Freunde des Museums bei Graeff in der Staatskanzlei
„Unbestimmtes und Nebulöses war mir ein Leben lang verhasst“
Was die Minister und Ministerinnen wohl denken, wenn Sie am Kabinettstisch sitzen und auf die Kunst von Werner Graeff schauen? Manchmal nehmen sie die Bilder vielleicht gar nicht wahr, weil die Diskussion es nicht zulässt. Ein anderes Mal aber doch, weil die Werke des Bauhauskünstlers so ausdrucksstark und klar sind. Einer wird sie ganz bestimmt immer wieder wahrnehmen: Staatsminister Axel Wintermeyer, dem die Kunst in dem ehemaligen Hotel Rose und der heutigen Staatskanzlei am Herzen liegt. Dies betonte der Chef der Staatskanzlei, als er Gäste aus unserem Verein Freunde des Museums Wiesbaden zu einer spannenden Veranstaltung am 24. August 2017 begrüßte.
Der Abend war Werner Graeff gewidmet, von dem eine Reihe von Werken im Haus zu sehen sind und mit Bedacht ihren jeweiligen Platz fanden. Über sein Leben und Schaffen gaben die beiden Kunsthistoriker Evelyn Bergner und Roman Zieglgänsberger in unterhaltsamer Form einen tiefen Einblick. Immerhin betreuen beide gemeinsam im Museum Wiesbaden den gesamten Nachlass des Bauhauskünstlers und das Graeff-Archiv. Der 1901 in Vohwinkel-Sonnborn geborene Künstler, der 1924 mit Piet Mondrian und Hans Richter die „Zeitschrift für Elementare Gestaltung“ herausgab, starb 1978 in Blacksburg/Virginia.
Das Duo Bergner/Zieglgänsberger konnte auch einen neuen Graeff-Katalog vorstellen – Titel: „Ein Bauhauskünstler berichtet“. Ihr Dank galt zu Beginn der Staatskanzlei und unserem Verein Freunde des Museums Wiesbaden, die zusammen mit Ursula Graeff-Hirsch – der Witwe des Malers – die Publikation ermöglichten. Sie ist im Hirmer-Verlag erschienen.
„Hürdenlauf durch das 20. Jahrhundert“, so hatte Graeff laut Bergner seinen Lebensweg bezeichnet. Evelyn Bergner war in den Jahren 2009 und 2010 an der Nachlassüberführung von Mülheim an der Ruhr nach Wiesbaden beteiligt. Eine schöne, aber auch höchst diffizile Aufgabe. Zum Nachlass zählen rund 220 Gemälde, zwei wertvolle Originalzeichnungen, ein umfangreiches Konvolut an druckgrafischen Arbeiten in verschiedenen Techniken sowie Kleinplastiken, Modelle, Fotografien, Bücher und Archivalien. Er dokumentiert Graeffs Schaffen während des sogenannten zweiten Künstlerlebens nach dem Zweiten Weltkrieg.
Evelyn Bergner schilderte anschaulich den Weg Graeffs und ließ ihn selbst sprechen: „Malen ist immer wieder eine Lust, eine Freude, Experiment und Abenteuer. Zum Glück. Die Hastigen, die Schnellläufer mit ihren Tricks und Maschen überwiegen im Kunstbetrieb – und vergehen so rasch wie sie kamen. Ich meine, man sollte es nicht so eilig haben. Glücklich, wer rechtzeitig mit gutem Instinkt herauszufinden vermag, was ihm gemäß ist, was ihm wirklich liegt. Denn nur das lässt sich fruchtbar ausbauen.“
Graeffs Aussagen belegten, was später an den Wänden zu betrachten war: Seine Vorliebe für das Einfache, Eindeutige, für klare Form und kräftige Farbe – für das Konstruktive. „Meine ersten abstrakten und konstruktiven Zeichnungen und Bilder stammen noch von 1921 …“ Böse Zeitumstände, so formuliert es der Künstler, hinderten ihn, „jederzeit fröhlich weiterzuarbeiten“. Er hielt sich 17 Jahre in der Emigration auf und malte erst wieder nach dem Zweiten Weltkrieg. Bergner lässt Graeff über die „Farbskala des Stijl“ – der Bewegung um Theo von Doesburg in Leiden – über Graeffs Credo sinnieren, dass auch die gelockerte Form klar, die Farbe bestimmt und kräftig, der Aufbau einfach und überschaubar sein müssen. „Denn Unbestimmtes und Nebulöses war mir ein Leben lang verhasst. Auch das zeichenhafte Bild wünsche ich mir eindeutig und ausgewogen. Ja, in seiner Art immer noch: konstruktiv.“
Eine wunderbare Einstimmung auf die Führung. Diese erlaubte auch den Blick auf weitere Kunst in der Staatskanzlei, beispielsweise auf eine Rodin-Skulptur, auf ein Werk des documenta-Begründers Arnold Bode oder auf die Bilder-Galerie mit Fotoarbeiten von Barbara Klemm, in der sie die ältere und jüngere Hessen-Geschichte festhält. So auch die Vereidigung von Joschka Fischer, dem Minister in Turnschuhen.
Kunst in der Staatskanzlei kann übrigens an speziellen Besuchertagen besichtigt werden.