Gesichter des Museums
Folge 10: Alexander Klar, Museumsdirektor
Alexander Klar ist ein quirliger Mensch. Seit November 2010 leitet der promovierte Kunsthistoriker das Museum Wiesbaden für Kunst und Natur und ist Chef von 45 Mitarbeitern. Ihm wird eine große Kommunikationskraft nachgesagt. In der Belegschaft pflegt man gern das „Du“. Im Interview wählen wir auch diese Anrede. Der Direktor des Museums gehört dem Vorstand der Freunde des Museums an – daher rührt das „Du“ zwischen der Fragestellerin und dem Interviewten.
Alexander, wie fühlst Du Dich kurz vor dem Jahresende? Das Ziel, die 100.000-Besucher-Marke zu knacken, wurde ja schon am 1. Dezember erreicht.
Schlapp, aber gut. Erstmals seit ich hier bin, springen wir über die 100.000. Wir schließen an grandiose Zeiten an!
Wann waren diese denn?
1987, als die Ikonen-Ausstellung „1000 Jahre Russische Kunst“ stattfand, es wurden 130 000 Besucher gezählt. Und 1992 haben die Dinos doch tatsächlich 265.000 angelockt!
Und 2017?
Da waren es immerhin 99.000. Die Kirchhoff-Ausstellung „Der Garten der Avantgarde“ lief sehr gut.
Mal ehrlich: Welche Ausstellung war Dir persönlich 2018 die liebste? Chillida ausgenommen, die hast Du ja mit dessen Sohn Ignacio und Lea Schäfer kuratiert.
Oh, das fällt schwer. Ich sage aber Marioni, auch wenn das nicht der Publikumsrenner war. Diese Schau war so clean, ästhetisch, fast sakral.
Und welche Schau war für Dich ganz besonders, seit Du das Haus leitest?
Anselm Feuerbachs „Elexier einer Leidenschaft“. Bei dieser Ausstellung im Herbst 2013 hat von der Idee bis zur Ausführung wirklich alles gestimmt.
Schwenk zum Personal: Würdest Du sagen, dass alle Kustoden an einem Strang ziehen?
Das ganze Haus zieht an einem Strang, aber natürlich findet auch ein fröhlicher Wettbewerb statt. Wir alle versuchen, uns gegenseitig zu beeindrucken. Wir alle wollen Spitzenleistungen erzielen.
Da fällt mir auf, dass um Dich herum in erster Linie Männer als Kuratoren unterwegs sind. Und es gibt nur Kustoden im Museum Wiesbaden.
Ich bin der Letzte in der Riege, der eingestellt wurde, die anderen Männer waren schon da. Aber insgesamt ist es bei uns doch ausgewogen. Im Naturwissenschaftlichen Bereich haben wir mit Susanne Kridlo eine engagierte Kuratorin. Außerdem haben wir Rebecca Krämer als Kuratorin der Digitalen Sammlung. Und ab Januar wird Astrid Lembcke-Thiel neben der Museumspädagogik noch als Kuratorin für Vermittlung und Besucherbeziehungen aktiv. Diesen Bereich übernimmt sie von mir, und ich sehe ihn bei ihr gut aufgehoben.
In Gesprächen hören wir Vorstandsleute von den Freunden oft Lob für die Entwicklung des Zwei-Sparten-Hauses. Was sind denn die Erfolgsparameter aus Deiner Sicht?
Einmal muss man eine klare Vorstellung für das Museum seiner Träume haben. Aber man muss auch zuhören können, wenn andere das Museum ihrer Träume entwerfen. Nein, populistisch wollen wir nicht sein, aber wir haben die Vorstellung, dass das Museum für die Gesellschaft da ist. Es soll facettenreich sein, aber kein Gemischtwarenladen. Profil ja, aber bitte mit weit gefassten Leitplanken und mehreren Spuren.
Gibt es manchmal auch Gerangel unter den Ausstellungsmachern, wann sie was machen dürfen?
Das ist schon ausgewogen, die Planung reicht ja weit in die Zukunft, um es einvernehmlich regeln zu können.
Früher fühlte sich die Natur-Sparte sehr benachteiligt. Sagst Du als Mann der Kunst, dass es heute ein faires und gleichberechtigtes Miteinander gibt?
