Eintrittsfreier Samstag am 3. Dezember

Vom Zauber der Unterwelt

1203 Besucher, die vom eintrittsfreien Samstags-Angebot des Museums am 3. Dezember angezogen wurden, hatten die Qual der Wahl: Monumentale Bilder zwischen emotionaler Sinnlichkeit und theatralischer Überwältigung in der Ausstellung Caravaggios Erben treffen auf die Verlockungen der Unterwelt. Erdböden, die eine große Rolle im Naturhaushalt spielen, beheimaten eine gigantische Anzahl von Lebewesen, bizarre Formen an Wurzelwerk durchdringen die vielen Schichten. „Am besten beides“ ist sich ein Paar einig, das aus Kaiserlautern angereist war. Ihr Plan: Zuerst ins Museum Wiesbaden und dann zum Weihnachtsmarkt. Aber zunächst geht es ab ins Erdreich – Boden erforschen, Schätze entdecken, so der Titel der Ausstellung. Mitmachen lautet hier die Devise. Auf einem Erlebnisparcours dürfen Kinder endlich einmal Schatzsucher sein. Die Bodenzaubermaschine lockt die jungen Wissenschaftler. „Erdreich-Experten“ klären auf, und Kuratorin Susanne Kridlo lädt zu Streifzügen durch die Ausstellung ein. Spannende Fragen werden beantwortet: Wie wirkt sich der Boden auf den Geschmack des Weins aus? Wie viel Boden braucht man, um einen Hamburger essen zu können?

Am Stand der Freunde des Museums nimmt Vorstandsvorsitzender Dr. Gerd Eckelmann die ersten Besucher in Empfang. Trotz Traumwetter, Sternschnuppenmarkt und Einkaufsstimmung zieht es wieder zahlreiche Interessierte in die Sammlungen und Sonderausstellungen. Viele Kinder aller Altersgruppen sind in den Museumgängen unterwegs.  Die Museumwerkstatt für Kinder – diesmal mit dem Thema „Tiere des Winters“ – ist auch wieder gut besucht. Lieblingsobjekt ist der Eisbär, der majestätisch auf die große Besucherzahl herabblickt. Tiere malen, zeichnen, basteln – am Ende kann eine rundum gelungene Ausstellung der kleinen Kunstwerke in den Räumen der Museumwerkstatt bewundert werden. Die vor der Tür geduldig wartenden Familienmitglieder sind beglückt!

Viele Besucher führt es geradewegs in die Ausstellung zum neapolitanischen Barock mit „Caravaggios Erben“. Dort wird der Betrachter gleich zu Beginn von Artemisia Gentileschis bekanntestem Bild „Judith und Holofernes“ (um 1620) in den Bann gezogen. Eine Berühmtheit war die italienische Malerin schon zu Lebzeiten, und das in einer ganz besonders von Männern dominierten Domäne; ihre Bilder erzielten höhere Preise als die der männlichen Kollegen. Ihr bedeutendes Werk sowie weitere, die für ganz Europa stilprägend wurden, sind bis zum 12. Februar 2017 im Museum Wiesbaden zu bestaunen.

Die Wirkung dieser Werke der Neapolitanischen Schule ist gewaltig und liegt für den Betrachter in der naturalistischen und detailgetreuen Darstellung, die erst in der Malerei des Barock technisch perfekt wurde. Voller Freude über die neuen Möglichkeiten haben die Maler dieses Handwerk immer weiter perfektioniert. Spätere Epochen sind dann, ganz im Sinne der subjektiven Darstellung, davon abgewichen. Bereits die Frühromantik stellte Sujets dar, die es so nicht geben konnte, idealisiert, und für den Betrachter als solches unbewusst wahrnehmbar – ein Umstand, der ihn davon abhielt, tief in die Szenerie einzutauchen. Ganz anders der Barock. Der Betrachter erblickt eine Darstellung, die der Wirklichkeit entsprungen zu sein scheint.  Er wird dadurch Teil der Szenerie, ist dabei, als wenn er nur seine Augen abgewandt hätte, um eine sich gerade zutragende Begebenheit zu beobachten. Die Wirkung der Werke ist wohl einer beabsichtigten Distanzlosigkeit zuzuschreiben, die sich unverfälscht über die Jahrhunderte bis hin zu uns erhalten hat. Dem sind wir – wenn ohne Vorbereitung – schutzlos ausgeliefert. Dies umso mehr, als Barockmalerei selten im zeitgenössischen kulturellen Fokus steht. So ist diese Malerei fast wie eine Schule des Sehens, die von uns eine eigene Beurteilung der Szene erwartet. Auf den Audioguide hätte sie hier doch lieber verzichtet, so eine Besucherin, die am Stand der „Freunde des Museums“ vorbeischaute, es gäbe einfach zu viel zum Diskutieren.

Mit einer Kunsthistorikerin voran, macht sich eine große Gruppe interessierter Besucher auf den Weg zu den barocken Meisterwerken. Vom Eintauchen in das Nebeneinander von Gewalttätigkeit und Ästhetik zurückgekehrt, meldet sich eine Besucherin am Stand der „Freunde des Museums“, wo die beiden (Vor-)Standfrauen inzwischen zahlreiche Gespräche mit Interessierten führen konnten. Seit 40 Jahren lebt diese Besucherin nun in Wiesbaden, aber zum ersten Mal hat sie jetzt ihren Weg in das Museum gefunden. „Ich komme wieder“, lautet ihr Urteil, und sie fragt nach einem Tipp für eine zweite Ausstellung, für deren Besuch sie noch Zeit hätte. Wie wäre es da mit einem Blick in die Welt unter unseren Füßen, wo sich Milliarden von Organismen tummeln? Gesagt – getan, und weiter geht es gleich nebenan ins Erdreich.

Kurz bevor die Pforten des Museums geschlossen werden, schauen einige Besucher vorbei. Man will schnell einen Blick werfen auf die Sammlungen, da es doch heute kostenlos ist, und dann wiederkommen mit mehr Zeit im Gepäck. Um 17 Uhr ist dann Schluss mit dem musealen Zauber für 1203 Besucher – vorerst …

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Kleine Künstler in der Museumswerkstatt für Kinder: „Ereignisreich, dramatisch, wild“, zeichnerische Annäherungen an Werke des Barock. Hier: Jusepe de Ribera „Die Unbefleckte Empfängnis Mariä“.
Kleine Künstler in der Museumswerkstatt für Kinder: „Ereignisreich, dramatisch, wild“, zeichnerische Annäherungen an Werke des Barock. Hier: Jusepe de Ribera „Die Unbefleckte Empfängnis Mariä“.
Kleine Künstler in der Museumswerkstatt für Kinder: „Ereignisreich, dramatisch, wild“, zeichnerische Annäherungen an Werke des Barock. Hier: Jusepe de Ribera „Die Unbefleckte Empfängnis Mariä“.

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