Interview mit Reydan Weiss

Ihr Wunsch für 2022: Neugierig bleiben

Zu gerne wäre man nach Düsseldorf gereist, um im Wohnort von Reydan Weiss – Kunstsammlerin und Förderin unseres Freundeskreises – ein Gespräch zu führen und Danke zu sagen. Danke dafür, dass sie als Hauptunterstützerin zusammen mit einigen Vereinsmitgliedern den Imagefilm möglich gemacht hat. Ein Film, zu dem Bettina Witte die Idee hatte und diese mit ihrer Crew wunderbar umgesetzt hat – siehe Interview. Sie finden den viereinhalbminütigen Streifen ab sofort im Videobereich unserer Website. Der Pandemie geschuldet gab es kein persönliches Treffen mit Reydan Weiss, doch ich habe zwei Gespräche mit ihr führen können. Die leidenschaftliche Sammlerin finanziert gerne auch Projekte mit, die sie überzeugen, Vorhaben wie unser filmischer Rundgang mit Vincent durchs Haus der Kunst und Natur. Wir meinen, dies ist eine schöne Geschichte zu Weihnachten – auch wenn die Dreharbeiten schon im Sommer stattfanden …


Frau Weiss, Sie haben als in Düsseldorf lebende Kunstsammlerin mit einer großzügigen Spende einen Image Film für die Freunde des Museums Wiesbaden und auch zur Werbung fürs Museum Wiesbaden möglich gemacht. Wie kam es dazu?

Durch meine Freundschaft mit der Filmemacherin Bettina Witte. Ich habe von 1985 an fünf Jahre in Wiesbaden gelebt, wo es mir sehr gefallen hat. Ich fördere gern und immer schon auf ganz unterschiedliche Weise mit der Stiftung Reydan + Roger Weiss.

Vincent im neuen Imagefilm der Freunde des Museums Wiesbaden

Bettina Witte sagte uns, dass Sie die Arbeiten von Rebecca Horn, wie sie ja auch im Film zu sehen sind, schätzen …

Ja, das ist richtig.

Jetzt möchte ich Sie aber fragen: Wie gefällt Ihnen denn der Film?

Ich finde ihn sehr gelungen. Es wird gut vermittelt, was der Förderverein und das Museum tun. Und was das Museum Wiesbaden an Sammlungen zu bieten hat.

Ist Ihnen das Museum Wiesbaden aus Ihrer Zeit in der hessischen Landeshauptstadt noch im Gedächtnis?

Ja, ich erinnere mich durchaus an diese Zeit. Damals habe ich auch angefangen, zeitgenössische Kunst zu sammeln. Und dann kontinuierlich. Sie wissen ja, Sammler oder Sammlerin ist man dann, wenn man nichts mehr hängen kann …

Sie haben in Ihrer schon häufig ausgestellten Sammlung auch Werke von Slawomir Elsner, der zurzeit im Museum Wiesbaden beeindruckt. Was gefällt Ihnen an seiner Arbeit?

Mir gefällt seine Technik, man kann ihn sehr gut von anderen Künstlern unterscheiden. Die Qualität seiner Arbeiten beeindruckt mich. Und ja, ich habe mehrere Werke Elsners, auch frühe. „Wir waschen uns“ heißt eine Arbeit, die zu der Malereiserie „Panorama“ gehört.

Sie kennen sicher auch die großformatigen Aquarelle. Das Museum Wiesbaden wird „Just Watercolors 050“  mit Unterstützung unseres Fördervereins erwerben …

Das habe ich schon von Slawomir Elsner erfahren, als ich ihn in Bonn traf. Ich hätte dieses Werk ja auch gerne für meine Sammlung erstanden.

Frau Weiss, es heißt in einem Katalog, Sie hätten Ihre Sammlung mit Werken zeitgenössischer Künstler und Künstlerinnen ganz nach Ihrem Geschmack und Ihrem Bauchgefühl aufgebaut. Ist das so richtig?

Zunächst war das in jedem Fall so, mein Bauchgefühl spielte eine große Rolle. Ich wollte Vielfältigkeit in der Sammlung haben, viele Frauen sind in ihr vertreten. Als ich mich mit der Kunsthistorikerin Dr. Marion Aghte anfreundete, habe ich durch sie viele Kunstschaffende kennengelernt und bekam noch einen anderen Zugang. Die Galerie 20/21 in Essen – heute gibt es sie nicht mehr – wurde für mich ein wichtiger Ort. Hier lernte ich die Avantgarde kennen, kam auf den Geschmack. Jetzt aber gehe ich zurück zu den Ursprüngen.

