Kulturcampus MuWi

Wenn Mode Geschichten erzählt …

Das kommt nicht alle Tage in unserem Museum vor: Das  Haus der Kunst und Natur wird bespielt von äußerst kreativen jungen Menschen. Junge Menschen, die selbst in besonderer Weise künstlerisch tätig sind. In der Kunst des Modedesigns. Unterstützt werden sie von ca. 100 Kommilitonen und Kommilitoninnen. Nein, es ging nicht darum, junge Mode für alle Tage durch die Wandelhalle zu tragen. Es ging bei der Fashion Show „UNFOLD³ ­– concept, craft, unite“ um Outfits, bei denen viel Emotion, manchmal auch Provokation, Fantasie, versteckte Botschaften, aber nicht zuletzt Nachhaltigkeit eine große Rolle spielen. In Kooperation mit dem Museum und den Freunden des Museums, haben Absolventinnen und Absolventen der AMD – Akademie Mode & Design der Hochschule Fresenius, Standort Wiesbaden, vor mehr als 300 geladenen Gästen ihre Kleidung gewordenen Geschichten erzählt. 136 Outfits zum genaueren Anschauen und Staunen, entworfen von 21 angehenden DesignerInnen aus Wiesbaden und Düsseldorf.

Mit dem Entwurf links lässt sich gewagt unterwegs sein, auf dem rechten Bild sehen wir Jeans-Kleidung einmal anders. (Fotos: Paul Kaufmann)

Wie schon erwähnt: Es war keine öffentliche Modenschau, aber sie sollte unbedingt hier eine Nachbetrachtung erfahren. Nicht nur Museumsdirektor Andreas Henning war „geflasht“ von dem, was hier in überaus perfekter Inszenierung geboten wurde. Ihm imponieren „die Gestaltungskraft und Vielfalt in diesem Projekt der Studierenden“. Die Initiative der Freunde des Museums in diesem Fall, aber auch überhaupt, junge Menschen ins Museum zu ziehen, bestenfalls sie für den Ort zu begeistern, findet Andreas Henning „absolut gut!“ Dieses Lob freut nicht zuletzt Freunde-Vorstandsmitglied Klaus Niemann, der für die kontinuierliche Zusammenarbeit mit den Hochschulen zuständig ist und auch dieses Projekt mit auf die Schiene gesetzt hat. Er kann höchst zufrieden sein: „Für mich war dies das größte Highlight in den Kooperationen mit den hiesigen Hochschulen, es ist das sicherlich umfangreichste Projekt, an dem ich mit der Hochschule Fresenius eineinhalb Jahre gearbeitet habe“. Marketing-Experte Niemann: „Ich bin hingerissen von der Professionalität“. Sein Dank gilt vor allem den Dekaninnen Ilona Kötter und Paula Knorr sowie den fünf Arbeitsgruppen mit sehr engagierten Studierenden.

„UNFOLD³“ steht für die Konzeption und freie Entfaltung origineller Ideen, die über den Tellerrand hinausgehen und vereinend Brücken bauen“, sagt Professorin Ilona Kötter. Es sollte eine „schöne Mode-Kulturnacht im Funkeln von goldenen Wänden und weißen Säulen“ für Wiesbaden werden. Das war der Wunsch der Studiendekanin für Mode Design sowie Innovationsmanagement & Design. Wunsch erfüllt, Ziel erreicht, kann man ihr nun zurufen. In ihren Bachelor-Arbeiten sollten die Studierenden ihre individuellen Design-Handschriften, Handwerksfähigkeiten und ihren Ideenreichtum zusammenführen. Dabei galt es, in ihren Kollektionen das gesamte Spektrum zu berücksichtigen: von Abendrobe bis zu funktionaler Kleidung. Das taten sie – mit sehr ausgeprägten Kreationen und die Ergebnisse wurden von fünfzig (sorgfältig ausgewählten) Models in der Wandelhalle und eine Etage darüber eindrucksvoll präsentiert.

