2. Internationaler Flötenwettbewerb Ferdinand W. Neess
Organisatorin Cordula Hacke im Interview: Neue Welten eröffnen
„Er soll eine Brücke schlagen zwischen der bildnerischen Kunst des Jugendstils – dem Art Nouveau – und der Musik dieser Epoche, die auch für den Stifter ganz besonders wichtig war “ So beschreibt Cordula Hacke, Klavier- und Kammermusikprofessorin an der University of Agder in Norwegen und Pianistin, das Profil des Internationalen Wettbewerbs Ferdinand W. Neess. „Ganz im Sinne der Sammlung Neess im Museum Wiesbaden sollen sich Musik und Sammlung ergänzen, sollen inspirieren und so dem Publikum ganz neue Welten des Jugendstils eröffnen.“ Cordula Hacke, auch Geschäftsführerin und Vorstandsmitglied der neu gegründeten Stiftung Internationaler Musikwettbewerb Ferdinand W. Neess, stimmt uns auf das hochkarätige musikalische Ereignis im Museum Wiesbaden ein.
Cordula, vom 26. bis 30. Juni findet der Internationale Flötenwettbewerb Ferdinand Wolfgang Neess zum zweiten Mal in Wiesbaden statt. Wie viele hoffnungsvolle Talente aus wie vielen Ländern erwarten wir denn diesmal im Museum?
Es haben sich wieder unglaublich viele Flötistinnen und Flötisten angemeldet, ca. 90 aus rund 25 Ländern! Die Anzahl der Anmeldungen ist für uns in der jetzigen Form und Länge des Wettbewerbs eine absolute Obergrenze, denn alle sollen ja die Möglichkeit bekommen, live vor Ort zu spielen – es gibt bei uns keine Online-Vorauswahl. Ich rechne allerdings damit, dass nicht alle, die sich angemeldet haben, auch tatsächlich kommen werden; manche haben auch die Anmeldekriterien bis zur nochmals verlängerten Frist nicht erfüllt.
Vor zwei Jahren hat Danielle Neess den Wettbewerb als Privatperson finanziert und bringt sich auch diesmal wieder voll ein. Mittlerweile ist aber auch die Stiftung gegründet und veranstaltet fortan alle zwei Jahre dieses musikalische Highlight. War das ein aufwendiger Weg?
Ja, so eine Stiftungsgründung ist nicht ganz ohne, was die inhaltliche Planung und den bürokratischen Aufwand angeht. Aber der Vorstand der Stiftung – Danielle Neess, Dr. Peter Hanser-Strecker und ich – ergänzen uns optimal und bringen sehr unterschiedliche Kompetenzen und Erfahrungen mit. Dr. Hanser-Strecker zum Beispiel ist ja nicht nur in seiner Eigenschaft als Musikverleger eine herausragende Persönlichkeit mit internationalen Kontakten auf höchstem Niveau, sondern er hat auch sehr umfangreiche Erfahrung durch seine verschiedenen Stiftungen. Auch die Zusammenarbeit mit der Stiftungsbehörde, die mich bei der Erstellung der Unterlagen sehr unterstützt hat, war außerordentlich effizient!
Aber sicher braucht es auch jetzt noch Unterstützung von anderer Seite. Wie sind denn die Vorbereitungen gelaufen, und gibt es nun außer dem Museum und uns Museumsfreunden weitere hilfreiche Partner in der Landeshauptstadt?
In diesem Jahr kooperieren wir ja außer mit dem Museum Wiesbaden und den Freunden des Museums Wiesbaden auch mit der Wiesbadener Musikakademie (WMA) und der Stadt Wiesbaden. Das ist eine große Erleichterung im Hinblick auf die Räumlichkeiten für die Proben, die wir nun in der WMA abhalten können. Ich bin Frau Hölbling sehr dankbar, dass sie uns dies ermöglicht hat! Durch die Zusammenarbeit mit der Stadt Wiesbaden stehen uns auch die offiziellen Werbekanäle der Stadt offen. Das ist natürlich auch sehr gut, vor allem, um Publikum anzulocken und den Wettbewerb auch in Nicht-Musikerkreisen bekannter zu machen.
Vielleicht sagst Du kurz noch etwas zu den Voraussetzungen, die die Bewerber und Bewerberinnen mitbringen müssen und was von ihnen bei den drei Durchgängen erwartet wird.
Die Grundbedingungen sind ja klar: Als Kandidatin oder Kandidat bei einem Wettbewerb muss man das Instrument rundum beherrschen. Dazu braucht man auch starke Nerven, Auftrittserfahrung und Flexibilität.
Man muss sich mal klar machen: 70 bis 80 Flötistinnen und Flötisten reisen aus aller Welt an, haben dann eine Probe mit einer unserer Pianistinnen für ca. 25 bis 30 Minuten und gehen dann gleich auf die Bühne!
Darüber hinaus ist unser Wettbewerb aber auch besonders und ungewöhnlich. Er fordert von allen, sich mit dem Jugendstil bzw. Art Nouveau auch musikalisch zu beschäftigen und für die Finalrunde ein Programm zu entwerfen, das einen Bezug zwischen Bildender Kunst und Musik dieser Zeit entwirft.
Für unsere PianistInnen ist das auch eine immense Herausforderung. Dadurch, dass die Finalrunde keine Vorgaben macht, müssen sie sich in diesem Jahr auf sage und schreibe 120 (!) Stücke vorbereiten.
Es gibt ja wieder tolle Geldpreise für die drei Erstplatzierten …
Ja, mit 5.000 Euro ist der 1. Preis dotiert, 3.000 Euro gibt es für den 2. Preis und 2.000 Euro für den 3. Preis. Und ich bemühe mich immer, weitere Sponsoren für eventuelle Zusatzpreise zu finden, und möchte unbedingt institutionelle Partner für PreisträgerInnen-Konzerte finden.
