Gesichter des Museums

Folge 14: Patricia Becker-Matthews – „ein inspirierender Arbeitsplatz“

Treffen bei Tiffany: Patricia Becker-Matthews ist ein Fan der Jugendstil-Sammlung. (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Wir treffen uns im Jugendstil. Patricia Becker-Matthews liebt diese Sammlung sehr. Und so soll hier das Foto für unser Interview mit der Frau entstehen, die im Museum Verwaltungsleiterin ist. Vom ZDF kam die Juristin im April 2019 nach Wiesbaden. Ihr Aufgabenbereich ist groß, welche Herausforderungen auf sie und das gesamte Museumsteam mit der Pandemie zukommen würden, hatte sie damals noch nicht ahnen können. Patricia Becker-Matthews stellt sich in Position, der Abstand ist ausreichend, nun kann sie fürs Bild kurz die Maske abnehmen. Museumsfotograf Bernd Fickert hat das Stativ aufgebaut. Und nun lichtet er für unser Interview eine Kollegin ab, die das Fotografieren als eines ihrer liebsten Hobbys nennt …


Frau Becker-Matthews, seit Frühjahr 2019 sind Sie im Museum Wiesbaden, wo liegen die Schwerpunkte Ihrer Aufgaben?

Meine Aufgaben betreffen die folgenden Bereiche: Leitung der Verwaltung und Pforte, Veranstaltungsmanagement, Personalrecht und Personalplanung, juristische Fragestellungen, Haushalt, Fachaufsicht über Dienstleistungsunternehmen, Kooperation Hessisches Ministerium Wissenschaft und Kunst, Mandant Historisches Erbe, Abwesenheitsvertretung der Dienststellenleitung … Nebenbei bin ich noch für den Shop zuständig. (Dies sagt Patricia Becker-Matthews mit einem Augenzwinkern.)

Das ist ja ein großes Aufgabenpaket. Erstmal muss ich nachfragen: Was bedeutet denn „Mandant Historisches Erbe“?

Hinter dem Namen verbirgt sich ein gemeinsamer Buchungskreis mit anderen Dienststellen des Landes Hessen. Unter anderem mit den Museen in Darmstadt und Kassel.

Nennen Sie doch bitte mal ein paar Beispiele für ihre Arbeit!

Die Kolleginnen und Kollegen wenden sich mit vielfältigen Fragen an mich, beispielsweise im Personalrecht. Ich betreue Stellenausschreibungen, Einstellungen und Veränderungen an den Arbeitsverträgen. Ich prüfe Verträge im Bereich von Förderungen/Sponsoring und Schenkungen für die Kunst- und Naturhistorischen Sammlungen und auch sonstige Kooperationen, z.B. im Bereich der Bildung und Vermittlung oder Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Sie müssen sicher auch den Daumen sehr auf die Finanzen legen?

Die Haushaltskontrolle inklusive der Prüfung und Freigabe der eingehenden Rechnungen gehören ebenso zu meinen Aufgaben wie die Bearbeitung von Grundsatzangelegenheiten, etwa die Erstellung von Dienstvereinbarungen, Vergaberichtlinien und Vertragsmustern.

Zuvor gab es ja diese Stelle nicht. Was können Sie denn alles der Museumsleitung abnehmen? Vor allem dem stellvertretenden Direktor Jörg Daur, der sich ja zuvor auch sehr um Verwaltungs- und Budgetfragen gekümmert hat.

Ich denke, dass ich viel vom täglichen Geschäft insbesondere in Bezug auf Personal und Haushalt übernehmen konnte. Unter anderem durch meinen juristischen Background bringe ich einen weiteren fachlichen und persönlichen Blickwinkel mit ein. Grundsätzliche Fragen klären wir innerhalb der Dienststellenleitung natürlich in Zusammenarbeit und im ständigen Austausch.

Sicher muss man doch auch eine große Affinität zur Kulturstätte haben, wenn man sich hier um Personal und Finanzen kümmert?

