Ein Flötenwettbewerb im Jugendstil

Interview mit Cordula Hacke

„Ja, wir hatten zu seinen Lebzeiten darüber gesprochen“, sagt Danielle Neess zur Idee eines Internationalen Flötenwettbewerbs für Profis und Amateure, für junge wie alte Musizierende. Ihr Mann Ferdinand Wolfgang Neess sei ja immer sehr zurückhaltend gewesen. Aber die Überlegung, dass sich Musik und Sammlung ergänzen, die hatte ihm gefallen. Wer könnte einen solchen Wettbewerb nun besser vorbereiten als Professorin Cordula Hacke? Die renommierte Pianistin und Flötistin mit Lehrstuhl in Norwegen und vielfacher Jury-Erfahrung hat lange auch den Mäzen und Musiker am Klavier begleitet. Noch im hohen Alter war Ferdinand Wolfgang Neess bei Wettbewerben mit seiner Querflöte erfolgreich und belegte erste Plätze. Wie beseelt er von seiner Leidenschaft für die Musik war, erzählt uns Danielle Neess, die dabei ist, eine Stiftung zu gründen, um den Wettbewerb in die Zukunft zu führen. Diesmal wird sie ihn privat finanzieren. „Es sollte nicht so viel Zeit vergehen nach seinem Tod“, erklärt die Witwe den Start in diesem Juni. Gerne überlässt sie dann Cordula Hacke das Wort, die uns ausführlich über das Vorhaben informiert. Beide freuen sich darüber, dass sie bei Museum und Freunden des Museums auf „offene Ohren“ gestoßen sind, so wie sie sich auch über weitere Unterstützer freuen würden. Die Einzelheiten zum Wettbewerb finden Sie hier.     

„Kommen Sie zum Wettbewerb!“ ruft Cordula Hacke den Wiesbadenern und Wiesbadenerinnen zu. (Foto: privat)

Frau Professor Hacke, erzählen Sie mir bitte, wie es zu der Idee kam, diesen Internationalen Flötenwettbewerb, der alle zwei Jahre stattfinden soll, ins Leben zu rufen? Ich nehme an, Frau Neess hat Sie angesprochen …

Während der Planungen für die Schenkung der Jugendstilsammlung von Ferdinand W. Neess an das Museum Wiesbaden, haben wir im Hause Neess immer wieder über weitere Aktivitäten im Rahmen der Schenkung gesprochen. Eine der Ideen dazu war tatsächlich die eines Internationalen Flötenwettbewerbs zum Thema der Musik der Jugendstilzeit. Und Ferdinand fand diese Idee großartig. Ich denke, das hat mit seiner großen Liebe zu dieser Epoche der Kunst und Musik zu tun, aber natürlich auch mit seiner großen Liebe zur Querflöte und mit dem Wunsch, diesen beiden Dingen ein bleibendes Forum zu bieten.

Seit einem Gespräch, das ich im Sommer 2018 mit Ferdinand Wolfang Neess in seinem wunderbaren Haus führen konnte, weiß ich auch um seine große Liebe zur Musik. Wie waren denn Sie mit ihm zusammengekommen? Sie haben ihn als Pianistin begleitet, wenn er zur Querflöte griff?

Ich habe Ferdinand Mitte der achtziger Jahre über einen gemeinsamen Bekannten aus der Wiesbadener Musikszene kennengelernt. Viele, viele Jahre haben wir nicht nur gemeinsam musiziert, sondern uns intensiv über die Musik der Jugendstilepoche ausgetauscht, Ideen zu Konzertprojekten entwickelt, Konzerte zu den verschiedensten Anlässen gespielt und gemeinsam eine Transkription der Debussy Violinsonate beim Zimmermann Verlag – dem heutigen Schott-Verlag – herausgebracht.

Das ist ja großartig! Wie haben Sie den Kunstsammler und Mäzen als Musiker erlebt?

