Kunst aus dem Meer – und mehr
Corona-Stipendien: Ein Zwischenbericht
Im September 2020 konnten mit Unterstützung der Freunde im Rahmen der Kulturförderung des Landes Hessen vier Projekt-Stipendien initiiert werden. Die ganz unterschiedlichen Projekte sind inzwischen kurz vor der Fertigstellung und – obwohl wegen Corona keine Atelierbesuche stattfinden konnten, habe ich doch ein wenig Material sammeln können und möchte den Freunden und Freundinnen berichten.
Viola Bittl ist angetreten sich in ihrer Malerei dem größeren Format zu widmen. In der Ausstellung „Jetzt! – Junge Malerei in Deutschland“ war sie 2019 bereits vertreten, hat nun aber angefangen, Leinwände im Format von zwei Metern und mehr zu bearbeiten. Dabei ist es ihr wichtig, dass die nun größeren Formate die gleiche Intensität, die gleiche direkte Ansprache haben sollten, wie ihre gewohnt kleineren Bilder.
Ihre Malerei lebt von der Ölfarbe: Diese ist lange „offen“, das heißt veränderbar, (ver-)wischbar, damit aber auch sehr zeitintensiv. Die Malschichten trocknen nur langsam, die Malerin braucht Geduld, kann nicht einfach sofort wieder loslegen und den nächsten Akzent setzen. Dieses zwischendrin „Komplett-trocknen-lassen-müssen“ fordert heraus, schenkt aber zugleich auch Zeit, in der reflektiert, in der neu gesammelt werden kann. Obwohl ihre Malerei klar gegliedert erscheint, liegen doch unzählige Schichten übereinander. Immer wieder zieht sie lasierend mit dem Pinsel neue Farbe auf, sodass aus der Spur des Pinsels Schicht um Schicht eine eigene Form entstehen kann. Wir planen, vielleicht schon im Herbst, einige ihrer Bilder mit in den Sammlungsrundgang zu nehmen.
Im Winter 2020 war Jan Schmidt auf dem Atlantik unterwegs. Während einer Schiffsreise hat er mit einem Kanister Salzwasser geschöpft. Dies tat er an jedem Tag, mit Unterstützung der Crew, zumindest, wenn der Seegang es zuließ und das Schiff entsprechend Strecke machte. Zwölf Stockwerke ging es dafür hinunter und mit dem „erbeuteten“ Wasser anschließend wieder hinauf… Dieses Wasser hat er jeweils in kleinen Tropfen auf ein Blatt Papier gegeben, so entstanden Punkte aus Salzkristall.
Aus diesen „tagesaktuellen“ Blättern hat er nun im Rahmen des Projekt-Stipendiums eine Serie gemacht, die diese Dokumentation seiner Reise zu wundervoll minimalistisch ästhetischen Kleinoden vereint. Seine „salzigen“ Wochen auf dem Schiff – letztlich jäh unterbrochen durch die heraufziehende Pandemie – wurden ihm aber auch dadurch versüßt, dass das unter italienischer Flagge segelnde Frachtschiff mit einer ausgezeichneten Kombüse aufwartete … Für uns nun: die ganze Geschichte – manifestiert in kleinen Kristallen auf Papier!
Von Jürgen Krause hat das Museum seit seiner Projektraumausstellung eine sogenannte „Grundierung“. Wer Krauses Arbeiten kennt, weiß, dass er sich in einem täglichen Ritual oder auch, weniger pathetisch ausgedrückt, Kreislauf, mit den immer gleichen Vorgängen beschäftigt. Bleistifte spitzen, Linien ziehen, Messer schleifen, oder aber eben auch: ein Blatt grundieren. Dabei führt er den Vorgang jeweils so lange aus, bis dieser selbst zu einem Ende kommt: Das wechselseitig grundierte Papier wird irgendwann so schwer, dass es sich nicht mehr problemlos wenden lässt. Dann liegt ein weißer „Block“ vor uns.
Jürgen Krause hat nun sein Projekt-Stipendium genutzt, aus diesem Kreislauf etwas auszubrechen und unterschiedliche Pigmente in die Grundierung mit hineinzunehmen, sodass aus den schlichten Blöcken auf einmal Bilder zu werden begannen.
Er selbst schreibt dazu: „Fast 20 Jahre lang habe ich unaufhörlich grundiert. Mit einem Pinsel Kreidegrund auf Papier aufgetragen. So, als wollte ich am Beginn stehenbleiben und diesen gewissermaßen aufbauen. Kompakte weiße Blöcke sind entstanden. Die ursprüngliche Absicht vor 20 Jahren war, ein Blatt Papier zu grundieren, um darauf mit einem Silberstift zeichnen zu können. Der Stift, den ich damals eigens anfertigen ließ, blieb jedoch ungenutzt liegen. Jetzt nehme ich ihn wieder in die Hand für die Arbeit an den ,Tafeln‘: Diese sind aufgebaut wie die Grundierungen, Kreidegrund auf Papier. Nur sind es hier weniger Schichten, vielleicht 50 bis 70. Neu ist, dass ich auch ,Roten Bolus‘ verwende. In der Ikonenmalerei wird dieses blassrote Pigment eingesetzt als Farbschicht unter dem Blattgold. Dem ,Armenischen Bolus‘ wird nachgesagt, er ließe das Gold besonders leuchten. Dem forsche ich gerade nach. Es geht mir wie beim weißen Grund darum, das Verborgene, das Darunterliegende zum Vorschein zu bringen.“
Jürgen Czwienk ist vielen in Wiesbaden als Drehbuchautor und Regisseur bekannt. Für das Fernsehen macht er Geschichte lebendig. Für das Museum Wiesbaden hat der Medienkünstler nun einen akustischen Stolperstein geschaffen – zu einem Thema, das uns vor Ort bewegt: Walter Ings Farmer (1911–1997), dem „Monuments Man“ von Wiesbaden. Als zum Ende des Zweiten Weltkriegs Kunstschätze aus ganz Deutschland in Wiesbaden versammelt wurden (Central Collecting Point), setzte sich der Kunstoffizier im „Wiesbaden Manifest“ dafür ein, dass diese nicht dauerhaft in die USA verbracht, sondern nach einer Tournee wieder an Deutschland zurückgegeben wurden. Die Geschichte als Central Collecting Point ist Teil der Geschichte unseres Gebäudes, aber auch unserer Stadt – und nicht zuletzt Fingerzeig für die Bedeutung der Provenienzforschung in der Gegenwart. Die Hörstation unter den Kolonnaden wird O-Töne, aber auch redaktionelle Inhalte an die Passanten vermitteln. Die energie-autarke Box wird dabei durch eine klassische Handkurbel betrieben. Ein ähnlicher akustischer „Stolperstein“ befindet sich vor der Deutschen Bibliothek in Frankfurt, dortiges Thema: Deutsches Exilarchiv 1933-1945. Unsere Hörstation wollen wir im Juli (110. Geburtstag von Walter Farmer) einweihen.
Unsere Künstlerin und die Künstler grüßen herzlich die „Freunde des Museums“ und sagen Danke für Ihre Unterstützung!
Dr. Jörg Daur