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Erst das Handwerk, dann die Kunst

Hier lässt sich der Fotokünstler gerne ablichten: Frank Deubel vor den „Leuchtenden Vorbildern“ von Vollrad Kutscher (Foto: Museum/Bernd Fickert)

Frank Deubel kommt eher leise daher. Seine Fotos allerdings sind von einer umwerfenden Ausdrucksstärke. Freund des Museums ist der im April 71 Jahre alt gewordene Künstler seit dem Jahr 2014. Gerne würde er mal wieder eine Ausstellung hier erleben, die sich der Fotokunst widmet. Im Museumscafé treffen wir uns zum Gespräch, bevor sich der passionierte Fotograf selbst ablichten lässt – in einer von ihm so geschätzten Schwarz-Weiß-Umgebung … 


Herr Deubel, wo möchten Sie denn für unser Interview vom Museumsfotografen abgelichtet werden?

Sehr gerne bei den „Leuchtenden Vorbildern“, der Arbeit von Vollrad Kutscher, die ich sehr mag.

Was gefällt Ihnen daran so gut?

Dass es eine Schwarz-Weiß-Arbeit ist. Mit der damit verbundenen Reduktion erzeugt der Künstler bei mir ein ganz scharfes Bild.

Wo befinden sich denn für Sie in unserem Museum noch Favoriten?

Immer schon gehörten die naturkundlichen Angebote dazu, denken Sie zum Beispiel nur mal an den Eisbären. Man kann in dieser Abteilung so viel lernen. Und natürlich gefällt mir Jawlensky, derzeit ja noch mit der Sonderschau. Und dass wir eine so hervorragende Jugendstil-Dauerausstellung haben, ist ein großer Gewinn für das Museum Wiesbaden.

Dann sehen Sie sich sicher auch die Sonderausstellung„Wasser im Jugendstil – Heilsbringer und Todesschlund“ an, die gerade eröffnet wurde? Und waren Sie schon in der Parallelschau in der Natur „Vom Wert des Wassers – Alles im Fluss?“

Beides werde ich gerne anschauen – im Wiesbadener Jahr des Wassers. Es gibt ja viele Ausstellungen dazu, ich hätte da auch mitmachen können. Aber ich war viel unterwegs in letzter Zeit.

Ausdrucksstark: aus Frank Deubels Membran-Serie (Foto: Frank Deubel)

Ein Blick zurück: Was hat Sie denn 2014 bewogen, in den Förderkreis einzutreten und ein Freund des Museums zu werden?

Mein Nachbar, Freunde-Vorstandsmitglied Klaus Niemann, erzählte vom Verein. Und ich konnte mich dafür erwärmen, auch wenn das Museum Wiesbaden nicht so viel im Bereich Fotografie anbietet. Außer vor etwa 20 Jahren, da hat Dr. Peter Forster mal eine interessante Fotoschau kuratiert, von einem Karstadt-Fotografen aus dem Ruhrgebiet. Das war hochspannend. Ein Zeitdokument.

Nutzen Sie denn unser Programmangebot?

Ich finde das sehr gut, was die Freunde alles machen. Aber wie schon erwähnt, derzeit bin ich noch viel unterwegs und deshalb nicht so oft dabei.

Haben Sie einen Vorschlag für unsere Jour Fixe-Abende oder die Workshops?

Ein fotografisches Thema würde mir gefallen. Ich selber würde gerne mal die Alte Bibliothek des Museums als Hintergrund für ein Fotoprojekt nutzen.

Sie sind viel mit der Kamera unterwegs und haben schon viele Ausstellungen präsentiert. Es gibt von Ihnen auch ein ganz besonderes Bild von Goethe vor dem Museumsgebäude. Mit der Lochbildkamera geschaffen …

Die Lochbildkamera ist das Urprinzip des Fotografierens. Das hatte Goethe schon dabei. Eine Holzkiste mit einem extrem kleinen Loch. Ich habe speziell für Wiesbaden-Bilder diese Kamera entdeckt – als Gegenentwurf zu den Hochglanzbildern, wie sie auf Kalendern zu finden sind. Mit der Lochbildkamera bin ich in der Lage, meine Stadt zu interpretieren.