In der Kommunikation untereinander ist völlig klar, dass Kunst und Natur gleichberechtigt und gleichwertig sind. Aber ich bin halt Kunsthistoriker. Ich glaube, die Natur-Experten wünschten sich wohl manchmal, dass ich mehr von der Natur verstünde.
Wie oft gehst Du mit Deinen Kindern denn in die Museums-Natur?
So oft sie das wollen. Jetzt, vor kurzem, haben wir zusammen die Eiszeit-Safari angeguckt.
Was bedeutet die Schenkung der Jugendstil-Sammlung von Ferdinand Wolfgang Neess für dieses Museum?
Die Schenkung begründet einen völlig neuen Sammlungsschwerpunkt, der sich aber sehr gut in unsere Sammlung des 19. Jahrhunderts und vor unsere herausragende Expressionismus-Sammlung einpassen lässt. Die Größe der Sammlung und die herausragende Qualität der Objekte machen die Sammlung Neess zum wichtigsten Sammlungsschwerpunkt seit Gründung des Hauses im Jahr 1825.
Und dann gibt es ja auch noch den Mäzen Frank Brabant, der dem Museum Wiesbaden die Hälfte seiner Sammlung expressionistischer Werke und der Neuen Sachlichkeit vermachen wird …
Auch das ist ein Glücksfall für das Museum Wiesbaden, weil seine Sammlung passgenau anschließt, also die bestmögliche Ergänzung unseres Expressionismus-Schwerpunktes darstellt. Dass wir daneben auch ein „Schwesterhaus“ in Schwerin erhalten haben, ist ein ganz besonderer Aspekt dieser Stiftung.
Wir haben für diese Website 2016, kurz nach Einführung des von den Freunden unterstützten eintrittsfreien ersten Samstags im Monat, ein Interview darüber geführt, und Du warst erfreut über die Resonanz. Hält die Freude an? Der Besucher-Andrang ist ja manchmal fast zu groß.
Ich sehe das uneingeschränkt positiv. Es war eine der glücklichsten Ideen für das Museum in den vergangenen Jahren. Ganz ohne Barriere kommen die Menschen, und viele finden dann Gefallen am Museum. In der Tat ist auch der Sonntag danach, wenn wieder gezahlt werden muss, kein schwacher Tag geworden.
Lässt sich ein solcher Samstag mit Mega-Andrang wie im November denn gut organisieren? Man hört immer wieder von Problemen mit den Toiletten, die Kapazitäten stimmen nicht.
Ja das Haus wird bei so großen Besuchermengen an seine baulichen Grenzen gebracht. Ein starker Indikator, dass das Museum endlich einen Erweiterungsbau braucht.
Kommen wir noch einmal kurz zu den Freunden des Museums. Wie bewertest Du die Arbeit? Du gehörst ja auch dem Vorstand an.
Der Verein ist ein Grundpfeiler der Museumsarbeit, er wirkt nach innen und nach außen, er ist werbend und vermittelnd. Und er bietet in Zusammenarbeit mit uns tolle Veranstaltungen an. Es ist ein gutes Zusammenspiel zwischen aktivem Verein und aktivem Museum. Beide Seiten müssen von einer Mission überzeugt sein, und dies ist der Fall.
Es gibt seit 2017 auch einen Collectors Circle. Was verbirgt sich dahinter?
Das ist eine kleine Gruppe von Förderern im Bereich Moderne und Gegenwart. Wir erhalten in jedem Jahr von jedem Mitglied 10.000 Euro, insgesamt sind das dann 70.000 Euro zur Anschaffung zeitgenössischer Kunst.
Gibt es so etwas in anderen Museen auch?
In den USA ist das Standard. In Deutschland eigentlich nur in den großen Häusern. An Museen unserer Größe ist es eher selten.
Das Museum hat ja für Herbst 2019 das ambitionierte Projekt „Jetzt³ – Junge Malerei in Deutschland“ geplant. Ein Wort bitte noch dazu.
Das wird die umfassendste Übersicht über Stand und Qualität der jungen Maler/innen-Generation in Deutschland. Wir präsentieren Künstler, die zwischen 1978 und 1988 geboren sind. Die Ausstellung wird rund 50 Künstlerinnen und Künstler vorstellen, dabei werden alle Positionen parallel im Kunstmuseum Bonn, in den Kunstsammlungen Chemnitz und im Museum Wiesbaden gezeigt werden. Eine deutschlandweite Ausstellung also.