Auf jeden Fall. Das Museum ist ein wunderbarer und inspirierender Arbeitsplatz! Besonders die Einbindung in so viele verschiedene Bereiche macht die Arbeit mit und für die Kolleginnen und Kollegen hier so spannend und abwechslungsreich. In einem größeren Haus ist man nur in der eigenen Abteilung wirksam, das Große und Ganze erschließt sich einem oft nicht.

Unwillkürlich kommen wir jetzt natürlich zur Pandemie-Zeit. Was bedeuten aus Ihrer Sicht die Schließungen des Hauses der Kunst und Natur?

Zunächst einmal bin ich natürlich auch enttäuscht, dass die Ausstellungen nun wieder nicht für die Öffentlichkeit geöffnet bleiben können. Ich sehe ja auch, wie viel Arbeit und Herzblut alle Kolleginnen und Kollegen in die Realisierung der Ausstellungen gesteckt haben. Zudem macht man sich, glaube ich keine Vorstellung, wieviel Arbeit auch in Zeiten der Schließung anfällt. Ich wurde beim Lockdown manchmal gefragt: „Was machst du überhaupt momentan? Das Museum ist doch geschlossen.“ Dabei mussten wir im letzten Jahr schnell reagieren und funktionieren.

Und was war vorrangig zu tun?

Wir haben einen Krisenstab gebildet und zunächst auch Dinge erstmals durchdacht bzw. auf den Weg gebracht – zum Beispiel einen kompletten Geschäftsverteilungsplan mit Vertretungsregeln erstellt, um die Funktionsfähigkeit des Hauses auch bei einem Ausfall einer nicht vorhersehbaren Anzahl von Kollegen und Kolleginnen aufrechtzuerhalten. Wir haben viele ins Homeoffice geschickt, um Risikogruppen zu schützen und die Abstände in den Büros einhalten zu können.

Dafür muss es ja sicher auch Regeln geben …

Ja, es mussten Homeoffice-Reglungen entwickelt und auch die entsprechenden Ressourcen beschafft sowie die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Viele Monate hatten wir uns mit der Einrichtung eines Online-Ticketing-System beschäftigt, insbesondere um Terminbuchungen und Zeittickets zu ermöglichen. Aber auch langfristig soll damit den Besuchern und Besucherinnen ein angenehmes und fortschrittliches Buchungssystem zur Verfügung stehen und uns die internen Arbeitsabläufe vereinfachen.

Sie mussten ohne Testphase dann mit dem Online-Ticketing loslegen …

Das war so. Bei über 6.000 Buchungen lief es ohne Probleme. Natürlich gibt es auch mal Beschwerden, die Kollegen und Kolleginnen nehmen jeder einzelne ernst, und es wird auch immer an Verbesserungen gearbeitet.

Was bedeuten die Einnahme-Ausfälle? Wie wird das kompensiert?

Die Einnahmeausfälle sind natürlich enorm. Im letzten Jahr haben wir einen Ausgleich vom Land erhalten; sicherlich kann dies aber nicht dauerhaft alle Einnahmen ersetzen. Hier sind wir alle gefordert, sehr umsichtig mit den Ressourcen umzugehen. Besonders bitter finde ich persönlich allerdings die Situation der freien Führungsleitungen oder der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unseres Aufsichtsdienstes. Durch die monatelange Schließung sind diese Menschen auf Kurzarbeitergeld angewiesen, und wir können leider wenig tun, um diese Not aufzufangen.

Aufgeräumter Schreibtisch, aber großes Arbeitsspektrum: Verwaltungsleiterin Patricia Becker-Matthews (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Wie nehmen Sie das Team unter der Leitung von Andreas Henning wahr?

Andreas Henning ist sehr achtsam und respektvoll gegenüber allen Kolleginnen und Kollegen, ist dabei aber jederzeit in der Lage das Team zu führen und die besten Entscheidungen für das Haus zu treffen. Die Pandemiesituation hat seinen Start ja nicht gerade leicht gemacht, umso mehr schätze ich seine besonnene Art. Ich habe den Eindruck, dass es dem gesamten Team ähnlich geht.

