Kunstvoll und Naturnah

Hummeln als Bestäuber

In den Sommermonaten finden wir sie in Wiesbaden an vielen Straßenecken: Verkaufsstände, die uns frische Erdbeeren anbieten. Kaum jemand weiß, dass die wohlschmeckenden Früchte eng mit den Hummeln verbunden sind. Landwirte haben deren Wert als Bestäuber erkannt und setzen sie zu diesem Zweck in Erdbeer- und auch Tomatengewächshäusern ein. Allerdings kommen keine wildlebenden Hummeln – diese stehen unter Naturschutz – zum Zuge, sondern Zuchttiere, die Firmen aus Ländern wie Deutschland, Belgien oder den Niederlanden für die Bestäubung anbieten. Bauern erwerben diese wie andere landwirtschaftliche Produktionsmittel, zu denen etwa Dünger, Futtermittel, Saat- und Pflanzgut gehören. Für eine Saison dienen die Zuchthummeln zum „Einmal- und Wegwerfgebrauch“. Für die Umwelt sind die Zuchtvölker nicht unproblematisch, wenn Sie den Weg aus den Gewächshäusern in die freie Natur finden. In den Zuchtanlagen werden südeuropäische Rassen eingekreuzt, was außerhalb der Gewächshäuser zu einer genetischen Veränderung bei wildlebenden heimischen Hummeln führen kann. Zudem gelten Hummeln aus Zuchtanlagen auch als mögliche Träger von Krankheitserregern.

Studienausstellung „Auf Staatsbesuch im Insektenreich“: Erdhummelbau mit Arbeiterinnen und Königin (Foto: Bernd Fickert, Museum Wiesbaden)

Warum finden aber Hummeln statt der oftmals hochgelobten Honigbienen in der Landwirtschaft Verwendung? Die Leistung der Honigbiene als Bestäuberin wird häufig überbewertet, die von Hummeln ist dagegen zumeist unbekannt und doch sehr bemerkenswert: Sie sind relativ kälteunempfindlich und können Pollen wie auch Nektar bei niedrigeren Temperaturen sammeln. Hummelköniginnen fliegen bereits bei zwei Grad Celsius aus, und Arbeiterinnen starten zu ihrem Blütenbesuch bei sechs Grad. Honigbienen wagen sich hingegen erst ab 12 Grad aus ihrem Stock. In kühlen und feuchten Jahren ist es deshalb vor allem Hummeln und anderen wildlebenden Bienen zu verdanken, dass es nicht zu einem völligen Ernteausfall kommt. Eine Hummel kann am Tag bis zu 5.000 Blüten bestäuben. Die Bestäubungsarbeit der Hummeln ist im Obst- und Gartenbau von großer Bedeutung. In der Landwirtschaft gelten diese Insekten als wichtige Bestäuber von Hülsenfrüchten wie Ackerbohnen, Erbsen und Wicken, aber auch von Schmetterlingsblütlern wie etwa dem Rotklee. Anders als Honigbienen können Hummeln mit ihrem langen Rüssel nämlich den Nektar tiefkelchiger Blüten sammeln.

Studienausstellung „Auf Staatsbesuch im Insektenreich“: Arbeiterinnen der Erdhummel (Foto: Bernd Fickert, Museum Wiesbaden)

Während Honigbienen bei bedecktem Himmel ihre Aktivität einschränken, sind Hummeln auch an bewölkten Tagen aktiv. Hummeln trotzen außerdem dem Wind: Die Tiere fliegen auch bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 70 Kilometern pro Stunde, Honigbienen dagegen bei maximal 30 Kilometern pro Stunde.

In der Volksstärke zeigt sich die Honigbiene den Hummeln überlegen, doch im Fleiß übertrifft letztere die Immen, denn sie fliegt in der gleichen Zeit mehr Blüten an als die Honigbiene.

Manchen mag es verwundern, dass es allein in Deutschland 28 verschiedene Arten von Staaten bildenden Hummeln gibt. In der Studienausstellung „Auf Staatsbesuch im Insektenreich“ lässt sich noch bis zum 22. März 2020 neben interessanten Fakten zu den pelzigen Insekten auch ein Erdhummelbau mit Arbeiterinnen und Königin entdecken.

Ulrich Kaiser


Diplom-Biologe Ulrich Kaiser ist seit Anfang 2019 im Museum Wiesbaden und wird für fünf Jahre als Kurator der Naturhistorischen Sammlungen tätig sein.

Titel der Studienausstellung (Foto: Bernd Fickert, Museum Wiesbaden)

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