In Zwiesprache mit der Natur …

Oder: was die Biene in der Kunst verloren hat

Es hat sich inzwischen rumgesprochen: Das Museum Wiesbaden feiert dieses Jahr sein 200-jähriges Jubiläum. Und was wäre da schöner für einen Museumsdirektor, als endlich ein Lieblingsthema realisieren zu können? „Ich habe eine Imkerausbildung gemacht und bin seitdem fasziniert von diesem unglaublichen Insekt“, sagt Dr. Andreas Henning. So trifft es sich gut, dass Natur und Kunst in diesem Zweispartenhaus, dem er heute vorsteht, seit Beginn Hand in Hand gehen.

Bienenwabe: Die Honigbienen bauen Waben, die mit geringsten Mitteln größtes Volumen bieten. In den Sechsecken werden die Larven aufgezogen und der Honig gesichert. (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert); Lucas Cranach d. Ä., Venus mit Amor als Honigdieb, 1527, Schwerin, Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern

Ein Bild, das beide Aspekte kongenial verzahnt, ist ohne Frage „Der Bienenfreund“ von Hans Thoma. Da sitzt er mit schwarzen Kniebundhosen, weißem Hemd und derben Wanderschuhen auf einer einfachen Bank. Die rote Jacke und das Buch hat der Bienenfreund gerade erst abgelegt, er ist in die Betrachtung eines Bienenkorbes versunken, bei dem reger Flugverkehr herrscht. Schattig ist es unter dem dichten Baum, im Hintergrund hell beschienen eine Wiesenlandschaft.

Hans Thoma, Der Bienenfreund, 1863, Öl auf Leinwand, 62,5 × 50,5 cm, Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Dr. Andreas Henning war schon früh klar, dass er dieses kleine Gemälde – nur 62 cm auf 50 cm – unbedingt für seine Jubiläumsschau haben wollte. Ist es doch „eine Inkunabel für den Bienenkorb als Ort der Idylle“, also ein Gegenbild zur Verstädterung und Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Hans Thoma, 1839 in Bernau/Schwarzwald geboren, hat das Bild im Alter von 24 Jahren gemalt. Der Sohn eines Schindelmachers war schon mit 14 Jahren in Basel bei einem Anstreicher und Lithografen in die Lehre gegangen. Nachdem der Vater plötzlich verstorben war, fehlte das Lehrgeld für eine weitere Ausbildung und Thoma malte im Schwarzwald als Autodidakt weiter, bis man in Karlsruhe auf ihn aufmerksam wurde. Dank eines Stipendiums des Großherzogs Friedrich I. von Baden  konnte er ab 1859 die Kunstschule besuchen. Aber immer wieder zog es ihn zurück in die Heimat. „Der Bienenfreund“ ist das Produkt eines Schwarzwälder Buben, der sich plötzlich im trubeligen Karlsruhe wiederfand.

Hier gab es bereits einen Eisenbahnanschluss und zahlreiche Fabriken. 1863 entstand zum Gemälde „Der Bienenfreund“ eine kleine Ölskizze als Vorstudie, die heute immerhin einen Platz in der Nationalgalerie Berlin gefunden hat. Der Ölgemälde hängt dagegen wieder in Karlsruhe in der Kunsthalle, eine Schenkung aus Amerika sagt Kuratorin Dr. Leonie Beiersdorf. Und sie fügt hinzu: „Es ist eines der besten Werke von Hans Thoma“. Allerdings gibt es wenig Informationen. Wer ist dargestellt? Man weiß es nicht. Wo genau ist das Bild entstanden? Nicht bekannt. Doch in seinen Lebensmemoiren erinnert sich Thoma später: „Merkwürdigerweise wollten mir fast alle Mitschüler, und besonders ältere Maler, an dem Bilde helfen. Es muss sie etwas dazu gereizt haben. Ich hab’ sie nicht darum ersucht, denn ich spürte wohl, daß das Bild dadurch seine Frische verloren hatte; es wurde viel Selbständiges hinwegkorrigiert“. (Im Winter des Lebens, Jena 1919, S. 34).  Leonie Beiersdorf geht davon aus, dass Thoma christlich-gläubig geprägt wurde und dieses Bild auch die Einheit von Mensch und Natur zeigt. Quasi ein Teil Schöpfungsgeschichte.