Ist es schwierig, mit Kuratoren über Geld zu reden?

Ja, manchmal gibt es Diskrepanzen zwischen dem Wunsch der Kuratoren und dem rechtlichen Rahmen. Ich denke aber, wir finden immer rechtssichere und pragmatische Lösungen, denn die Kuratoren und Kuratorinnen hier im Museum Wiesbaden denken alle auch betriebswirtschaftlich.

Wie viele fest angestellte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hat eigentlich das Museum Wiesbaden – kennen Sie alle?

Es sind knapp 50 Festangestellte sowie zehn weitere befristete Kräfte, z. B. durch Volontariat oder Freiwilliges Soziales Jahr. Das Team ist also überschaubar, und ja, ich kenne alle Kollegen und Kolleginnen persönlich. Ich habe das Glück, dass ich durch meinen recht umfangreichen Aufgabenbereich mit fast allen auch regelmäßig direkt zusammen arbeite.

Es gibt auch „Leihkräfte“ – vor allem das Aufsichtspersonal. Wer hat ihnen denn etwas zu sagen?

Das ist etwas kompliziert. Durch Vorgaben des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes dürfen wir Angestellten von eingesetzten Dienstleistungsunternehmen keine Weisungen erteilen oder diese in den Betriebsablauf eingliedern. Daher ist ein Objektleiter des Dienstleisters sozusagen zwischengeschaltet. Die hauseigenen Kräfte an der Pforte verstehen sich da eher als Instanz für Qualitätsmanagement und geben unseren Bewachungsbedarf an die Objektleitung weiter. Die Einteilung der Kräfte erfolgt dann innerhalb des Bewachungsunternehmens.

Kommen wir mal zu Ihrer Beziehung zur Kunst. Welche Richtung ist Ihnen denn die Liebste?

Von den Sonderausstellungen, die seit meiner Zeit hier am Museum gezeigt wurden, haben mich die Landschaftsmalereien von Harald Sohlberg ganz besonders fasziniert. Auch die Ausstellung „Jawlensky/Werefkin“ war ein absolutes Highlight und ich freue mich schon auf „Alles! 100 Jahre Jawlensky in Wiesbaden“. Die Jugendstilsammlung in ihrer Gesamtheit begeistert mich ebenso.

Haben Sie auch ein „Sehnsuchtsobjekt“? Sie wissen vielleicht, wir hatten unsere Mitglieder mal beim ersten Lockdown danach gefragt.

Es ist schwierig sich für ein Objekt zu entscheiden. Grundsätzlich denke ich, dass die Stimmung von Farbe für mich ein wesentlicher Anziehungspunkt ist. Die Leuchtkraft der vielfältigen und intensiven Farben der Natur wecken bei mir die Sehnsucht nach Wärme und Lebensfreude.

Kannten Sie das Wiesbadener Museum schon ein wenig, bevor Sie hier als Verwaltungsleiterin einzogen?

Kurz nach meinem Vorstellungsgespräch im Museum wurde die „Eiszeit-Ausstellung“ eröffnet. Das war für meine beiden kleinen Jungs natürlich ein absolutes Muss. Ein Highlight war in diesem Zeitraum auch die beeindruckende Chillida-Ausstellung: Dort konnte ich bereits einen ersten Eindruck gewinnen, wie viel Arbeit und Organisation in einer solchen Sonderausstellung stecken und was die Kollegen und Kolleginnen des Hauses leisten, um großartige Ausstellungen auf die Beine zu stellen und dem Besucher ein besonderes Museumserlebnis zu bieten.

Und wie nehmen Sie die Naturhistorische Abteilung wahr? Was gefällt Ihnen hier ganz besonders?

Besonders gefällt mir die Aufteilung der Bereiche in Form, Farbe, Bewegung und Zeit. Ich denke, das ist einzigartig in der Museumswelt. Auch die vielfältigen Mitmachangebote sind toll und verstärken das Erlebnis des Besuchers innerhalb der Ausstellung und den Bezug zu den Objekten. Andreas Hennings Anliegen, die Verknüpfung beider Bereiche zu intensivieren und Synergien zu nutzen, wird Kunst und Natur und damit das gesamte Haus noch weiter zusammenrücken lassen. Der Jugendstil bildet da ja auch bereits eine Brücke.