Nicht jedes Outfit mochte dabei auf Anhieb jedem Zuschauenden eingängig gewesen sein, es bedurfte hier und da schon mal der genaueren Betrachtung – ehe sich die Aussage dann doch „entfaltet“.

Anprobe: Freunde-Gesprächspartnerin Türkü Karaoğlan schaut, ob alles perfekt sitzt. (Foto: privat)

Aber lassen wir stellvertretend für die kreativen jungen Leute  in einem Gespräch für die Freunde-Website eine von ihnen zu Wort kommen: Türkü Karaoğlan, 23 Jahre jung, aus dem Rheingau stammend und nun in Wiesbaden zu Hause. Sie erläutert uns nochmal den Weg zur jeweils sechsteiligen Kollektion. Nein, es gab keine genaue Aufgabenstellung, jede(r) konnte das Thema selbst bestimmen, ihm einen Titel und einen Untertitel geben. Es galt zu recherchieren und eine wissenschaftliche Arbeit zu schreiben. „Auf dieser baut dann die Kollektion auf“, erklärt die Studentin. Und wie lautete ihr Thema? „Emotional Textile“ Untertitel: „Gewobene Einheit und Einzigartigkeit“. Das macht neugierig. Und hier sei schon vorweggenommen: Türkü hat ihre schöpferische Arbeit sogar in ein Gedicht gegossen – sie finden es am Ende dieses Textes.

Sechs Interviews hat die angehende Designerin geführt, sie fragte jeweils ihre GesprächspartnerInnen nach ihrer emotionalen Beziehung zu einem Objekt – gerne auch zu einem Kleidungsstück. So hörte sie Geschichten, übersetzte sie in Form und Farbe. „Wie fühlt sich das auf der Haut an?“, fragte sich Türkü – und fügte schließlich mehrere Geschichten zu einer Einheit zusammen – setzte dies wiederum in Outfits um. Dafür braucht es natürlich ein gewisses handwerkliches Geschick. Das Schneiderhandwerk muss man noch nicht beherrschen, wenn das Studium beginnt, sagt Türkü, aber Nähen lernt man schon im ersten Semester. „Ich habe aber sehr viel von Hand gewoben und gestrickt“, verrät die junge Frau, „das habe ich mir selbst beigebracht.“ Und sie ist nicht zuletzt begeistert von flach gewobenem, zweidimensionalem Gewebe wie den Teppichen aus dem asiatischen oder etwa afrikanischen Raum.

Aufführungsreife Outfits von Türkü: Das feine Schwarze und recht exotische Sommermode in der Wandelhalle (Fotos: Paul Kaufmann)

Türkü, die ihr Gedicht „Emotional textile“ mit Tabita Karan unterzeichnet, brennt für ihre Profession, möchte irgendwann ihre eigene Marke haben und sie „Tabita“ nennen, „das ist mein Taufname, und Karan ist die Abkürzung von Karaoğlan“, erklärt sie und fügt an: „Zuerst will ich aber Erfahrungen sammeln in einem guten Unternehmen.“ Das möchten sicher ihre MitstreiterInnen auch. In der Alten Bibliothek des Museums zeigten übrigens die Studierenden aus dem ersten und dritten Semester einen beachtenswerten Ausschnitt ihrer Arbeiten.

Eine ganz wichtige Rolle spielten am Fashion-Abend und vor allem in der Vorbereitung AbsolventInnen zweier weiterer Studiengänge, die der fünften und sechsten Semester in den Bereichen Mode- & Designmanagement sowie Tourismus-, Hotel- und Eventmangement. Eine solche „Mode-Kultnacht“, wie Dekanin Kötter sie nennt, braucht akribische Planung und natürlich Öffentlichkeitsarbeit. Auch hier alle Ziele erreicht, darf man den AkteurInnen attestieren. Eine von ihnen ist Jennifer Müller aus Gießen. Sie hat sich zusammen mit Jeanine Göhlen ums Casting gekümmert. Schon seit September wurde geplant, im November und Dezember begann dann das Auswahl-Verfahren. Erst einmal galt es, Videos zu sichten. „Alle Größen bis 42 waren gefragt“, sagt Jennifer. Es gab großes Interesse, auch bei jungen Männern, „wir mussten nicht buchen“, sagt Jennifer. Schwierig war es teils mit den Schuhen für die Damen, da brauchte es Lauftraining. Am wichtigsten aber war beim Casting die Ausstrahlung. Neben Studierenden waren einige Profis dabei – aber ohne Vergütung, betont Jennifer. Dank der engen Zusammenarbeit mit der AMD ging es sehr familiär zu.

