Ein Ostergruß aus dem Museum

Haben Sie ein „Sehnsuchtsobjekt“?

Dieses Bild hat Andreas Henning zu Ostern für uns aus dem Depot geholt: Januarius Zick, „Auferstehung Christi“, Kreidezeichnung auf Karton (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Leere Museumsräume auch an Ostern. Keine schöne Start-Zeit für den neuen Direktor Andreas Henning. Doch er und sein Team arbeiten mit großem Engagement daran, ein Stück der spannenden Welt von Kunst und Natur nach draußen zu bringen. Nicht zuletzt in guter Zusammenarbeit mit unserem Förderkreis. Und so freuen wir uns über Dr. Hennings Osterbrief und unterstützen gerne seine Idee, die Freunde und Freundinnen nach ihrem „Sehnsuchtsobjekt“ zu fragen. Andreas Henning schreibt:


Liebe Freundinnen und Freunde des Museums Wiesbaden,

seit dem 15. März sind wir im „Montags-Modus“. Damit ist unser regulärer wöchentlicher Schließtag gemeint, an dem wir Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten an den Objekten und dem Gebäude vornehmen können. Jetzt aber ist jeder Tag ein Montag, obgleich die Kunstwerke und Naturobjekte doch eigentlich gesehen, geschätzt, geliebt und diskutiert werden wollen. Die leeren Museumsräume wirken verwaist und erstarrt, gleichwohl wir natürlich wissen, dass die Maßnahmen zur Kontaktminimierung absolut berechtigt und notwendig sind. Und immerhin befinden wir uns in der privilegierten Situation, in diesen Wochen überhaupt arbeiten zu können, was etwa unseren freiberuflichen Museumsvermittler*innen oder den Aufsichten nicht möglich ist.

Um das Museum im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu halten, sind wir zurzeit verstärkt auf unseren Social-Media-Kanälen aktiv. Viermal wöchentlich posten wir ein „Museumsfenster am Abend“ auf Facebook und Instagram. Ostern wird zudem der neue MuWi Blog an den Start gehen. Er ist auch für alle diejenigen zugänglich, die sich nicht auf den einschlägigen Social-Media-Plattformen tummeln. Sie finden den Blog im Internet direkt auf der Startseite des Museums. Natürlich sind wir auch in diesem Zusammenhang für die gute und verlässliche Zusammenarbeit mit den Freunden des Museums Wiesbaden sehr dankbar! Dazu darf ich Ihnen hier die neue Entdeckungstour, Teil 3,  mit Roman Zieglgänsberger auf der Website der Freunde empfehlen sowie einen Brief aus der Natur von Fritz Geller-Grimm.

Darüber hinaus möchten ich Sie als Freundinnen und Freunde des Museums Wiesbaden gerne einladen, uns zu verraten, welches Kunstwerk oder welches naturhistorische Objekt Sie in diesen Wochen besonders vermissen. Haben Sie ein Werk oder Objekt vor Augen, das Sie als erstes aufsuchen und im Original betrachten werden, sobald das Museum Wiesbaden wieder öffnet? Ist es ein einzelnes Stück, eine Werkgruppe, oder vielleicht sogar ein Raum? Was verbinden Sie mit Ihrem persönlichen Highlight? Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie uns an Ihren Geschichten, Erlebnissen und Erinnerungen teilhaben lassen wollen. Das können ein paar Sätze sein oder ein paar Stichpunkte, auch kreative Beiträge sind willkommen. Sind Sie einverstanden, werden wir eine Auswahl der Einsendungen unter dem Titel „Sehnsuchtsobjekt“ im neuen MuWi Blog unter www.museum-wiesbaden.de/muwi-blog veröffentlichen. Ob Sie dabei Ihren (vollständigen) Namen angeben wollen, entscheiden Sie. Bei Einsendungen von Kindern wäre eine Altersangabe interessant. Die Mitarbeiterinnen in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit freuen sich bereits und sind auf Ihre Beiträge gespannt: sehnsuchtsobjekt@museum-wiesbaden.de.