Ferdinand war als Mensch wie als Musiker eine ganz besondere, außergewöhnliche Persönlichkeit. Einerseits unglaublich bescheiden, aber immer auf der Suche nach der größtmöglichen Perfektion, dem „richtigen“ Ton in seiner Musik, und immer hadernd mit dem Wunsch, sein Instrument – die Querflöte – viel früher in seiner Kindheit schon erlernt haben zu können. Darüber hinaus hatte er eine unglaubliche Vielseitigkeit, widmete sich ja auch ausgiebig dem Jazz, wollte so gerne auch Klavierspielen können. Ein Zitat von ihm selbst beschreibt ihn und sein Verhältnis zur Musik sehr treffend:
„Die Immaterialität der Musik empfinde ich immer wieder als enorme Erleichterung gegenüber der materiellen und finanziellen Belastung, die mir die Sammlung auferlegt. In der Welt der Klänge kann ich mich immer wieder sammeln und erholen. Vor allem gibt es mir innere Stärke, wenn ich beim Flötenspielen aufblühe. Das sind zwar nur kurze Momente, aber dennoch erlebe ich musikalische Höhepunkte als etwas enorm Inspirierendes.“

Frau Neess sagt, er gewann selbst Preise? Wissen Sie darüber Näheres?

Zwei- oder dreimal hat er an einem sogenannten Amateurwettbewerb teilgenommen und dabei auch im höheren Alter erste Preise gewonnen!

Bitte schildern Sie doch, wie Sie zusammen mit Danielle Neess den Flötenwettbewerb auf den Weg gebracht haben – und wie lange die Vorbereitung eines so international angelegten Wettbewerbs brauchte.

Wir sind jetzt seit ungefähr einem Jahr in der Vorbereitung des Wettbewerbs. Dazu müssen viele Dinge geklärt und auf den Weg gebracht werden. Es ist ja auch unser erster Wettbewerb.
Zunächst einmal muss man sich über das Profil Gedanken machen: international, welche Altersbeschränkungen, welches Pflichtrepertoire, welcher Ablauf – d. h. wie viele Runden, wie sieht das Finale aus, gibt es ein PreisträgerIinnen Konzert – und vieles mehr.
Dann muss man sozusagen die inhaltlichen Dinge klären: die Auswahl der Jury, die Auswahl der KlavierpartnerIinnen, das Wahlrepertoire, die Bewertungskriterien usw.

Ein Wort auch zum Anspruch, dass der Wettbewerb eine Brücke schlagen soll zwischen der Jugendstil-Kunst und der Musik dieser Epoche …

Bei dieser Brücke geht es ja nicht nur um Musik aus exakt derselben Zeit, also nach Jahreszahlen. Es geht ja auch darum, dass Musikwerke den Geist des Art Nouveau bzw. des Symbolismus ausstrahlen, auch wenn sie vielleicht zeitlich und räumlich ganz anders verortet sind. Da sind wir natürlich sehr gespannt auf das Finale, denn da spielt auch die freie Programmauswahl eine wichtige Rolle!

Er war nicht nur ein großer Sammler und Mäzen, sondern auch ein leidenschaftlicher Musiker: Danielle Neess lädt nun zum Gedenken an ihren 2020 verstorbenen Mann im Juni erstmals zum Internationalen Flötenwettbewerb Ferdinand W. Neess Wiesbaden ein. (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Teilnehmen können sollen FlötistInnen ab 18 Jahren ohne Altersbeschränkung. Ist das nicht ungewöhnlich? Und es können sowohl Profis als auch Laien sein. Wo ziehen Sie hier die Grenze, was muss im Vorfeld schon klar sein?

Ja, das ist ungewöhnlich. Aber egal wie alt bzw. egal ob Profi oder nicht: Es zählt die Darbietung der Musikwerke.

Wie viele Anmeldungen gibt es schon? Und waren ursprünglich auch ukrainische und russische MusikerInnen interessiert?

Bisher gibt es, glaube ich, sieben Anmeldungen, aber ich bin nicht ganz auf dem neuesten Stand. Anmeldeschluss ist der 1. Mai, und erfahrungsgemäß melden sich die meisten kurz vor der Frist an. Da ist ein Schub zu erwarten. Ja, es gab Interesse aus der Ukraine und aus Russland. Auch aus China, wo eine Teilnahme wohl wegen der Corona-Lage eher nicht funktionieren wird.

Sie suchen auch Unterkünfte für die TeilnehmerInnen aus aller Welt?

Ja, es wäre schön, wenn wir einen Teil der KandidatInnen privat in Wiesbadener Familien unterbringen könnten. Das ist immer schöner als im Hotel zu wohnen, würde manche natürlich auch finanziell entlasten, und es trägt den Wettbewerb dann auch auf eine ganz andere Weise in die Wiesbadener Bevölkerung.

