Kunstvoll und Naturnah

Mörderpantoffeln

Kurdaitcha shoes aus der ethnologischen Sammlung des Museums Wiesbaden (Foto: Bernd Fickert/Museum Wiesbaden)

Die oft von mir, in meinen Führungen durch die völkerkundliche Sammlung etwas salopp, flapsig als „Mörderpantoffeln“ bezeichneten Kurdaitcha shoes sind Ethnographica von besonderem Wert und selten. Viele der Besucher sind durch deren Geschichte sehr beeindruckt und fasziniert. Zu den beiden schuhähnlichen Objekten gehört eine geschnitzte Knochenspitze unbedingt dazu. Diese waren sehr wichtige Utensilien in der Kultur einiger Aborigines-Gruppen Australiens und noch bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts in Nordaustralien in Gebrauch. Das Paar Kurdaitcha-Schuhe ist aus einem Geflecht von Menschenhaaren und Emufedern gefertigt, der dazu gehörige Knochen-Zeigestab an seinem Ende mit einer Harzkugel als Griff versehen.

Diese Schuhe wurden von einem Stammesmitglied getragen, das zum Vollstrecker einer Hinrichtung auserkoren worden war. Vorausgegangen war, dass mit der Knochenspitze auf eines der Mitglieder der Gruppe gezeigt wurde. Dieses hatte aus Sicht der anderen Stammesmitglieder schwerwiegend gegen die Rituale und Gesetze des Stammes verstoßen.

Die Schuhe dienten dazu, die Identität des Henkers, des Kurdaitcha man, zu verschleiern. Dieser schlich sich auf leisen Sohlen – plötzlich und vom Opfer unerwartet – von hinten an, um dieses zu erdrosseln. Die Erwartung des nahenden Todes ließ einige Delinquenten durch den starken psychologischen Druck schon vor der eigentlichen Hinrichtung sterben. Die Opfer wurden oft apathisch, aßen und tranken nicht mehr und wurden vom Tod eingeholt. Diese emotionale, psychosomatische Reaktion wird auch das „Knochen-Zeige-Syndrom“ genannt.

Werner Hammer

Werner Hammer bei der Arbeit für die Ausstellung „Masken und Federn“, die parallel zur Paradiesvogel-Ausstellung (2014/2015) lief. (Foto: Marion Dirksen)

Zur Person
Werner Hammer interessiert sich seit seiner frühesten Jugend für indigene Völker, vor allem für die des brasilianischen Amazonasgebietes. Während andere Jungen seines Alters Karl May lasen, waren es bei ihm völkerkundliche Reiseberichte. Dazu gehörte auch das Buch „Traurige Tropen“ von Claude Levi-Strauss, der darin die Nambikwara beschrieb – eine indigene Ethnie. Werner Hammer begab sich daraufhin, im Alter von 20 Jahren, auf seine ersten Expeditionen, die ihn auch zu den Nambikwara führten. Danach folgten viele Expeditionen in ganz Südamerika, wo er einige Jahre verbrachte und so ein guter Kenner dieser Kulturen wurde. 2006 hatte er zum ersten Mal die Möglichkeit seine Fotos und Ethnographica in einer Ausstellung im Museum Wiesbaden zu präsentieren. Von da an arbeitete er an einigen Ausstellungen mit und war Kurator von „Jäger und Sammler“ im Jahr 2015/2016 und der erst kürzlich gezeigten Federschmuck-Ausstellung.

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