschaftlichen Sammlung im Landesmuseum Wiesbaden anschaulich beschrieben. Ein Landesmuseum, das einmal Drei-Sparten-Haus war, denn auch die Nassauischen Altertümer, gehörten dazu, durften aber nicht zurückkehren. Dass die
„Natur“ heute ganz selbstverständlich in den Theodor-Fischer-Bau gehört und mit viel Herzblut unter Führung von Fritz Geller-Grimm betreut, ausgebaut und mit attraktiven Ausstellungen bestückt wird, dass die Wiesbadener ein tolles Zwei-Sparten-Haus haben, dies ist mittlerweile Selbstverständlichkeit und wird bestens angenommen. Nun feiert der Verein 190-jähriges Jubiläum – ein Grund, sich zu freuen. Und wir von den Freunden des Museums Wiesbaden freuen uns mit ihm!

Dr. Helmut Arnold, Vorsitzender des Nassauischen Vereins für Naturkunde (Foto: Birgitta Lamparth/Wiesbadener Kurier)

„Das Besondere an unserer Region ist die große Vielfalt von Rhein bis Taunushöhe. Die naturräumliche Ausstattung trägt zum Reichtum der Region bei und macht sie unter anderem für den Tourismus äußerst attraktiv.“ Das sagt der heutige Vorsitzende des Nassauischen Vereins für Naturkunde, Dr. Helmut Arnold, im Gepsräch für die Freunde-Website. Exakt am letzten August-Tag werden der Agrarbiologe und seine Mitstreiter/innen mit Gästen den 190. Geburtstag feiern. Natürlich im Museum Wiesbaden, wo der Verein ein Stück weit zu Hause ist. Hier sind Mitglieder gerne ehrenamtlich tätig. „Wir sind ja satzungsgemäß verpflichtet, die Naturhistorische Sammlung zu unterstützen und zu fördern,“ sagt Arnold, der den Vorsitz nach dem Tod des Diplom-Geologen Hans-Jürgen Anderle übernommen hat.

Auf Anregung des Herzogs hatten sich 141 engagierte Nassauer Bürger getroffen um, den Verein zu gründen – und gleichzeitig ein naturwissenschaftliches Museum einzurichten, es selbst zu betreiben. Das Erbprinzenpalais in der Wilhelmstraße wurde dazu zur Verfügung gestellt. Aufbau und Förderung des Museums war nicht zuletzt dank der von Gründungsmitgliedern gestifteten Sammlungen möglich. Schon damals, erzählt Arnold, ging es aber auch um öffentliche Exkursionen, um Streifzüge durch die Natur, um Vorträge, Publikationen zu einer Vielzahl von Themen. 1866 erfolgte die Umbenennung des Vereins in Nassauischer Verein für Naturkunde.

Einige Jahre später wurde  auch das Geologische Landesamt gegründet, dessen Chef Dr. Carl Koch war, aktives Mitglied im Verein, zeitweise Sekretär und Museumsinspektor. Ein Denkmal des Landesgeologen steht im Nerotal, und die „Nachfahren“ haben sich nun vorgenommen, dieses und beispielsweise auch Bodendenkmäler im Dyckerhoffbruch zu pflegen. Arnold spricht bewundernd von Kochs Konzept der Stollen für die Wassergewinnung. „Ein Drittel des Trinkwassers in Wiesbaden kommt heute noch aus den Stollen.“ Er könnte eine lange Liste beeindruckender, prominenter Mitstreiter aufzählen, die sich um den Verein verdient machten. Belassen wir es bei ein paar weiteren Beispielen: Professor Remigius Fresenius, der Vereinsdirektor und Autor einer Schriftenreihe war, oder Freiherr Isaak von Gerning, der mit Goethe bekannt war und mit dem Überlassen der Insektensammlung seines Vaters Johann Christian Gerning gegen eine Leibrente die Gründung des Museums möglich machte, desweiteren Dr. Arnold Pagenstecher. Der Mediziner und Schmetterlingskundler war mehr als 30 Jahre Vorsitzender und außerdem in der Rathauspolitik aktiv. Er und Oberbürgermeister Carl von Ibell, ebenfalls Mitglied im Verein, hatten laut Vorsitzendem Arnold den Museumsbau vorangegtrieben, der zwischen 1913 und 1915 entstand. 1920 zogen die Naturwissenschaften ein.

