Kulturcampus MuWi
First date – die Jungen Freunde im Atelier Orosz
Es ist kalt, es ist dunkel, kurz vor 18 Uhr hat sich eine Handvoll junger Leute in der Nerostraße in Wiesbaden versammelt. Mützen und Schals geben keine Identität preis. Plötzlich öffnet sich über ihnen ein Fenster, Licht fällt auf den Bürgersteig, und von oben ruft jemand: „Kommt doch rauf“.
Eine junge Frau, man hört es an der Stimme, sagt leise zu den anderen „Aber es fehlen doch noch welche“. Gerade umarmt sie ein Neuankömmling. Zwei, drei scheinen sich zu kennen, andere stehen etwas isoliert.
„Wie viele fehlen denn noch? fragt eindeutig ein Mann. „Sechzehn haben sich angemeldet … Wir gehen jetzt schon mal hoch, eine wartet, bis die anderen da sind“. Im Gänsemarsch geht es im hellen Treppenhaus zu einer offenen Tür. Und hier stockt die Gruppe gleich mal wieder. Jeder kramt in der Mantel- oder Handtasche und zieht eine FFP2-Maske hervor. Ach ja – Andreas Orosz hatte aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit gebeten, dass alle eine Maske tragen. Das kennt man ja noch, Corona, kein Problem. Oder doch? Vielleicht beim ersten Atelierbesuch aber auch ein Stück Sicherheit, hinter der Maske ist man als Person halb verborgen.
Die kleine Gruppe geht durch die Tür und steht in einem hell erleuchteten Raum. Ein Schubladenschrank für Grafik, ein wunderschönes Bianchi-Fahrrad, ein randvolles Bücherregal, Bilder an den Wänden, eine kleine Bar mit Brezeln, Käse und Getränken. Der Künstler Andreas Orosz begrüßt alle: „Hallo, kommt rein! Mäntel hier auf den Stuhl … hier gibt’s was zu essen und zu trinken …“.
Langsam füllt sich der Raum, der eine oder die andere legt Mütze, Schal und Mantel ab und jetzt sieht man: Es handelt sich um einige junge Frauen, dazwischen ein Mann – es ist unverkennbar Klaus Niemann, Vorstandsmitglied der Freunde des Museums Wiesbaden. Er begrüßt Andreas Orosz und bedankt sich für die Einladung der Jungen Freunde des Museums in das Atelier des Künstlers. Die Nachzügler treffen ein, auch ein paar junge Männer sind dabei. Etwas verloren stehen sie im Raum. Ich frage leise eine Studentin: „Habt ihr euch irgendwie vorbereitet?“ „Nein, wir warten mal was kommt.“
Andreas Orosz überwindet ohne Probleme die ersten Berührungsängste. Er erzählt, dass die ersten beiden Räume quasi als Ausstellungsräume dienen und deutet hinter einen schwarzen Vorhang. „Ich male da drin. Ich male – er deutet auf ein Bild – fotorealistisch, seit ich zwanzig bin. Ich lebe als Maler, das ist ein schwieriges Ding. Der Lohn ist, dass ich das machen darf. Wir gucken mal rum und dann bitte fragen …“
Klaus Niemann fängt an: „Warum wird man Maler?“
„Man überlegt sich nach der Schule, was man am besten kann … ich war immer fasziniert von Perspektive, habe schon immer gemalt und gezeichnet … meine Eltern wollten natürlich, dass ich Kunsterziehung studiere, nicht freie Kunst.“
Die Blicke wandern immer wieder zu einem großen Bild – Palermo in all seiner Pracht: ein Stück Altstadt, im Vordergrund ein Wochenmarkt mit Ständen und Abfallhaufen inmitten von historischen Häusern. Kraftstrotzend die Farben der Tomaten und Melonen, detailgetreu Pflastersteine, die vielen Schirme, die Kisten.
Und plötzlich eine leise Stimme „Malen Sie vor Ort?“
Andreas Orosz erzählt von Fotos und Zeichnungen, von wichtigen Fixpunkten im Bild …
Es ist ein vorsichtiges Herantasten an den Künstler und seine Welt. Ein schmaler junger Mann bringt sich immer wieder ein. Es ist Dung, ein junger Vietnamese, 34 Jahre alt. Vor zehn Jahren, so erzählt er mir leise, ist er nach Deutschland gekommen, arbeitet als Landschaftsarchitekt und malt selbst, ist Mitglied der Urban Sketchers. Ja, ihn interessiert vor allem die Technik. Sonst hat er als Amateur kaum Gelegenheit, mal mit einem Profi direkt zu sprechen.
Andreas Orosz merkt, dass das Warmwerden beginnt. Er teilt die Gruppe, ein paar sollen mal selbst gucken, was essen oder trinken, vier nimmt er mit hinter den Vorhang.
Auch das kleine Malkabinett ist strukturiert und geordnet. Ein Computer mit zahllosen Bildern, ein kleiner Tisch mit Farben und Pinseln, eine Staffelei mit einer Venedig-Ansicht. Ach ja, und da sind drei Rollen Tesakrepp zum Abkleben beim Malen. Jetzt kommt es langsam zum Dialog zwischen dem Künstler und den Jungen Freunden. Aber es geht noch immer vor allem ums Malen, kaum um persönliche Dinge, nur am Rande wird das Thema „Leben von der Kunst“ gestreift. Der Preis der Bilder … wie lange malt man daran … es gibt Tage, da malt man nicht gerne, aber das ist der Beruf … man muss professionell sein. Andreas Orosz sagt: „Ich unterrichte ja auch noch als Professor“.
Katja schaltet sich immer wieder mit Fragen ein. Sie ist seit Anfang an dabei, sagt sie mir, 24 Jahre alt und studiert Design. Es sei spannend, den Menschen hinter dem Bild kennenzulernen. Und „Ich mache ganz viele Sachen durch die Jungen Freunde, die ich sonst nicht gemacht hätte.“
Es geht um den Austausch, das Kennenlernen von Künstlern, Museen, Galeristen und nicht zuletzt von neuen Freunden bei den Jungen Freunden. Manche sind zusammen eingetreten, andere kannten sich vorher nicht. Durch den Atelierbesuch gibt es nicht nur interessante Gespräche mit dem Künstler, sondern auch neue Kontakte untereinander.
Zugegeben der Anfang war vielleicht nicht optimal mit Maske, aber spätestens nach einer Stunde sind alle lockerer geworden, vielleicht sind einige noch zusammen etwas trinken gegangen und haben neue Kontakte geknüpft.
Ein großer Dank an Klaus Niemann, der den Weg bereitet hat und an Professor Andreas Orosz, der locker und offen den ersten Atelierbesuch der Jungen Freunde zu einem Erlebnis gemacht hat!
Martina Caroline Conrad