Kunstvoll und Naturnah
Der Maler mit Palette
Das Jahr ist gut gestartet – nein, das stimmt nicht ganz – eigentlich sogar sehr gut! Mit Extra-Mitteln unseres Fördervereins „Freunde des Museums Wiesbaden“ – erwirtschaftet durch die erfreulicherweise stark steigenden Mitgliederzahlen – und einer großzügigen Spende eines einzelnen Vereinsmitglieds direkt an die Abteilung „Klassische Moderne“ konnte im Januar eine kapitale Erwerbung für die Sammlung des Museums getätigt werden. Dadurch besitzt das Museum Wiesbaden nun ein repräsentatives Selbstbildnis des expressionistischen Malers Ludwig Meidner (1884–1966) aus den späten 1920er-Jahren. Weltberühmt wurde dieser mit seinen vor dem Ersten Weltkrieg entstandenen, hellseherischen Apokalyptischen Landschaften.

Drei Gründe sind es, warum das große Selbstbildnis für das Museum bedeutsam ist:
Erstens, weil der in Schlesien geborene und 1925 zum Judentum konvertierte Künstler auch zu Hessen gehört. Er zog 1955 nach dem Zweiten Weltkrieg aus seinem Exil in England zunächst nach Hofheim am Taunus (Ortsteil Marxheim), wo er acht Jahre lebte, und ging schließlich nach Darmstadt, wo er 1966 verstarb. Sein Nachlass wird überdies im Jüdischen Museum Frankfurt bewahrt.
Zweitens: Er war schon während des Nationalsozialismus mit Hanna Bekker vom Rath, deren Sammlung sich seit 1987 im Museum Wiesbaden befindet, eng befreundet. Hanna Bekker war es überdies, die Meidner nach Hofheim „lockte“, wo sie selbst im sogenannten Blauen Haus wohnte. Alle Künstler, die mit Hanna Bekker intensiven Umgang pflegten, interessieren – ganz klar – auch das Museum Wiesbaden, besonders dann, wenn sich, wie bei Ludwig Meidner, bislang nur ein – allerdings ein sehr delikat gemaltes – Stillleben mit Heringen in der Sammlung befindet.
Und drittens: Das Selbstbildnis mit Palette, wie es mit vollem Titel heißt, stellt für die Abteilung „Klassische Moderne“ eine ideale Ergänzung dar, weil es das kongeniale Partnerbild zu dem nicht nur gleichzeitig entstandenen, sondern sogar annähernd größengleichen Selbstbildnis mit Zeichenbrett Karl Hofers ist, das durch eine großzügige Schenkung des Wiesbadener Sammlers Frank Brabant bereits 2013 in unser Haus kam.

Wie gut dieses Selbstbildnis zu uns passt, in dem sich Meidner in seiner Berliner Dachgeschosswohnung in einem sehr intimen Moment festhält – er wirkt erschöpft und sogar ein wenig geistig abwesend –, davon können Sie sich derzeit in der Kunstsammlung selbst überzeugen. Bis 23. Juni noch wird das neu erworbene Gemälde neben den Granden unserer Sammlung Max Beckmann, Erich Heckel, Karl Hofer, Otto Mueller und natürlich neben seiner Förderin Hanna Bekker vom Rath (auch mit einem kürzlich angekauften eigenhändigen Gemälde vertreten) präsentiert. Kurz: „Der Raum macht Eindruck“, um unseren Direktor Alexander Klar zu zitieren, den der Ankauf – der einer günstigen Gelegenheit entsprungen ist und durch „unseren“ Verein erst möglich wurde – ebenfalls sehr gefreut hat.
Roman Zieglgänsberger
Erfahren Sie mehr über Dr. Roman Zieglgänsberger, Kustos Klassische Moderne, im Interview.