Interview mit Filmemacherin Bettina Witte

Mit dem Segen „von ganz oben“

Es ist schon eine außergewöhnliche Geschichte: Eine international aktive Filmemacherin, deren Mann Mitglied in unserem Förderkreis ist, hat die Idee, die Freunde und ihre Aktivitäten in Szene zu setzen. Sie spricht darüber mit zwei Mitgliedern des Kuratoriums, mit denen sie gut bekannt ist. Diese wiederum geben sehr gerne dieses tolle Angebot an Martina Mulcahy und mich weiter, die wir die Freunde-Website inhaltlich verantworten. Und schon kommt ein Stein ins Rollen. Nein, es ist eine Glaskugel …

So beginnt – wie bei Harry Potter – mit dem kleinen Vincent und der Glaskugel unser Film, der in Kürze hier zu sehen sein wird. Mehr wollen wir nicht verraten. Vielmehr soll heute Bettina Witte vorgestellt werden, der wir diese gelungene Imagewerbung für die Freunde des Museums und fürs Museum verdanken. Danke sagen wir Bettina Witte und ihrem Team auch für die so erquickliche Zusammenarbeit, dafür, dass sie unsere Anregungen aufgenommen und uns dann am Entstehen des Films hat Anteil nehmen lassen. Mit ihr, mit der Producerin und Cutterin Heike Haedecke und mit Kameramann Erhard Oslage haben wir einen spannenden Drehtag im Museum verbracht.


Bettina, wie kamst du eigentlich auf die Idee, den Freunden des Museums anzubieten, einen Film über unser Engagement und über das Museum mit seinem vielfältigen Angebot zu drehen?

Eigentlich wollte ich eine Minute zu jeder Abteilung des Museums Wiesbaden drehen. Doch im Gespräch mit Martina Mulcahy und dir und auch mit meiner Kollegin Heike Haedecke wurde ganz klar: Es sollte doch eher ein kleiner Film werden, so vier bis fünf Minuten. Beeindruckend fand ich, was der Förderkreis für 60 Euro im Jahr alles anbietet. 17 Cent pro Tag sind das ja nur, stellten Heike und ich staunend fest. Und das sollte dann unser Leitfaden werden … Mit dem kleinen Vincent als Wegweiser.

Bist du regelmäßige Besucherin, und hast du eine Lieblingsabteilung?

Aber ja. Besonders gerne sehe ich die Bilder und Installationen der zeitgenössischen Künstler und Künstlerinnen. Und natürlich gehe ich gerne in die naturwissenschaftliche Abteilung. Großartig!

Es ist ja schon außergewöhnlich, dass du für uns sogar die Förderer und Förderinnen gefunden hast.

Es war nicht so schwer. Da ich lange im Ausland – in Paris und London – gelebt habe und übrigens viel in Museumskreisen unterwegs war, ist mein Freundeskreis international. Dazu gehört auch die Hauptsponsorin Reydan Weiss. Sie ist eine international anerkannte Sammlerin zeitgenössischer Kunst.

Wie konntest du sie denn überzeugen, sich in Wiesbaden einzubringen? In Düsseldorf gibt es doch sicher auch genügend Museumsvereine.

Als ich ihr von den Werken Rebecca Horns im Museum Wiesbaden erzählte und dass ich den Film für die Freunde des Museums drehen will, war sie so begeistert, dass sie spontan Unterstützung zusagte. Reydan Weiss hat Mitte der 80er Jahre in Wiesbaden gelebt, sie ist der Stadt noch verbunden. Und Rebecca Horn gehört zu ihren Favourites.

Ein Blick von außen – bevor im Museum die Dreharbeiten beginnen (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Wie hast du die Arbeit im Museum Wiesbaden erlebt?

Das Filmteam und ich waren begeistert von der Mitarbeit des Personals! Alles, was wir und ihr von den Freunden im Vorfeld besprochen hatten, wurde erledigt. So wurden Bilder auch aus dem Depot geholt und auf Staffeleien platziert. Es ging um Werke, die von den Freunden des Museums gesponsert worden sind und zur Zeit nicht an den Wänden hingen. Wir drehten ja an einem Montag, wenn das Haus eigentlich geschlossen ist. Das war aber für das Museumsteam kein Problem. Es war ein angenehmer Dreh.