Wie wird es denn mit der Kunst vor dem RMCC weitergehen? Da hattest Du ja öffentlich Deinem Ärger darüber Luft gemacht, dass nun offenbar doch nicht, wie zunächst im Entscheider-Gremium mit knapper Mehrheit beschlossen, das Werk von Monica Bonvicini kommen soll.
Also, es hängt nun vom RMCC ab, im Kulturbeirat gab es auch einige Nachfragen zum Verfahren. Die Arbeit ist glasklar umsetzbar. Und der Platz braucht dieses Kunstwerk. Punkt!
Was versprichst Du Dir von der neuen Gestaltung mit Museumsplatz und vom RheinMain CongressCenter fürs Haus?
Es ist ein neuer Schwerpunkt entstanden, das Zentrum ist ein bisschen näher in unsere Richtung gerückt. Es gibt ein gutes Miteinander zwischen RMCC und Museum, gemeinsame Formate sind denkbar. Der Austausch findet statt. Ich sehe für eine gute Entwicklung viel Potenzial.
Wie viele Veranstaltungen von Externen verträgt eigentlich das Museum?
Zwei bis drei pro Woche, das geht schon. Und so manche Menschen, die sonst nicht den Weg ins Museum fänden, kommen sicher wieder. Und werben für unser Haus.
Ist es nicht schade, dass es keine Außengastronomie gibt? Das Sommerfest 2018 vor dem Museum war doch wirklich ein Knüller!
À la longue könnte es vielleicht doch einmal möglich werden. In jedem Fall können wir Formate ausprobieren. Die Kissen, die jetzt immer wieder auf den Treppen liegen, die sind nicht nur zum Draufsetzen gedacht, sondern auch zum Nachdenken darüber, was vor der Museumstür alles machbar sein könnte. Haben wir nicht mit der „Seifenblase“ donnerstags eine schöne Sache auf dem Vorplatz? Es soll auch im Winter Kaffee ausgeschenkt werden.
Ja, dieses Kaffee-Mobil ist wirklich schön. Wir haben es schon im Bild auf der Website vorgestellt.
Werden wir mal persönlich. Wolltest Du immer schon Museumsdirektor werden?
Klares Nein! Ich wollte Komponist und Dirigent werden, meine Mutter war ja Konzertsängerin, da lag das Musikalische in der Luft. Wenn meine Mutter quasi vor dem Kinderzimmer co-repetierte, dann konnte ich besonders gut einschlafen.
Hättest Du auch Politiker werden können? Du hast ja durchaus klare Vorstellungen, zum Beispiel zur Stadtpolitik.
Nein, dazu hätte ich nicht die Geduld und das Stehvermögen. Ich bin lieber ein guter Bürger.
Was sind denn Deine Stärken?
Kommunikation. Ich kann gut reden, aber auch gut zuhören.
Und die Schwächen?
Ich bin extrem ungeduldig, manchmal viel zu hastig. Ich glaube, das gefällt meinen Kindern nicht, die haben einen ganz anderen Rhythmus.
Wie bringst Du Deinen anspruchsvollen und zeitintensiven Job mit der Familie gut zusammen?
Es klappt, weil meine Frau ein extrem toleranter Mensch ist und im Job zurückgesteckt hat. Ich bin zwar deutlich mehr für meine Söhne da als mein Vater für mich da war, aber es könnte noch mehr sein. Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, dass meine Frau Lisa ihre Arbeit nur halbtags macht.
Die Frage nach Hobbys muss nun natürlich noch kommen…
Ich mache Kammermusik, liebe mein Cello-Spiel. Und wenn es zeitlich geht, spiele ich mittwochsabends in Mainz in der zusammengewürfelten Bunten Liga Fußball.
Was gefällt Dir an Wiesbaden besonders gut?
Dass man vom dicht besiedelten Westend in 17 Minuten in den Wald spazieren kann.
Und was gefällt Dir gar nicht?
Die vielen in der City geparkten, privaten Autos. Es gibt doch Carsharing.
Hast Du kein Auto?
Nein. Ich nehme das Rad.
Zu Weihnachten und fürs neue Jahr darf man sich etwas wünschen …
… dass ganz viele Menschen 2019 zum ersten Mal in unser Museum kommen.
Das Gespräch führte Ingeborg Salm-Boost