Was bedeutet das? Ich habe gelesen, dass sie ganz zu Beginn von Spitzweg begeistert waren …

Das stimmt, so wurde mein Interesse an Kunst geweckt. Im Haus der Kunst in München. Mit „zurück zu den Ursprüngen“ meine ich, dass ich mich wieder stark mit der klassischen Malerei beschäftige.

Sie liebt die japanische Kunst: Sammlerin Reydan Weiss mit einer Skulptur von Leiko Ikemura (Foto: privat)

Sie sind ein Fan von der japanisch-schweizerischen Künstlerin Leiko Ikemura. Was begeistert Sie an ihrem Schaffen?

Zunächst einmal: Ich liebe Japan und die japanische Kunst. Wie sie Natur und Landschaft wiedergibt, das finde ich sehr stark. Kürzlich habe ich Leiko Ikemura auch kennengelernt, mich mit ihrem interessanten Werdegang beschäftigt. Meine Vita mit den Stationen in vielen Ländern ist ähnlich. Da finde ich mich wieder.

Und was gefällt Ihnen besonders an Jonas Burgert, den Sie auch sehr schätzen?

Das Theatralische. Er ist ein toller Maler! Seine Werke sind sehr spannend, und er hat eine besondere Handschrift.

Sie sind mit Ihrer Sammlung international aufgestellt. Und Sie sagten schon zu Anfang unseres Gesprächs: Wer sammelt, kann irgendwann nicht mehr alles hängen …

Ja, das ist so. Ich bin an meinen Wohnsitzen von Kunst umgeben. Aber ich habe natürlich ein Depot.

Wie lautet Ihr Credo beim Sammeln?

Die Wertschätzung für die Künstlerin, für den Künstler muss da sein. Und das Wissen, dass sich der Mensch weiterentwickelt. Mir sind die Begegnungen mit den Kunstschaffenden sehr wichtig.

Sie äußerten mal über sich, sie seien „überall und nirgends“ zu Hause.

Ja, geografisch ist das richtig. Denn ich habe ja in vielen Ländern gelebt und ihre Kulturen kennengelernt, und ich lebe auch heute international. Ansonsten bin ich da zu Hause, wo meine Bilder sind.

War Ihr verstorbener Ehemann ebenso leidenschaftlich?

Nein, die Sammler-Leidenschaft hatte er nicht. Aber er hatte Spaß an der Kunst und sie oft auch mit mir zusammen ausgesucht.

Eine Ausstellung mit Werken aus Ihrer Sammlung hieß „Mir ist das Leben lieber“. Ein schöner Titel. Wie kam es dazu?

Das war die Ausstellung im Sammlermuseum Weserburg in Bremen. Dazu gehörte Anett Stuths Arbeit von 2009 mit dem Titel „Mir ist das Leben lieber“. Sie zeigt die Paris Bar in Berlin.

Frau Weiss, was wünschen Sie persönlich sich – außer, dass die Pandemie uns alle aus ihren Klauen lässt – für das Jahr 2022?

Natürlich zunächst einmal Gesundheit. Und dass man weiter neugierig bleibt. Das erfüllt mein Leben. Ich bemühe mich, in allem etwas Positives zu sehen.

Das Gespräch führte Ingeborg Salm-Boost


Zur Person
Reydan Weiss (72), die seit fünf Jahren in Düsseldorf lebt, wurde in Istanbul geboren. Sie ist in Jordanien aufgewachsen und hat in Jerusalem die Schule besucht. Als junge Frau kam sie nach Deutschland. In Neuseeland gründete sie mit ihrem verstorbenen Mann Roger Weiss das Weingut „Elephant Hill“, wo man die Winter verbrachte und das auch heute noch existiert. Ihre Heimat ist, wie sie selbst sagt, „überall und nirgends“. Seit den achtziger Jahren, in denen sie u. a. in Wiesbaden lebte, hat sie sich als Sammlerin der zeitgenössischen Kunst verschrieben. Kunstkritiker sagen über Reydan Weiss, dass sie weit über den „europäischen Tellerrand“ schaut. „Afrikanisch, ozeanisch, chinesisch, japanisch, lateinamerikanisch, karibisch“, so zählen es Autoren in einem der Kataloge zu ihrer Sammlung auf. Ihre Bilder, Skulpturen und Videoarbeiten können durchaus auch provokant sein, sie erzählen u. a. von Leben, Tod, Schönheit und Alter. (isa)

 

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