Routiniert übrigens war auch die Arbeit des zweiköpfigen Teams für Öffentlichkeitsarbeit und Pressekontakte. Beratung hatten Indira Cepalovic und Jonathan Dingler durch die selbstständige Fachfrau Melanie Nolte, die als Dozentin für PR und Kommunikation bei Fresenius tätig ist. Kaum zu glauben: „Es war das erste Mal“, sagt Indira Cepalovic, dass sie und Jonathan Dingler einen solchen Job machten. „Dass es so viel Arbeit wurde, war uns nicht klar, da hing ein mächtiger Rattenschwanz dran“, gesteht Indira, mit der die Telefonate und der E-Mail-Austausch richtig Freude machten. „Wir sind daran gewachsen“, so heißt das Resümee der Studentin im Fach Mode- und Designmanagement. Macht weiter so, kann man den beiden nur zurufen. Was natürlich auch freut ist, dass die beiden in ihrer Presseerklärung im Anhang nicht nur präzise über die AMD informieren, sondern ebenso über das Museum Wiesbaden und über unseren Freunde-Förderkreis. Ganz oben steht natürlich die AMD, Akademie für Mode & Design, „die seit mehr als 30 Jahren akkreditierte Bachelor- und Masterstudiengänge sowie anerkannte Aus- und Weiterbildungen bietet, für die Bereiche Mode, Medien, Management und Design qualifiziert.“ Und dies in Wiesbaden, Düsseldorf, Hamburg, München und Berlin! Dann noch ein Extra-Werbeblog für Wiesbaden: „Die AMD begründet den Fachbereich Design der Hochschule Fresenius – eine der größten privaten Hochschulen Deutschlands“.

Wie rührig die Wiesbadener Fresenius-AbsolventInnen sind, belegt der noch folgende Hinweis zum Schluss: „UNFOLD³ – concept, craft, unite“ wurde von Studierenden des fünften und sechsten Semesters Mode- und Designmanagement der AMD Wiesbaden gegründet. Dies soll eine Plattform sein, die es zukünftigen Studierenden der AMD Wiesbaden ermöglicht, ihre kreativen Projekte zu präsentieren und der Öffentlichkeit vorzustellen.“ Wie schön, dass der imponierende Auftakt mit Unterstützung von uns Freunden im Museum Wiesbaden stattgefunden hat!

Ingeborg Salm-Boost

Gut behütet unterwegs und eine „Lady in Red“ (Fotos: Paul Kaufmann)

Hier nun das Gedicht zur Mode, von Türkü Karaoğlan alias Tabita Karan:


Emotional textile

Deine Essenz, in einem Konzept der Zusammenkunft,
Teil eines Kreises,

in Dualitäten, in Intensitäten
in Bewegung deiner Gefühle,
raschelnde, niesende Emotionen.

Weinende Augen
oder lachendes Herz,
deine Geschichte wird zu meiner.

Die Kunst des Webens, die des Stricks,
deine Emotionen, deine Essenz,
du in Textil,

flach und zwei gewoben
spiegelt die Emotion wider,
aufgeladen mit
emovere.

Weinender Knoten,
schreiende Laufmasche,
lachende Flechtungen,
liebende Strukturen.

Intensive Flüge,
intensivere Stürze, raschelnde Tänze,
kreisende Körper.

So einzig in deiner Art,
doch uns unterscheidet nichts außer – Eins.

Lebendiges Design,
durch deine Geschichte,
meine Hand.

Eine Geschichte über
miteinander gewobene Einheit
und Einzigartigkeit.

Tabita Karan

Zur Übersicht