Wie setzt sich die Jury zusammen? Sind es dieselben hochkarätigen Musiker und Musikerinnen, die mit dir entscheiden
Diesmal ist die Jury auf zwei Positionen neu besetzt: Prof. Anna Garzuly-Wahlgren, Professorin der Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschule für Musik in Leipzig, und Prof. Dejan Gavric, Professor an der Johannes Gutenberg Universität Mainz, sind neu dabei.
Ist an allen fünf Tagen wieder ausdrücklich Publikum erwünscht, und braucht man Tickets für die Teilnahme?
Es wäre wunderbar, wenn der Vortragssaal während der Vorspiele mit viel Publikum belebt wäre. Das Zuhören ist an allen Tagen möglich, erwünscht und kostenfrei! Die genauen Zeitpläne stehen schon auf unserer Internetseite oder auf der Museumsseite und auf unserem Instagram-Account @flutecompetition_wiesbaden
Diesmal gibt es auch ein Pflichtstück?
Ja, für die erste Runde haben wir ein neues Werk als Pflichtstück in Auftrag gegeben, geschrieben 2023, das den Jugendstil „atmet“. Es ist Danielle Neess gewidmet. Émile Naoumoff hat es komponiert, er ist genial als Komponist und als Pianist, zu seinen LehrmeisterInnen zählt die berühmte Nadia Boulanger! Möglich wurde dieses Auftragswerk durch die Vermittlung von Dr. Hanser-Strecker und die großzügige Übernahme der Kosten von Danielle Neess. (Erschienen im Zimmermann Musikverlag mit einem Coverbild aus der Sammlung Neess)
Bitte sag uns noch einmal, wie du dich als Pianistin an die lange Zeit des Zusammenspiels mit Ferdinand Wolfgang Neess erinnerst, der ein passionierter Querflötist war und im hohen Alter noch einen Wettbewerb gewann.
Bei den Vorbereitungen zum Wettbewerb denke ich natürlich ganz oft an unsere gemeinsame Zeit des Musizierens zurück, an viele Gespräche, an seinen Humor, sein Understatement und so vieles mehr. Ich glaube, Ferdinand ist nicht nur für mich, sondern auch für ganz viele andere ein großes Vorbild. Er hat nie aufgehört zu lernen, sich weiterzuentwickeln, zu suchen. Er ist immer so bescheiden geblieben. Ein großartiger Mensch und Künstler.
Du hast zusammen mit Ferdinand Wolfgang Neess auch eine Debussy-Sonate für Flöte bearbeitet und herausgegeben …
Ja, das stimmt. Und man kann sie jetzt auch in einer Aufnahme mit mir und der Flötistin Olga Ivusheikova auf Spotify anhören.
Eine schöne Einstimmung auf die Flötentage im Museum. Vielen Dank fürs Gespräch!
Das Interview führte Ingeborg Salm-Boost
PS: Wie schon beim ersten Wettbewerb 2022 würde sich Cordula Hacke freuen, wenn es aus dem Kreis der Freunde des Museums wieder Übernachtungsangebote für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen gäbe. Wer ein jungen Musiktalent zwischen dem 25./26. und 30. Juni beherbergen möchte, mag bitte Kontakt aufnehmen mit cordula.hacke@t-online.de
Zwei Statements:
„Die Neess-Jugendstil-Sammlung ist ein einmaliges Geschenk nicht nur für alle Wiesbadener, sondern für die ganze Welt. Es geht dabei nicht nur um eine der schönsten und prächtigsten Stilsammlungen, sondern zugleich auch um ein kongeniales Konzept, wie man diese einmalige Kunstrichtung mit jungen Interpreten und Interpretinnen auf herrliche Weise zum Erklingen bringt. Unter der hervorragenden Leitung des geschäftsführenden Vorstandsmitglieds der neuen Stiftung, Prof. Cordula Hacke, gibt es einen grandiosen Wettbewerb für Flöte, der die Genialität des Art nouveau facettenreich zum Leben erweckt. Es kann keinen schöneren Wettbewerb geben. Ein herzliches großes DANKE geht an das Stifter-Ehepaar Danielle Nees und ihren viel zu früh verstorbenen Ehemann Ferdinand Wolfgang Neess!“
Dr. Peter Hanser-Strecker, Musikverleger und Mitglied des Kuratoriums der Freunde des Museums Wiesbaden
„Mir war es ein großes Anliegen, in Erinnerung an meinen Mann Ferdinand diesen Flötenwettbewerb zu veranstalten. Schon die Premiere 2022 war ein großer Erfolg. Und auch jetzt kommen wieder junge Menschen aus der ganzen Welt und beweisen ihr großes Talent beim Spiel im Museum Wiesbaden. Mein großer Dank gilt Cordula Hacke, bei ihr ist der Wettbewerb in besten Händen. Nun haben wir auch die Stiftung gegründet, um die Weiterführung des Flötenwettbewerbs zu sichern. Und wir hoffen natürlich für die Zukunft auf Sponsoren und wünschen uns, dass die Stadt an unserer Seite ist. Bei den Freunden des Museums Wiesbaden möchte ich mich für die Unterstützung bedanken.“
Danielle Neess, Mäzenin und Mitglied bei den Freunden des Museums Wiesbaden
Im nachfolgenden Kurzvideo sind Prof. Cordula Hacke und Kustos Dr. Peter Forster in der Jugendstilsammlung des Museums Wiesbaden zu sehen. Ein Beitrag einer Videoserie zum Wettbewerb, die im Frühjahr 2024 per Instagram in die Welt geschickt wurde und auf Englisch potenzielle BewerberInnen anspricht.