Und es werden doch sicher auch Sponsoren gesucht …

Sponsoren sind für uns auch ganz wichtig. Nicht nur, dass wir das Geld natürlich gut einsetzen können, aber durch ein Engagement können Firmen, Banken oder andere Sponsorengruppen zeigen, wie wichtig ihnen die Unterstützung der Kultur und die Förderung eines solch besonderen Wettbewerbs ist.

Was können wir vom Freunde-Förderkreis zur Unterstützung tun?

Es würde mich natürlich freuen, wenn der Freunde-Förderkreis uns bei der Suche nach privaten Unterkünften für die KandidatInnen unterstützen könnte. Sie haben ja viele Mitglieder und sind gut in der Stadt vernetzt. Das wäre für den Wettbewerb eine tolle Sache. Vielleicht könnten Sie auch einen kleinen Empfang zu Beginn des Wettbewerbs ausrichten? Das wäre ein schöner Rahmen für den Auftakt.


Die ansehnlichen Geldpreise für die Gewinnerinnen und Gewinner – 5.000, 3.000 und 2.000 Euro – kommen von Danielle Neess?

Dankenswerter Weise hat Danielle diesen Wettbewerb äußerst großzügig ausgestattet. Ohne sie wäre das alles gar nicht möglich. Und ich möchte mich auch an dieser Stelle nochmal ganz, ganz herzlich bei ihr bedanken!
Außerdem muss ich sagen, dass wir ein tolles Team sind. Die Zusammenarbeit ist wunderbar, auch weil wir beide dasselbe Ziel verfolgen: nämlich Ferdinands Vermächtnis, sowohl was die Sammlung angeht als auch, was die Musik betrifft, zu wahren und fortzuführen.

Frau Hacke, Sie haben sicher schon große Erfahrung mit solchen Wettbewerben. Was ist das Wichtigste bei der Organisation und wie stellt man die Jury zusammen? Wie wählt man die Begleitung am Piano aus?

Das Wichtigste bei der Organisation ist sicher, dass man alles auch bis ins Kleinste plant. Quasi jeder Schritt – von der Veröffentlichung bis zur Preisvergabe. Die Jury-Zusammenstellung hängt natürlich sehr von der Kompetenz der einzelnen Mitglieder und der Mischung der verschiedenen Herkunftsländer ab, aber natürlich auch von der Terminplanung der einzelnen JurorInnen. Bei der Wahl der KlavierpartnerInnen versucht man, Akteure mit sehr viel Erfahrung in diesem Repertoire zu engagieren. Sicherheit und Können sind hierbei ganz wichtig, auch für die teilnehmenden KandidatInnen.

Noch ein Wort zum Museum Wiesbaden. Wie wurde hier auf die Idee reagiert, Sie trafen doch sicher auf offene Ohren und Menschen, die das Vorhaben, F.W. Neess auf diese wunderbare Weise zu ehren, gerne befördern?

Ja, absolut. Auch hier möchte ich mich bedanken, vor allem bei Peter Forster und bei Suzan Mesgaran. Mit beiden habe ich in Bezug auf den Wettbewerb den engsten Kontakt und kann mit ihnen alles Schritt für Schritt planen.

Was möchten Sie den Wiesbadenern und Wiesbadenerinnen im Vorfeld des Wettbewerbs zurufen?

Kommen Sie zum Wettbewerb und hören Sie zu! Alle Runden sind öffentlich, und nur für das Finale muss man Eintrittskarten kaufen. Erzählen Sie anderen von unserem Wettbewerb. Unterstützen Sie uns beim Bekanntwerden und bei der Durchführung dieses neuen wichtigen Events in Wiesbaden. Und wenn Sie mögen, nehmen Sie direkt Kontakt mit uns auf: f.w.neess_floetenwettbewerb@t-online.de

Das Interview führte Ingeborg Salm-Boost


P.S.
Einer, der sich ganz besonders freut über den Flötenwettbewerb ist der für die Jugendstil-Ausstellung zuständige Kustos Dr. Peter Forster. Er sagt: „Ferdinand Wolfgang Neess hat die Idee des Gesamtkunstwerks voll gelebt, deshalb ist es so schön, dass die Musik dieser Zeit nun hier zu hören sein wird.“ Peter Forster erinnert sich an die erste Begegnung mit dem Mann, der das Museum so reich beschenkt hat: „Ich lernte ihn als Musiker kennen, er hatte die Flöte unter dem Arm, seine Liebe zur Musik war so offensichtlich. Diese Feinsinnigkeit findet man auch in seiner Sammlung.“

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