Aktion Sehnsuchtsobjekt (Teil 2)

Erst Ave Maria, dann Helene …

„Helene im spanischen Kostüm muss warten …“, das war Jutta Szostaks spontane Reaktion, als wir sie – die Türen zum Museum waren noch geschlossen – auf unsere Aktion „Sehnsuchtsobjekt“ hinwiesen. Sofort schrieb die Kulturjournalistin und Freundin des Museums auf, warum sie diesmal nach Wiederöffnung zu Marianne von Werefkins „Ave Maria“ stürmen möchte. Und vielleicht hat die Moderatorin der „Blauen Stunde“ bei Radio Rheinwelle es schon getan … Birgitta Steinschulte hat Sehnsucht gespürt nach „dem Museum in Gänze“. Dennoch, einige Objekte berühren schon ganz besonders das Herz der Kunstfreundin, die uns auch zu dem Gemälde „Der Taschenspieler in der Scheune“ von Ludwig Knaus führt. Auch der langjährige Kuratoriumsvorsitzende Stephan Ziegler freut sich auf sein „Sehnsuchtsobjekt“: Warum er so gerne „Red Painting“ (2000) von Joseph Marioni anschaut, ein Werk, das übrigens mit Spenden aus der Museumsgala 2019 erworben werden konnte, verrät er uns und macht Lust, es nachzuvollziehen.


Verschobene Welten

Jutta Szostak schreibt: „ ,Helene im spanischen Kostüm‘ muss warten. Mein für gewöhnlich bevorzugtes Bild muss einem anderen weichen, das von ihrer ehemaligen Dienstherrin gemalt worden ist. Nach der Wiedereröffnung des Museums werde ich zu Marianne von Werefkin stürmen und mich in ihr Gemälde ,Ave Maria‘ versenken.
Rätselhaft, mystisch, eines von diesen Wege-Motiven, von denen man gern wüsste, wohin sie führen. Assoziationen an expressionistische Stummfilme, verschobene Welten in lauten Farben.“

Die rätselhafte Mystik hat es ihr angetan: Jutta Szostak zieht es zu Marianne von Werefkins Werk „Ave Maria“, 1927 (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Pure Lebensfreude

Birgitta Steinschulte schreibt: „Als ich von der Aktion ,Sehnsuchtsobjekt‘ des Landesmuseums hörte, musste ich feststellen, dass es ,das eine Objekt‘ für mich gar nicht gibt. Ich sehne mich nach dem Museum in Gänze: der Architektur des Gebäudes, den Geräuschen, dem Geruch, den Menschen – eben nach allem, was dieses Museum ausmacht.

Während ich jetzt so meinen Museumserinnerungen nachhänge, fällt mir ein Gemälde aus der Knaus-Ausstellung ein, dessen Titel mir nicht mehr geläufig ist. Es stellt eine Szene in einer Scheune mit einem Gaukler oder Musiker dar, um den sich viele Menschen scharen. Ich erinnere mich, dass mir diese Scheunenszene pure Lebensfreude vermittelte und ich beinahe den Eindruck hatte, den Geruch von verschwitzter Kleidung und staubigem Stroh wahrzunehmen.

Und noch ein ,Bild‘ erscheint vor meinem inneren Auge. Ich sehe die Filmsequenz der Tänzerin Loïe Fuller vor mir, die man im Rahmen der Jugendstil-Ausstellung betrachten kann. Loïe Fuller (1862–1928) kreierte den Schleiertanz, eine für sie persönlich äußerst kräfteraubende und schmerzvolle, körperliche Anstrengung, die ihrer atemberaubenden Darbietung nicht anzusehen ist. Diese tänzerische Verspieltheit und Grazie findet sich in etlichen Objekten der einzigartigen Ausstellung wieder. Die Vielzahl der über 500 Exponate umfassenden Jugendstil-Ausstellung führt zu ständig neuen faszinierenden Entdeckungen.“

Eine Szene, die in Erinnerung bleibt: Das Gemälde „Der Taschenspieler in der Scheune“ (1862) – Grohmann-Museum, Collection at Milwaukee School of Engineering – strahlt für Birgitta Steinschulte pure Lebensfreude aus (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Unglaubliche Beruhigung

Kuratoriumsvorsitzender Stephan Ziegler schreibt: „Das Bild wirkt auf den ersten Blick ganz dunkel, fast schwarz, und eben nicht rot. Und erst wenn man die Bildmitte in der Betrachtung verlässt und sich die Ränder des Bildes genau anschaut, sieht man die vielfachen Lasuren des Bildaufbaus. Das Bild gewinnt an Tiefe, und je länger man es betrachtet, reißt das vermeintliche Schwarz auf, und man sieht einen warmen, braunroten Farbklang. Für mich geht von diesem Bild eine unglaubliche Beruhigung aus, und es regt mich zum Nachdenken an.“

Vom Farbklang fasziniert: Stephan Ziegler betrachtet immer wieder gerne Joseph Marionis Werk „Red Painting“, 2000 (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)
Detailansicht von Joseph Marionis Werk „Red Painting“, 2000, © Joseph Marioni (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

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