Kunstvoll und Naturnah

Ein eisenstarker Parcours

Frank Gerritz hat für uns eine Strangguss-Arbeit im Eingangsoktogon seiner Ausstellung platziert. Exakt auf den Raum bezogen empfängt uns ein Feld aus gusseisernen Strängen, die in ihrer Abfolge den Raum strukturieren und damit unsere Wahrnehmung prägen – letztlich aber auch dem gesamten Raum ein neues, für uns ungewohntes Gesicht geben.

Frank Gerritz, Parcours (2021), Gusseisen, massiv, gesamt 2,4 Tonnen (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert/© VG Bild-Kunst, Bonn 2021)

Darüber hinaus fällt der Blick auf die gusseisernen Stränge selbst. Hier nimmt uns eine besondere Materialität gefangen: Da die Stränge einen Tag und eine Nacht im Glühofen nachgeglüht wurden, hat sich die Farbe ihrer Oberfläche zu einem gleichmäßigen Grau verdichtet. Das im Prozess aufgeschmolzene Metall, das – so wie der Künstler die Situation in der Gießerei umschreibt – durch den Vorhof der Hölle gegangen ist, hat sich beruhigt und eine beständige Form gefunden. Auch die Anschnitte sind nun komplett durchgefärbt. Diese Anschnitte entstehen, wenn der aus der Anlage kontinuierlich vordrängende Strang gebrochen und anschließend auf Maß gesägt wird. Zunächst jedoch muss das geschmolzene Eisen in der Stranggussanlage durch eine vorgefertigte Grafitform (Kokille) gegossen werden. Die Kokille formt das noch flüssige Eisen und lässt es durch einen Kühlvorgang erstarren, sodass sich der geformte Eisenstrang entwickelt und nach kurzer Wegstrecke, immer noch glühend heiß angeschnitten, gebrochen und eben schließlich auf Maß gesägt werden kann.

Von der Form her gleich und alle grau, besitzen die Stränge doch in ihrer jeweiligen Oberfläche Individualität. Man sieht die „Schübe“, in denen der Strang nach vorne gezogen und geschoben wurde, ebenso zeigt sich das je eigene „Gesicht“ des Gusses auf der Oberfläche. Eine Spannung entsteht zwischen der präzisen Konzeption und Ausführung und der dem Material geschuldeten Einzigartigkeit jedes einzelnen Strangs.

Frank Gerritz, Parcours (2021), Gusseisen, massiv, gesamt 2,4 Tonnen (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert/© VG Bild-Kunst, Bonn 2021)

Wer die Ausstellung durch das Oktogon betritt und damit die dort liegende Bodenskulptur „Parcours“ passiert, wird von Anbeginn in Maß und Rhythmus geschult, zugleich aber auch mit Material konfrontiert, das in der Feingestalt seiner Oberfläche eine Vielfalt in Klarheit erfahrbar macht. Die folgenden Arbeiten auf Aluminium und MDF erscheinen dem geschulten Auge damit keineswegs mehr schwarz-weiß, sondern in ihrer Sensibilität dem Licht und dem Raum gegenüber von einer im Wortsinn bezeichneten Vielfalt.

Dr. Jörg Daur


Werfen Sie hier einen Blick auf den Trailer zur Ausstellung mit Einblicken in die Gießerei und auf die Strangguss-Arbeit „Parcours“.

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