Anziehungspunkt: Die Schmetterlinge im Museum. Mitglieder des Nassauischen Vereins für Naturkunde brachten einst ihre Sammlungen ein. (Foto: Bernd Fickert/Museum Wiesbaden)


Wir vom Verein der Freunde des Museums sind dem Nassauischen Verein für Naturkunde  verbunden, tauschen uns regelmäßig aus, unterstützen gerne hochkarätige Vorträge, die gemeinsam mit der Naturwissenschaftlichen Abteilung im Museum angeboten werden. Bleiben wir in der Gegenwart. Natürlich würde sich der Naturkunde-Verein einen Zuwachs an Mitgliedern wünschen, die Zahl liegt zur Zeit bei knapp 300. Arnold sieht es als eine wichtige Herausforderung neue, vor allem jüngere Mitglieder zu werben. Initiativen wie „Natur unter der Lupe“ mit Pädagogen des Museums kommen bei Schülern gut an, Pflanzenbestimmung per App erreicht die Jugend, aber weitere neue Veranstaltungsformate müssen her. Vielleicht, sinniert Helmut Arnold, kann man auch mit geplanten Radexkursionen punkten. Außerdem sollte man, so Agrarbiologe Arnold, stärker erfahrene  und begeisterte Naturkenner wie Lehrer, Ärzte, Apotheker, Naturwissenschaftler gewinnen, ihre Erfahrungen einzubringen.

Zufrieden ist man durchaus mit dem Interesse an besonderen Publikationen. So wurde das „Steinreiche Weltkulturerbe Mittelrhein“ von Dr. Eberhard Kümmerle  ein Renner. „Das funktioniert durch Mundpropaganda“, sagt Arnold. Er hat festgestellt, dass beispielsweise die „Streifzüge durch die Natur von Wiesbaden und Umgebung“ bestens ankommen.

Froh ist man beim Verein, der bis 1952 das Museum in eigener Regie führte, dass die umfangreiche Vereinsbibliotek heute in der Landesbibliothek gut aufgehoben ist. Und dass diese für den Verein einen Schriftentausch organisiert. So sei man mit 190 Partnern aus vielen Ländern verbunden. „Wir haben ein großes historisches Erbe zu verwalten, dessen müssen wir uns bewusst sein. Das ist ein Wert an sich. Aber wir müssen uns auch mit aktuellen Themen befassen, wie Veränderung der Vegetation, Grundwasserqualität oder  etwa mit der Bedrohung der Wildkatze“, so Arnold. „Wir brauchen die Kraft, stärker mit regionalen Umweltverbänden zu kooperieren. Und wir setzen sehr darauf, dass uns ein neuer Museumsdirektor gut vertritt“, sagt der Vorsitzende. Im neuen Mitteilungsheft dankt er dem nach Hamburg gewechselten Alexander Klar dafür, dass er „uns eine qualifizierte Gastfreundschaft mit Adresse und Arbeitsplatz gewährt hat“. Dass seitlich des Museums das Areal noch nicht, wie geplant, mit ganz besonderen Steinen aus der Region fertig  gestaltet werden konnte, weil die Tafeln mit ansprechender Beschriftung fehlen, das liege, sagt der Vereinschef,  an „unabsehbaren Verzögerungen“. Doch er ist sich sicher, dass in den nächsten Wochen die Beschilderung erfolgen kann. Gut und schon seit 2015 funktioniert übrigens das Bienenprojekt auf dem Museumsdach – eine Idee von Helmut Arnold, die von uns Freunden gefördert wird. Siehe auch Artikel auf dieser Website.

Landschaft, Natur, Mensch, Umwelt mit ihren vielen Wechselbeziehungen und Konflikten, dieser breiten Thematik will der Verein treu bleiben, will weiterhin wissenschaftliche Beiträge liefern, unter anderem in den Fachrichtungen Geologie, Zoologie und Botanik. Wobei eben die ökologischen Fragen zunehmend Raum einnehmen. Aber der Verein soll ebenso weiterhin „eine  Fundgrube für naturbezogene Historiker“ sein. „Eine wichtige Organisation, um die Entwicklung, ja auch die Besonderheit und Schönheit der Region Wiesbadens besser verstehen zu können.“

Ingeborg Salm-Boost


P.S. Am Naturkundetag, dem 28. September, wird der Verein eine Fahrt ins Lahnmarmor-Museum nach Villmar mit Exkursion unternehmen. Mit dem Lahnmarmor habe man auch wieder eine schöne Verbindung zum Museum Wiesbaden, sagt Helmut Arnold mit Blick auf das Entrée des Gebäudes. Das Programm und weitere Infos finden Sie unter www.naturkunde-online.de

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