Sie sagen über Ihre Arbeitsweise, dass mit der Belichtung des Negativmaterials das endgültige Bild festgelegt sei und keine weitere Manipulation im Labor durch digitale Bildbearbeitung erfolgt. Niemals?

Mein Credo ist: Wenn überhaupt Manipulation, dann zum Zeitpunkt, wenn die Arbeit stattfindet. Also bei Shootings entsprechend arrangieren, etwa Verwischungen herbeiführen, ungleichmäßige Abläufe im Spiegel suchen. Beides wird dann im Foto festgebrannt. Ich gebe hierzu auch Kurse. Es ist ein Abenteuer, sich darauf einzulassen: Mit der Belichtung des Negativmaterials ist das Bild festgelegt. Also, die Basis ist erst einmal das Handwerk. Dann kommt die Kunst! Ich betone nochmals: keine Veränderungen im Labor oder durch digitale Bearbeitung.

Man liest über Sie, dass Sie sich der Lichtmalerei widmen …

Fotografie und Malerei befruchten sich gegenseitig. In 1830er Jahren kam die Fotografie voran. Ich liebe übrigens Radierungen und würde das auch gerne können. Beim Fotografieren möchte ich immer wieder auch den experimentellen Ansatz ausloten. Und dabei eben komme ich zum Kern der Fotografie als Lichtmalerei. Noch eine Bemerkung: Mit langen Belichtungszeiten kann man viel erreichen …

Wo liegen Ihre Schwerpunkte?

Der menschliche Körper mit seinen Bewegungsabläufen ist einer. Ich arbeite viel mit Stoffen und Folien, probiere gerne neue Materialien aus, zum Beispiel Silberdrähte.  Ich verwendete jetzt auch Material, mit dem die Masken hergestellt werden. Das wusste ich zuerst gar nicht. Interessant war die Gruppenausstellung „Corona-Echo“ in der Kunstarche, an der ich teilgenommen habe.

Sie schwören nach wie vor auf die althergebrachte Art des Fotografierens.

Ich bin ein Fotograf, der durch und durch fürs Analoge ist. Der Entstehungsprozess soll immer in meiner Hand bleiben. Solange ich Filme bekomme und Fotopapier, bleibt das so. Es ist schon etwas Besonderes, wenn ich den Film aus der Dose ziehe und gegen das Licht halte.

Wenn Sie auf Ausstellungen zurückblicken, welche waren Ihnen besonders wichtig?

1997 „Tanzskulpturen“ im Tattersall, auch eine Schau in der Büchergilde Gutenberg 2000 mit dem Titel „Haut und Hülle“. Oder etwa 2001 in Bingen eine Jubiläums-Gruppenausstellung der Gedok: Der Tango war mein Thema. Und natürlich habe ich auch bei den Wiesbadener Fototagen gerne Werke gezeigt.

Tango! Dem Tanz war eine Ausstellung von Frank Deubel gewidmet. (Foto: Deubel)

Sie sind mit Reinhard Berg Gründungsmitglied der Wiesbadener Fototage, die es seit 2002 gibt. Jetzt haben Sie beide übergeben an Jürgen Strasser.

Ja, wir glauben, es ist in guten Händen. Die Fototage zu veranstalten, das war immer wieder sehr viel Arbeit – wenn sich ca. 400 Fotografen und Fotografinnen bewerben und eine Vorjury erst einmal sortieren musste. Die Fototage sind stets themenbezogen. Das erste Thema lautete übrigens „Experimentelle Fotografie“. Kürzlich gab es zur Einstimmung auf die diesjährigen Fototage mit dem Thema „Unruhige Zeiten“ eine Open-Air-Veranstaltung auf dem Luisenplatz – mit einer Retrospektive. Das war sehr gelungen. Im Sommer findet dann das Festival statt. Früher wurde es alle zwei Jahre veranstaltet, mittlerweile im Drei-Jahres-Rhythmus.

2019 wurde Ihnen und Reinhard Berg der Kulturpreis für die Fototage verliehen.

