Sammler, Förderer, Museumsfreund

Interview mit Frank Brabant

Der Mann kommt in der Öffentlichkeit eher leise daher. In Gesellschaft, etwa im Museum, wirkt er zurückhaltend, beobachtet seine Umgebung interessiert durch die dunkelumrandete Brille. Und noch lieber das, was an den Wänden hängt: Kunst. Kunst durften wir nun auch in seiner Wohnung betrachten – und ohne Ende staunen! Ob Nolde, Jawlensky, Pechstein oder Warhol – das Zuhause von Frank Brabant ist dank seiner in 50 Jahren zusammengetragenen Sammlung mit dem Schwerpunkt Expressionisten gleichzeitig ein Privatmuseum vom Feinsten. Spannend und lehrreich, wenn der Mann, der dem Museum Jawlenskys „Helene im spanischen Kostüm“ geschenkt hat und mehr als 500 Werke besitzt, die Geschichte hinter den Bildern und dazu auch seine eigene erzählt – exklusiv für die Freunde des Museums.

Herr Brabant, wo befindet sich denn Ihre erste Errungenschaft – „Der Redner“, ein Holzschnitt von Pechstein?

Sehen Sie hier, er hängt im Wohnzimmer (Frank Brabant zeigt auf das Bild). Ich habe ihn 1962 gekauft, kannte Pechstein noch gar nicht. Ich wusste nur von so bekannten Künstlern wie Chagall oder Picasso. Aber ich habe mich dann kundig gemacht und mich über den Kauf gefreut.

Und wie kam es dazu?

Ich war in Frankfurt und geriet zufällig in die Galerie der Hanna Bekker vom Rath. Es fand gerade eine Vernissage mit Pechstein-Werken statt. Ich kannte so eine Veranstaltung noch nicht und dachte, man muss etwas kaufen. In zwölf Raten habe ich die 350 Mark bezahlt.

Und das war dann der Beginn einer großen Sammelleidenschaft eines Versicherungsmitarbeiters, der sich beruflich eher mit Unfallschäden befasste?

Ja, das stimmt. Mein Interesse war geweckt. Aber eigentlich hatte ich schon als Kind Freude an Gemälden.

Das ist ja spannend …

Ich wuchs in der DDR auf. Wenn ich als Junge keine Kinokarte für die Kindervorstellung ergattern konnte, bin ich in meiner Heimatstadt Schwerin ins Museum gegangen.

Hatten Sie damals schon Favoriten?

Mir gefiel vor allem die Winterlandschaft des Niederländers Philips Wouverman.

Wann kamen sie in den Westen?

Das war 1958.

Stimmt es, dass Sie eigentlich auf einen VW-Käfer gespart hatten – und das dann zugunsten der Kunst sein ließen?

Ja, das war so. Mit dem Geld für den Käfer habe ich einen Kirchner gekauft. Nach dem Erwerb habe ich viel gelesen, habe die „Brücke“ kennengelernt. Da gehört neben Kirchner ja auch Pechstein dazu. Statt eines Käfers habe ich das Aquarell „Mädchen mit Blume“ von Kirchner gekauft.

Nach der Versicherungszeit – auch in der Schweiz und in München – begann 1968 die Disco-Zeit des Frank Brabant. Sie übernahmen das „Pussycat“. Wie war das Leben zwischen Disco und Dix?

Wenn man einmal Blut geleckt hat, dann geht es immer weiter. Und das Sammeln war ein Ausgleich für die Arbeit in der Disco, die nicht immer einfach war.

Das wäre jetzt ein Kapitel für sich …

Oh ja, da könnte ich viel erzählen, Promis gingen bei mir ein und aus. Manchmal leider auch die Polizei. Und so mancher Polizist kam auch als Gast …

Zurück zur Kunst: Sie erwarben immer wieder Werke von äußerst namhaften Künstlern.

Die waren damals noch nicht so hochpreisig. Die Neue Sachlichkeit zum Beispiel, die wollte keiner haben … Ich habe zwar mit dem Pussycat ganz gut verdient. Aber ich brauchte auch immer wieder Kredite, um meine Sammlung erweitern zu können. Das ist bis heute so.

Und eines Tages haben Sie sogar Jawlenskys „Helene im spanischen Kostüm“ erworben. Wie haben Sie das denn geschafft?

Das ist kein typischer Jawlensky. Das Bild blieb bei einer Auktion liegen. Ich habe es für 100 000 Mark gekauft.