Was wünschen Sie sich fürs Museum, wenn wir jetzt mal nicht über die pandemiebedingten Probleme reden?

Mir liegt die Personalarbeit am Herzen. Ich möchte mich in Zukunft noch mehr für Teambildung und Organisations- sowie Personalentwicklung einsetzen, damit das Team weiterhin so engagiert und motiviert bleibt.

Wie nehmen sie den Verein Freunde des Museums Wiesbaden wahr?

Ich schätze die Arbeit des Vereins sehr und denke, dass dieser wesentlich dazu beiträgt, das Museum einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Zu erwähnen ist hier das besondere Engagement im Rahmen der Bildung und Vermittlung, denn die Kinder und Jugendlichen an das Haus zu binden, ist ganz wesentlich, um Kultur für zukünftige Generationen am Leben zu halten.

Können Sie sich vorstellen Mitglied zu werden – so wie es einige aus der Führungsebene schon sind?

Ja, ich habe schon öfter daran gedacht und kann mir auf jeden Fall vorstellen, Mitglied zu werden.

Wie gelingt Ihnen das so eingeschränkte Leben in der Corona-Zeit, wie sieht Ihr Freizeitverhalten aus ?

Leider mussten wir alle in den letzten Monaten auf viele private Kontakte und unsere gewohnte Freizeitgestaltung verzichten. Ich merke vor allem an meinen Kindern, dass ihnen soziale Interaktion fehlt. Mein Mann und ich haben einige Male via Skype mit Freunden Spieleabende veranstaltet. Das klappt zwar erstaunlich gut, es ersetzt aber die persönlichen Kontakte auf Dauer nicht. Und ich werde aufatmen, wenn wieder mehr soziales Leben möglich wird, man sich wieder unbefangen begegnen kann, ohne permanent eine mögliche Ansteckungsgefahr im Hinterkopf zu haben.

Gibt es Hobbys, die Sie niemals missen möchten? Müssen Sie hier derzeit auch auf Aktivitäten verzichten?

Ja, ich bin Mitglied in einem Pop- und Gospelchor. Wir können derzeit nicht proben, mussten viele Auftritte, darunter ein geplantes Jubiläumskonzert, absagen. Das fehlt mir schon sehr.

Zum Schluss die Frage: Welches Museum, national oder international, möchten Sie unbedingt (wieder) besuchen und warum?

Ich bin ein Fan des Impressionismus und des Jugendstils. Die Neue Pinakothek und die Villa Stuck in München (wo ich einige Jahre gelebt habe) würde ich jederzeit gerne wieder besuchen. Ein großer Traum wäre der Besuch des MoMA in New York, u. a. um eines meiner Lieblingswerke zu sehen, die „Sternennacht“ von van Gogh.

Das Gespräch führte Ingeborg Salm-Boost


Zur Person:
Patricia Becker-Matthews (41) leitet nun seit zwei Jahren die Verwaltung des Museums Wiesbaden. Zuvor, von 2008 bis 2019, war sie beim ZDF beschäftigt, kümmerte sich als Juristin dort um Urheberrecht und Vergaberecht. Die aus Birkenfeld bei Idar-Oberstein stammende Verwaltungschefin hat ihr Studium der Rechtswissenschaften in München absolviert. Nach dem zweiten Staatsexamen und einer Auslandsstation in Buenos Aires begann sie ihre berufliche Laufbahn beim ZDF. Patricia Becker-Matthews ist mit einem Anästhesisten verheiratet, die beiden Söhne des Paars sind acht und sechs Jahre alt. In Selzen/Rheinhessen ist die Familie zu Hause. Hobbys von Patricia Becker-Matthews: Singen in einem Gospelchor (was sie zur Pandemie-Zeit sehr vermisst), Nordic Walking und Fotografie.  (isa)

 

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