Ostergruß aus dem Museum

Maria Marc, Stillleben mit Osterlamm, 1909, Museum Wiesbaden (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Liebe Freundinnen, liebe Freunde des Museums Wiesbaden,

im Namen des ganzen Museumsteams möchte ich Ihnen schöne, erholsame und anregende Ostertage wünschen. Lassen Sie mich dazu ein Bild auswählen, das erst im vergangenen Jahr Eingang in unsere Sammlung gefunden hat: „Stillleben mit Osterlamm“ von Maria Marc. Wie Sie wissen, sind wir bei der Erweiterung unserer Kollektionen auf Unterstützung angewiesen, was ja auch ein zentrales und tatkräftiges Anliegen des Freundeskreises ist. Für den Erwerb des Oster-Stilllebens sind wir der Helvetic Investment GmbH dankbar verbunden.

Maria Marc (1876–1955) schuf das Stillleben im Jahr 1909. Die Künstlerin heiratete wenige Jahre später Franz Marc, einen der zentralen Protagonisten des Blauen Reiters. Anders als die Werke des Ehemannes, sind ihre Arbeiten sehr selten in Museen zu finden. Mit dem hier in Rede stehenden Stillleben schuf sie ein heiteres Bild, das für ein hoffnungsfrohes Osterfest steht. Das Lamm mit der Siegesfahne ist der deutlichste Rekurs auf das hohe Kirchenfest. Dabei weist das Tier auf das Lamm Gottes, eines der ältesten Symbole für Christus (Johannes 1, 29). In der Bildsprache des Christentums entwickelte sich schon früh die Kombination von Lamm und Siegesfahne. Bei der Siegesfahne handelt es sich um das Attribut, das Christus nach dem Tod am Kreuz bei seinem Hinabstieg durch alle Erdschichten zur Vorhölle als Siegeszeichen mit sich führt, um die Tore der Vorhölle zu öffnen. Oft haben es ihm die Künstler auch in Darstellungen der Auferstehung am Ostersonntag in die Hand gegeben. Somit erinnert das Osterlamm im Stillleben an Christus als das unschuldige und reine Lamm, das sich für die Sünden der Menschheit opfert und ewige Lebendigkeit verleiht. Seit dem frühen Mittelalter stellten die Maler die Siegesfahne allerdings meist als ein rotes Kreuz auf weißem Grund dar. Hier im Stillleben hat Maria Marc Violett gewählt, die liturgische Farbe der Fastenzeit. Damit setzt sie inhaltlich einen feinen Kontrapunkt zu den Leckereien, die auf dem Tisch stehen und erst mit dem Ende der Fastenzeit an Ostersonntag genossen werden dürfen: Osterbrot, Eier, die Butter im Korb und natürlich auch das gebackene, mit Puderzucker überzogene Osterlamm.

Sicherlich dürfen wir annehmen, dass Maria Marc sich an den Köstlichkeiten auf dem Tisch gütlich getan hat. Zumindest vermittelt die Künstlerin den Eindruck einer aus dem Alltag gegriffenen Momentaufnahme. Die Objekte auf dem Tisch wirken wie zufällig arrangiert, was insbesondere auch durch das nachlässig verrutschte Tischtuch betont wird. Tatsächlich bildet die dunkle Holzkante ein wichtiges optisches Gegengewicht zu dem Brotlaib. Koloristisch setzen Weiß und Rot des Osterlammes einen pointierten Akzent, ergänzt um das Violett der Fahne. Im Gegensatz zur Schwere des Vordergrunds, gestaltete die Künstlerin einen buntfarbigen Hintergrund, wobei sie dem Bild mit den lockeren, senkrecht geführten Pinselstrichen eine wohldosierte Heiterkeit und Leichtigkeit hinzufügte.

Dieses wunderbare Stillleben hat Roman Zieglgänsberger, Kustos der Klassischen Moderne, in die Dauerausstellung des Museums gehängt. Natürlich würden wir Sie alle gerne willkommen heißen, um sich das Werk im Original anzuschauen. Leider ist auch an diesem Osterfest kein Museumsbesuch möglich. Vielmehr fordert die Pandemie erneut eine große Geste der Solidarität und Selbstlosigkeit von uns allen ein. Dass bereits nach dem langen winterlichen Lockdown der Hunger nach Kultur sehr groß geworden war, durften wir am 12. März im Museum feststellen, als wir die Türen für unser Publikum wieder öffnen konnten. Viele von Ihnen sind gekommen, es war herzerfrischend zu erleben. Leider konnten wir nicht alle Wünsche erfüllen, da die Auflagen zur Wiedereröffnung nur eine begrenzte Anzahl an Besucherinnen und Besuchern zuließen.

Wir hoffen sehr, dass wir Sie in der zweiten Aprilhälfte wieder als unsere Gäste empfangen können, rechtzeitig vor dem Ende der Ausstellung „Speed of Light“ von Winston Roeth (bis 25. April) und dem nahen Schlusspunkt der Macke-Ausstellung (bis 9. Mai). Dann werden wir endlich auch die große Sonderausstellung der Naturhistorischen Sammlungen eröffnen: „Kristalle – Vom Diamant bis zum Gips“ (ab 23. April). Die Kunst des 19. Jahrhunderts ist bereits mit der großartigen Schenkung von Jan und Friederike Baechle präsent: „Exquisit“. Sie wird ab Ende April begleitet von einer das ganze Jahrhundert umfassenden Ausstellung: „Von Kühen, edlen Damen und verzauberten Landschaften. Oder von der Liebe zur Malerei: Neues aus dem 19.“ (ab 30. April).

Mit Maria Marcs köstlichem Osterstillleben wünschen wir Ihnen frohe Ostern,

Ihr Andreas Henning
Direktor

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