Vielleicht stehen Ihnen jetzt an diesen Ostertagen, wenn Sie an das Museum denken, einige Gemälde der Alten Meister vor dem inneren Auge, die Etappen des Passionsgeschehens zeigen. Da wir im Moment für Sie nicht die Türen öffnen können, möchte ich Ihnen auf diesem Weg ein Blatt aus dem Depot des Museums Wiesbaden vorlegen, das das zentrale Ereignis des Ostersonntags thematisiert.

Die Zeichnung stammt von Januarius Zick (1730–1797), einem der wichtigsten deutschen Künstler des Spätbarocks, der 1760 zum kurtrierischen Hofmaler ernannt wurde. Unter den sechs Werken von Zick, die im Museum Wiesbaden inventarisiert sind, findet sich auch die „Auferstehung Christi“. Sie wurde erstmals 2012 von Peter Forster, unser Kustos für die Kunstsammlungen des 12. bis 19. Jahrhunderts, publiziert. Und zwar in seinem Ausstellungskatalog „Die Wahrheit steht auf dem Papier.

Die meisten der mehr als 200 von Zick überlieferten Zeichnungen entstanden als Studien zu einem Gemälde oder Fresko. Bei dem bildmäßig ausgeführten Wiesbadener Blatt der „Auferstehung Christi“, das das repräsentative Format von 60 x 43 Zentimetern aufweist, könnte es sich jedoch um ein eigenständiges Kunstwerk handeln. Interessanterweise befindet sich in der Barockgalerie des Belvedere in Wien ein Gemälde, das recht weitgehend dieser Zeichnung folgt. Es wird dem böhmischen Maler Franz Xaver Wagenschön zugeschrieben.

Zicks Zeichnung zeigt einen kraftvoll aus dem Grabe auffahrenden Christus. In der ausgreifenden Gestik und der in sich gedrehten Körperhaltung des Gottessohns tritt die Dynamik des Ereignisses deutlich zu Tage, was die in der Luft aufwallenden Stoffbahnen visuell unterstützen.

Zudem steigert der Künstler den Eindruck von der Überwindung der irdischen Gesetze, indem er schwere Steinquader wie die Grabplatte diagonal aufragen lässt. Darüber hinaus nutzt er die drei Soldaten am Sarkophag, um einen wirkungsmächtigen Kontrast zwischen der souveränen Gestalt Christi und seinen Bewachern zu schaffen. Dazu greift Zick eine Darstellungstradition auf, welche die Schergen in unterschiedlichen Bewusstseinshaltungen zeigt. Einer von ihnen ist noch vom Schlaf umfangen und kann somit seiner Aufgabe überhaupt nicht nachkommen. Der glatzköpfige Soldat mit der Lanze in der Hand vermag nur noch hilflos dem auffahrenden Gottessohn hinterherzublicken, während der dritte in die Leere des Grabes schaut. Durch diese Kunstgriffe sucht Zick sinnfällig zu machen, wie Christus am Ostersonntag den Tod überwand. Damit fordert der Künstler das emotionale Miterleben des Betrachters heraus und eröffnet solcherart Raum, der ein individuelles Nachdenken möglich macht.

Mit Zicks Zeichnung möchte ich Ihnen – so schwierig die gegenwärtige Lage auch ist – ein schönes Osterfest wünschen. Wir alle im Museum Wiesbaden sind dankbar für Ihre Verbundenheit mit dem Haus. Dass wir Freunde wie Sie um uns wissen, das trägt uns durch diese Wochen.

Bleiben Sie frohgemut und gesund,

Ihr Andreas Henning
Direktor des Museums Wiesbaden – Hessisches Landesmuseum für Kunst und Natur


Dr. Andreas Henning (Bild: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

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