Liebe Bettina, schauen wir mal auf deine Zeit beim Fernsehen. Was war dein Hauptfeld? Die Kunst?

Nein, mein Hauptfeld war nicht unbedingt die bildende Kunst, sondern die Kultur und Kunst fremder Völker und deren Lebensweisen. So drehte ich mehrere Filme in Nepal, jeweils mit anderen Schwerpunkten. Einmal ging es um Klöster, dann um die Umwelt und das langsame Verschwinden der Terrassenkultur. Mit Reinhold Messner war ich im Basislager von Lhotse. Und ich drehte über die wunderbare Kultur der Mongolen in der Steppe.

Und vielleicht kannst Du uns sagen, was für Dich ein ganz besonders wichtiges Thema war?

Da möchte ich zwei Themen nennen. Bleiben wir zunächst im Ausland: Besonders am Herzen lang mir das Matriarchat der Khasi in Megalaya, einem Bundesstaat Indiens.Dort ist das Matriarchat in der Verfassung verankert. Die jüngste Tochter erbt alles. Sie ist am längsten bei den Eltern und muss sich später um die Geschwister kümmern. Sie hat auch die Aufgabe, sich um die Bräuche und Kultur ihres Volkes zu kümmern. Ein einzigartiges Konzept.
Ein ganz wichtiges Thema ist und bleibt für mich der Holocaust. Ich lasse seit 2008 in der Gedenkstätte Flossenbürg in der Oberpfalz Überlebende des Holocaust und speziell auch damalige Kinder, die auf dem Todesmarsch waren, zu Wort kommen, als eine Art Testimonial. Jedes Jahr findet dort ein Gedenktreffen statt. Auch im Kloster Indersdorf fanden ab 2008 wieder Treffen statt. Nach dem Krieg war das Kloster ein Ort, an dem die Jungen und Mädchen, die die Gräueltaten überlebt hatten, wieder anfangen konnten zu leben. Dann wurden sie von Amerika, England und auch von Israel aufgenommen. Mit einigen von ihnen und ihren Familien habe ich heute noch Kontakt.

Gleich geht’s los: Filmemacherin Bettina Witte, Kameramann Erhard Oslage und Vincent in der Kristalle-Ausstellung, wo unser kleiner Akteur die Glaskugel aus dem Schrank nimmt. (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Hast du noch ein weiteres Beispiel aus Deutschland?

Ja, wir können in den Rhein-Main-Gefilden bleiben: Ich drehte zum Beispiel einen Film über Carl Zuckmayer. Der ist jetzt im Museum Nackenheim zu sehen.

Wann kamst du auf die Idee, dich mit der Produktionsfirma Nima selbstständig zu machen. Und: was bewog dich zu diesem Schritt?

Ich saß kurz vor dem Gongschlag zum Jahr 2000 in den Bergen des Himalaya, und eine Freundin fragte mich, was ich als nächstes machen würde … Ich schaute in die weißen Berge und sagte: Ich mache mich selbstständig. Dann dauerte es noch eine Zeit, bis ich den Dalai Lama in Wiesbaden traf und ihn fragen konnte„Your Holyness – what do you think about the name of my company Nima Productions?“. Er antwortete: „This ist very good luck“. So hatte ich den Segen „von ganz oben“. Nima heißt auf tibetisch Sonntag. Ich wurde an einem Sonntag geboren – und es hat mir Glück gebracht. Aber es ist auch oft harte Arbeit, bis meine filmischen Ideen umgesetzt werden können. Und dann sollen sie auch die Menschen erreichen

Was sind denn heutzutage deine bevorzugten Themen?