Ja, das hat uns gefreut. Unsere Beständigkeit wurde belohnt, unser Markenkern gesehen. Die Fototage sollten immer eng verbunden sein mit Wiesbaden.

Schauen wir mal auf die hessische Landeshauptstadt. Was gefällt Ihnen, was nicht?

Es ist schade, dass die Bemühungen Weltkulturerbe-Stadt zu werden, nicht zielführend waren, es waren nur halbe Sachen. Und das Gesamt-Ensemble der Stadt aus der Gründerzeit wird zu wenig beachtet. Auch die Plätze haben Veränderungsbedarf. Am Dern’schen Gelände fehlt das Wasser – überhaupt sollten die Quellen viel sichtbarer sein. Jetzt hat die Stadt das Jahr des Wassers ausgerufen, dann sollte sie daran arbeiten. Eine gescheite Brunnenanlage könnte Wiesbaden gut gebrauchen. Es ist viel zu wenig Wasser in der Stadt sichtbar. Nicht so gut ist die Lage auch auf dem Luisenplatz, der ist meiner Meinung nach schlecht begrünt. Die Sichtachsen stimmen nicht mehr. Aber kommen wir zum Positiven: Wiesbadens Lage ist optimal, Rhein, Rheingau, Taunus – alles vor der Haustür! Wir haben eine tolle grüne Lunge. Wir können uns u. a. an Kurhaus und Staatstheater erfreuen, an der Fasanerie und natürlich am Neroberg mit der Nerobergbahn.

Zum Schluss die Frage: Haben Sie noch eine Anregung, einen Wunsch ans Museum?

Ja, dass es mal eine fotografische Sammlung zeigt. Es gibt durchaus eine Tradition der rheinischen Fotografie. In Bingen zum Beispiel gab es zwei ganz große Fotografen, die Gebrüder Hilsdorf. Dazu könnte ich einiges erzählen. Oder über die Arbeiten von Otto Sander aus dem Rheinland. Es würde sich lohnen, der Fotografie eine Ausstellung zu widmen.

Das Gespräch führte Ingeborg Salm-Boost

Goethe vor unserem Museum – wie Fotokünstler Frank Deubel ihn eindrucksvoll eingefangen hat. (Foto: Frank Deubel)

Zur Person
Frank Deubel stammt aus Schotten im Vogelsbergkreis und lebt seit 1965 in Wiesbaden. Der Lehrer für Sozialkunde, Deutsch und Kunst unterrichtete an der Privatschule Agnes Neuhaus der Jugendhilfe in der Platter Straße. Dort hatte er auch – in den 1980er Jahren – bereits ein Atelier mit Fotolabor. Als der im April 71 Jahre alt gewordene Pädagoge 2012 in die Altersteilzeit wechselte, konnte er sich ganz seiner Passion, der Fotokunst, widmen. Seit 2002 bis 2019 organisierte er mit Reinhard Berg die Wiesbadener Fototage, was die Stadt dem Duo 2019 mit der Verleihung des Kulturpreises dankte. Seine experimentelle, analoge Foto-Arbeit bringt der Künstler in Kursen auch anderen Menschen nahe. Außer zahlreichen Ausstellungen waren auch immer wieder einmal Werke von ihm im öffentlichen Raum zu sehen: So beispielsweise „Wiesbaden zeigt Gesicht“, 600 Schwarz-Weiß-Porträts am Platz der deutschen Einheit, und auch „Wiesbadener Bürger in Stelenform“. An der Kunstmole in Schierstein war „Schwarzspiegelakte“ zu sehen, eine Hommage an Egon Schiele. Hat Frank Deubel, Vater einer Tochter und Opa eines Enkels, auch Hobbys? Radfahren und Skilaufen machen ihm Freude. Er lebt mit seiner Frau Bärbel im Kohlheck, wo er auch sein Atelier hat. Immer wieder mal wird es zum Ausstellungsort. So auch ab 17. Juni, wenn in der Dachsteinstraße 4 die „GrauWert-Galerie“ startet, ein Projekt, das wegen der Pandemie immer wieder verschoben werden musste. (isa)

 

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