Alexej von Jawlensky, Helene im spanischen Kostüm, um 1901/02. Museum Wiesbaden

Stimmt es, dass Ihnen vor drei Jahren ein reicher Russe acht Millionen Euro für „Helene“ geboten hat?

Ja, das war so.

Und Sie haben das Bild lieber dem Museum Wiesbaden geschenkt?

Das stimmt. Erst war es eine Leihgabe, dann habe ich es dem Museum geschenkt. Sie wissen ja: Helene war das Hausmädchen von Jawlenskys Freundin Marianne von Werefkin. Und Helene wurde später seine Frau und bekam ein Kind von ihm.

Würden Sie Ihre Verbindung zum Museum Wiesbaden als eng bezeichnen?

Ja, doch. Zu Wiesbaden und zu Schwerin. Diese beiden Museen sollen auch meine Bilder bekommen. Die Stiftung ist im Werden. Im Schweriner Museum wird es im November eine große Ausstellung mit meiner Sammlung geben.

Sie waren auch einmal in engem Kontakt zur Kunstszene in Unna …

Dort wollte man ein Museum für meine Sammlung einrichten. Aber eigentlich habe ich doch gar keinen engeren Bezug zu Unna.

Kehren wir nach Wiesbaden zurück. 2010 schrieb eine Zeitung: „Der Sammler kommt nach Hause – über New York, Tel Aviv“. Das war anlässlich einer Ausstellung in unserem Museum.

Ja, meine Bilder waren schon in vielen Museen. Auch in Montreal oder Paris. Aber Wiesbaden bin ich schon besonders verbunden.

Sie sind ja auch Mitglied bei den Freunden des Museums.

Ich bin seit Anfang an dabei. Ich hatte auch eine Zeit lang jährlich 1000 Mark für Museumszwecke überwiesen. Der Verein macht gute Arbeit.

Wenn man Sie bei Ausstellungseröffnungen oder beim Neujahrsempfang trifft, hat man den Eindruck, dass Sie als Mäzen und Sammler nicht so gern im Mittelpunkt stehen.

Ich brauche kein Tamtam um meine Person.

Wie muss man sich das vorstellen, wenn Sie bei Versteigerungen mitmachen?

Da bin ich, wenn ich im Schlafanzug am Telefon sitze, kurz vor dem Herzinfarkt. Und bei einem Nolde, da hatte es im Auktionshaus mit 3000 Mark angefangen. Es ging kräftig nach oben, ich habe am Ende den Zuschlag bekommen: für 24 000 Mark. Ich wusste gar nicht, wie ich das Geld zusammen bekommen sollte …

Und sind Sie immer noch so umtriebig – mit 79 Jahren?

Ich bin gerne unterwegs, muss etwas zu tun haben. Ausstellungen sind meine Triebfeder – mehr als vierzig waren es bestimmt, in denen Bilder von mir hingen. Es gab mehr als 100 Leihgaben von mir. Ist doch toll, wenn beispielsweise in Montreal eine spezielle Ausstellung zu Hitchcock-Filmen stattfindet und diese mit Bildern von mir angereichert wird, die genau zu dem Thema passen?

Wie stellt man sich das vor?

Zum Beispiel das Thema Lustmord im Hitchcock-Krimi „Frency“. Dazu passt ein Bild von Karl Hubbuch.

Steht bald wieder eine Ausstellung an?

Ja, jetzt, im März, im Kirchner-Haus in Aschaffenburg. Aber ich mische mich nicht groß ein bei Auswahl und Hängung. Spannend finde ich immer, wenn durch die Kombination mit meinen Bildern – beispielsweise mit einem Jawlensky – die Werke unbekannterer Künstler besser wahrgenommen werden.

Es ist schwer vorstellbar, wenn man sich in Ihrer Wohnung mit mehr als zweihundert Bildern umschaut, aber: Haben Sie Lieblingwerke?

Eigentlich immer das letzte, das ich erstanden habe. Aber Noldes Mädchenbild von 1925 und Jawlenskys Madame Curie – die liebe ich schon besonders.

Sie wollen eher nichts von Ihren Schätzen wieder veräußern?

Nein, das mache ich nicht.

Was würden Sie denn tun, wenn Sie sich jetzt, im fortgeschrittenen Alter, plötzlich über einen richtig großen Lottogewinn freuen könnten?

Bilder kaufen.

Das Interview führte Ingeborg Salm-Boost
Foto: Elke Fuchs

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