MuWi Star

Let’s talk about …

… den „Rabenbaum“ an einem Mittwochmittag um 12.15 Uhr. Im Foyer des Museums Wiesbaden haben sich 25 Herren und Damen versammelt. Einige kennen sich und beginnen gleich ein Gespräch, andere studieren das Programmheft oder bewundern das schöne Oktogon.

Großes Interesse beim MuWi Star (Foto: Martina Caroline Conrad)

Sie alle interessieren sich für den MuWi Star und tragen deswegen einen pinkfarbenen Stern. Das ist das Erkennungszeichen für alle MuWi Star-Veranstaltungen. Zusammen mit Dr. Martina Brand von der Öffentlichkeitsarbeit schlendert die Gruppe in den rechten Museumsflügel zum Raum von Rebecca Horn (siehe auch unsere Beiträge auf dieser Website hier und hier). Die 2024 verstorbene Künstlerin hat dem Haus noch zu Lebzeiten einige Dauerleihgaben vermacht, darunter auch den „Rabenbaum“ von 2011: ein mechanisches Objekt aus kupfernen Rohren und spitzen Schnäbeln, die sich heben und drehen.

MuWi-Star Rebecca Horn (Foto: Sarah Schadt)

Martina Brand will keine klassische Führung machen. Sie hat sich vielmehr für einen Miniworkshop entschieden und animiert die Besucher zu einem Haiku. Denn auch Rebecca Horn hat zuerst Texte geschrieben und dann ihre Skulpturen und Objekte gebaut und inszeniert. Es gibt eine kleine Einführung: Was genau ist ein Haiku, das kleinste Gedicht mit drei Zeilen?
Schon sind die MuWi Star-Besucher sich selbst überlassen. Zuerst einmal genau hinschauen, Stichworte sammeln und Kombinationsmöglichkeiten suchen.

Haiku in memoriam Rebecca Horn (Foto: Martina Caroline Conrad)

Einige Damen lesen bereitwillig ihre Haikus vor und stellen sie auch gerne dem Museum zur Verfügung. Es entwickeln sich lebhafte Gespräche, und dadurch wird auch das Werk von Rebecca Horn wieder lebendig: Warum hat es Schnäbel? Ist der Rabe positiv oder negativ besetzt? Woher kommt die Poesie der mechanischen Skulptur?

Haiku-Poesie (Foto: Martina Caroline Conrad)

Rita Rosen meldet sich zu Wort und stellt ihren Haiku-Verein vor. Ich unterhalte mich mit einer Teilnehmerin, die aus Bamberg kommt und die Idee der MuWi Stars super findet. Dem ist nichts hinzuzufügen. Zwanzig Minuten ist eine wunderbare Zeitspanne – um ein Haiku zu verfassen oder über ein Bild zu diskutieren.

Auch am MuWi Star-Termin zu Hanna Bekker vom Rath hatte ich schon teilgenommen. Allgemein als Galeristin und Mäzenin bekannt, hat die gebürtige Frankfurterin aber auch selbst gemalt. Ihre Enkelin Marian Stein-Steinfeld und Kustos Dr. Roman Zieglgänsberger erzählten vom vielfältigen Leben in Frankfurt, Hofheim und Berlin, auch vom Engagement für hilfsbedürftige Künstler, und sie stellten das Bild „Viktoria-Luise-Platz“ in Berlin vor.

Treffpunkt bei Hanna Bekker vom Rath: Ihre Enkelin Marian Stein-Steinfeld und Kustos Roman Zieglgänsberger mit interessiertem Publikum vor dem Bild „Viktoria-Luise-Platz“. (Foto: Bernd Fickert)

Schnell ergab sich ein reges Frage- und Antwort-Spiel zwischen Besuchern und Experten über die Farbigkeit, die Bedeutung der eigenen Kunst von Hanna Bekker, ihre Kunsthändler-Tätigkeit und die Bekanntschaft mit Käthe Kollwitz. Der Clou aber war, dass Roman Zieglgänsberger das Bild zum Schluss von der Wand abgenommen hat – und auf der Rückseite ein zweites Gemälde, „Sonnenblumen in einer blauen Vase“, zum Vorschein kam.

Welch eine Überraschung: Auf der Rückseite des Gemäldes „Viktoria-Luise-Platz“ befindet sich zur Überraschung der Anwesenden ein zweites Bild. Kustos Roman Zieglgänsberger zeigt „Sonnenblumen in einer blauen Vase“. (Foto: privat)

Auch das war eine super MuWi Star-Veranstaltung. Ich bedaure sehr, dass ich nur zweimal beim MuWi Star war – wie gerne hätte ich auch die Naturkunde besucht und mehr über Wölfe, Eisbären oder Sand erfahren. Dieser kleine Museumsmittagsimbiss ist auch deswegen so gelungen, weil Mitarbeiter aus allen Bereichen des Hauses ihre persönliche Sicht auf ein Objekt vorstellen. Glückwunsch an alle Beteiligten zu dieser tollen Idee.

Martina Caroline Conrad

PS: Übrigens, Kunst- und Naturpausen am Mittag gibt es auch nach dem Jubiläumsmonat April, immer mittwochs um 12.15 Uhr!


Weitere Informationen

Rebecca Horn und der „Rabenbaum“
Rebecca Horn, die 2024 im Alter von 80 Jahren verstorben ist, zählt zu den weltweit bedeutendsten Künstlerinnen der Gegenwart. Ihr Schaffen reicht über mehr als fünf Jahrzehnte und umfasste mehr als 120 Einzelausstellungen. Ihr Werk gilt als ästhetisch, anmutig, zeitlos und ist zugleich geheimnisvoll, magisch und alchemistisch sowie spirituell inspiriert. Horn wurde als eine eigenwillige, innovative und experimentierfreudige Künstlerin geehrt. Nur wenige Monate vor ihrem Tod konnte das Museum Wiesbaden in Zusammenarbeit mit der Moontower Foundation, der Stiftung von Rebecca Horn, 60 Hauptwerke, darunter 30 Rauminstallationen sowie 30 Gemälden und Zeichnungen und damit auch den „Rabenbaum“, als Dauerleihgabe für Wiesbaden und das Land Hessen sichern.
Der „Rabenbaum“  ist ein vielschichtiges Kunstwerk, das über die reine Ästhetik hinausgeht und tiefere philosophische und existenzielle Fragen aufwirft. Die Verbindung von Raben und Bäumen symbolisiert eine tiefere Beziehung zu Natur, Leben, Weisheit und Transformation. Sie zeigen die Verbundenheit von allem Lebendigen und die ständige Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Ebenen der Existenz. Es ist somit auch ein Werk, das den Wandel in allen Dingen thematisiert.

Zu Haiku
Haiku ist eine traditionelle japanische Gedichtform, die heute weltweit verbreitet ist. Das Haiku gilt als die kürzeste Gedichtform der Welt. Zu den bedeutendsten Haiku-Dichtern zählen Matsuo Bashō, Yosa Buson, Kobayashi Issa und Masaoka Shiki.

 

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