Locker gemalt entwickelt Hans Thoma sein persönliches Naturidyll, das allerdings Spuren von Menschenhand trägt – so hat ja irgendjemand den Bienenkorb aufgestellt und wird wohl den Honig gesammelt haben. Auch der Sitzplatz im Schatten ist extra angelegt, wo doch auch nur ein alter Baumstumpf sein könnte. Wir wissen heute nicht, was Hans Thoma vor 159 Jahren durch den Kopf gegangen ist. Sinnierte der Bienenfreund  über den Bienenstaat mit seiner hierarchischen Ordnung? Über den Dienst der einzelnen Biene für die Gemeinschaft? Über die Natur in ihrer Schönheit? Die göttliche Ordnung? Oder hat er sich einfach nur ausgeruht?

Egal, dieses kleine Gemälde hat eine ganz zentrale Stellung in der Jubiläumsausstellung „Honiggelb. Die Biene in Kunst und Natur.“

Lucien Gaillard, Haarkamm, 1904, Horn, geschnitzt, Metallmontierung, emailliert, Höhe 18 cm, Paris, Musée des Arts décoratifs © Les Arts décoratifs/Christophe Delliere

Von der Renaissance über den Barock und das 19. Jahrhundert bis hin zur aktuellen Kunst wird ab dem 6. März ein breites Spektrum an Bildern mit Metaphern, Symbolen und Geschichten zur Biene aufgefächert. Waren es im 15. Jahrhundert Darstellungen, die Imker zeigen, so werden später von Flandern bis Rom Bilder gemalt, die den sprichwörtlichen Fleiß der Biene verherrlichen. Andere Künstler und Künstlerinnen karikieren die Flucht der Städter in die Natur, nur um dort erneut vor ganzen Bienenvölkern zu flüchten. Joseph Beuys nutzt Wachs und Honig für seine Installationen, Rebecca Horn fragt angesichts leerer Bienenkörbe nach der gesellschaftlichen Verantwortung für die Natur. Und nicht zuletzt ist die Geschichte der Bienenhaltung weit über 10.000 Jahre alt – ob Gift oder heilbringende Medizin, ob Wachsprodukte oder Nektar als Göttertrank.

Nicolas Poussin, Jupiter als Kind mit Honig und Milch genährt, um 1636/37, Öl auf Leinwand, 96,5 x 121 cm, London, Dulwich Picture Gallery © Dulwich Picture Gallery, London/Bridgeman Images

„Die Biene ist ein besonders Insekt“, sagt Dr. Andreas Henning. Als Seismograf für Naturprozesse hat sie ebenso eine Rolle wie als Vorbild für Gemeinsinn. In der Kunst ist die Biene fest verankert, nicht nur als Motiv, sondern auch als Metapher: wie die Biene viele Blüten anfliegt und anschließend ein eigenes Produkt erschafft, so sollte ein Künstler/eine Künstlerin aus vielen Quellen schöpfen und zu einer eigenen unverwechselbaren Kreation kommen.

Rebecca Horn, Bee’s Planetary Map, 1998, Rauminstallation, Maße variabel, Bad König, Moontower Foundation/Dauerleihgabe Museum Wiesbaden © Moontower Foundation, Bad König/Attilio Maranzano 1999/VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Vieles davon findet sich auf dem Bild „Der Bienenfreund“ von Hans Thoma, aber so manches ist auch unter der Oberfläche der Leinwand verborgen. Und noch mehr können Sie bald in der großen Ausstellung „Honiggelb. Die Biene in Kunst und Natur“ entdecken. Übrigens besitzt das Museum Wiesbaden wie viele andere Museen seit einigen Jahren Bienenstöcke auf dem Dach. Das ist zum einen eine Erinnerung an unsere Verantwortung für die Natur, aber auch ein Zeichen des Klimawandels, durch den Bienen in der Stadt mit ihren Gärten und Anlagen vermeintlich mehr Blütenstaub finden als auf dem Land. Der Kampf ums Überleben?

Martina Caroline Conrad

 

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