Meine Themen sind nach wie vor kultureller Art. Gerade recherchiere ich zu Sinti und Roma und deren eigenwilliger Kultur, die unsere Musik, Tanz und die europäische Oper beeinflusst hat. Mal sehen, ob sich ein Sender meldet, der dieses Thema spannend findet.

Vielleicht noch ein Wort zu Wiesbaden, dem Stadtbild und zu seiner Kulturwelt. Was gefällt dir hier – außer dem Museum Wiesbaden – besonders gut?

Wiesbaden – jedes Mal, wenn ich von irgendwo zurückkomme, freue ich mich an den wunderschönen Bauten, den herrlichen Straßenzügen, den wilhelminischen Villen, wo keine der anderen gleicht. Mich begeistern die Details an den Fassaden und die Fantasie, mit der damals Häuser ausgeschmückt wurden.

Und das Kulturelle?

Ja, Wiesbaden hat tolle Kulturangebote. Das „weltberühmte Caligari“, wie Volker Schlöndorff sagt. Die Maifestspiele im Theater, der Schlachthof mit seinem Programm fürs junge Publikum und die Murnau Stiftung. Nur: ein bisschen mehr Werbung und Selbstbewusstsein würden helfen, damit auch ein Diskurs zur Wiesbadener Kultur stattfinden kann. Auf allen Ebenen!

„Und dieses Universum für 17 Cent.“ Das sagt Vincent, als er die Treppe hinunterkommt. (Foto: Salm-Boost)

Hast Du auch noch Verbesserungsvorschläge fürs Stadtbild?

Verbesserungswürdig finde ich die Fußgängerzone, ich wünsche mir gemütliche Ecken zum Verweilen und Beobachten. Außerdem mehr Sauberkeit in der Innenstadt.

Wenn Du zum Schluss einen Wunsch äußern könntest, mit welchem zeitgenössischen Künstler/welcher Künstlerin würdest Du gerne einmal einen Film drehen?

Mein großer persönlicher Wunsch wäre, ein Interview mit Rebecca Horn machen zu können, oder eine längere Betrachtung ihrer Arbeitsweise. Leider hat sie sich wohl ziemlich zurückgezogen, aber ich verehre und bewundere sie sehr. Vielleicht werde ich doch einmal die Chance haben, sie zu filmen. I cross my fingers …

Das Gespräch führte Ingeborg Salm-Boost

 

PS: In einem zweiten Interview lernen Sie demnächst auch Reydan Weiss kennen, international anerkannte Sammlerin zeitgenössischer Kunst. Bettina Witte hatte sie als Hauptsponsorin des Freunde-Films gewonnen.


Zur Person
Bettina Witte geb. Klemm (72) ist in Wiesbaden geboren und in Stuttgart aufgewachsen. Schon früh zog es sie ins Ausland. Erste Station war für fünf Jahre Paris. An der Sorbonne absolvierte die Tochter einer Verlegerfamilie ihr Geschichtsstudium. In London, wo sie auch ihren Mann, den Banker Harald Witte, kennenlernte, war Bettina Witte am Goethe-Institut als Sprachlehrerin tätig. Durch einen Zufall kam sie in die Filmbranche. Beim Produzenten Reiner E. Moritz, international bekannt für Kunst- und Kulturdokumentationen, wurde sie Assistentin und lernte das Metier von der Pike auf. Als das Ehepaar Witte nach  Deutschland zurückkehrte und sich in Wiesbaden niederließ, war der Weg zum ZDF nicht mehr weit. Bettina Witte arbeitete für 3sat und Arte, immer im Kulturbereich. Für den Stammtisch bei 3sat war sie die federführende Redakteurin. Heute ist sie mit ihrer Produktionsfirma Nima aktiv, 3sat dabei eng verbunden geblieben. Ein ihr besonders wichtiges Thema ist der Blick auf Überlebende des Holocaust. Bettina Witte ist nach wie vor viel auf Drehterminen unterwegs. Wenn Zeit für Hobbys bleibt, ist sie gern mit ihrem Mann auf Bergwandertouren. Auch das Aquarellmalen gehört zu ihren Freizeitbeschäftigungen. (isa)

 

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