Kunstvoll und Naturnah

Mit dem Schneeschieber durch den Winter

Wollnashorn mit Jungem, lebensechte Rekonstruktion aus der Ausstellung „Eiszeit-Safari“, im Hintergrund rechts: Schnee-Eule (Foto: Bernd Fickert/Museum Wiesbaden)
Wollnashorn mit Jungem, lebensechte Rekonstruktion aus der Ausstellung „Eiszeit-Safari“, im Hintergrund rechts: Schnee-Eule (Foto: Bernd Fickert/Museum Wiesbaden)

Aus Nordasien und Sibirien kommend haben sich die Wollnashörner (Coelodonta antiquitatis) während der letzten Kaltzeit bis nach Mitteleuropa verbreitet. In der Umgebung von Wiesbaden sind sie aus den Höhlen von Steeden und den Mosbacher Sanden gleich in zwei paläontologischen Fundstellen nachgewiesen. Doch nicht nur Knochen sind von diesem großen Säugetier überliefert. Zahlreiche zeichnerische Darstellungen – zum Beispiel in den Höhlen von Chauvet – zeigen Nashörner mit zottigem Fell und langen Hörnern. Außerdem gibt der Permafrost in Sibirien immer wieder Exemplare frei. So wurde im September 2014  in Jakutien die erste Eismumie eines Jungtieres gefunden, dessen Alter auf 12 bis 18 Monate geschätzt wird. Sasha, wie es nach seinem Entdecker benannt wurde, ist so gut erhalten, dass Forscher darauf hoffen, mit ihm die DNA der Wollnashörner entschlüsseln zu können. Das kleine Wollnashorn, das in der aktuellen Ausstellung „Eiszeit-Safari“ steht, wurde nach Sashas Vorlage rekonstruiert.

Das dichte Fell der Wollnashörner schützte sie vor der Kälte und ihr langes vorderes Horn konnten sie wohl als Art Schieber einsetzen, der ihre Nahrung von unliebsamem Schnee befreite. Darauf weist zumindest die gerade Kante auf Hornfossilien hin, die die natürliche Wuchsform unterbricht. Dieser Befund zeigt aber auch, dass nur wenig Schnee in der Mammutsteppe gefallen sein kann. So große und massige Tiere hätten ihre Schwierigkeiten gehabt, sich durch Schneeberge zu bewegen und auch das Schneeschieberhorn erlaubt nur eine geringe Schneeauflage. Ernährt haben sich die Unpaarhufer wohl im Sommer hauptsächlich von Gräsern, während sie im Winter auf Büsche und Zweige, z.B. der Zwergbirke auswichen.

Wollnashörner haben schon früh durch spektakuläre Funde auf sich aufmerksam gemacht. Schon Katharina II., Zarin von Russland, schrieb in einem Brief an den Philosophen Voltaire von einem Fund aus dem Sibirischen Permafrost, der noch Haut und Haare des Tieres erkennen ließ. Sie träumte davon, dass Sibirien einst in angenehmen Klima mit Zitronen- und Orangenhainen bedeckt sein könnte. Ob der Klimawandel noch dazu führen wird? Das Wollnashorn jedenfalls lebte, entgegen Katharinas Annahme, nicht in warmem Klima, sondern war ein typischer Vertreter der kaltzeitlichen Mammutsteppe.

Dr. Hannes Lerp


Erfahren Sie mehr über Dr. Hannes Lerp, Kurator digitale Naturhistorische Sammlungen, im Interview.

 

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