Unter Freunden

Goethe ist weg

Sie, liebe Freunde, sind sicherlich gut informiert und wissen, dass der Eingang des Museums wegen der aufwändigen Arbeiten an der Treppenanlage nun bis ins neue Jahr an die Ecke Friedrich-Ebert-Allee/Rheinstraße verlegt worden ist. Bestimmt finden Sie trotzdem den lohnenden Weg in die Kirchhoff-Ausstellung „Garten der Avantgarde“, die Sie auf keinen Fall verpassen sollten. Ihnen ist vermutlich bekannt, dass Wiesbaden im Bereich Museum und Congress-Center einen neuen städtebaulichen Akzent erhalten soll – und vielleicht sogar in naher Zukunft ein Museum für abstrakte expressionistische Kunst an der Wilhelmstraße 1 (siehe unser Interview mit Reinhard Ernst). Und so kann man mit großem Interesse der Dinge harren, die da kommen.

Es tut sich einiges in der Landeshauptstadt, gleich vor unserer Museumstür. Nicht nur die Treppenanlage nach Theodor Fischer wird am Museum wiederhergestellt, es finden bekanntlich umfangreiche Sanierungsarbeiten statt. Neue Treppenaufgänge kommen an den Seiten dazu, an den Flügelbauten. Und ganz wichtig: Im Inneren des Hauses wird es endlich bald einen neuen Aufzug geben, und man muss Gehbehinderte nicht mehr auf schwierige Umwege schicken.

Goethe (vorübergehend) im Hinterhof. Foto: Ingeborg Salm-Boost
Goethe (vorübergehend) im Hinterhof. Foto: Ingeborg Salm-Boost

Sie, liebe Freunde, haben sicher gehört oder gelesen, dass auch Goethe sich einer Sanierungskur unterziehen wird. Die Statue mit wechselvoller Geschichte wurde erst einmal in den Innenhof verfrachtet, zwischen Autos und Baugerüste, von wo aus sie dann in die Kur geschickt wird. Nicht jeder liebt den Dichter mit dem Adler unter dem Arm, so wie ihn der Münchner Bildhauer Hermann Hahn aus Fichtelgebirgsgranit geschaffen hat. 1919 wurde Goethe – der in den Jahren 1814/1815 daran beteiligt war, dass Wiesbaden ein neues Museum bekommen soll – auf den Sockel zwischen die Portikus-Säulen gesetzt.

Auch der frühere Museumsdirektor Volker Rattemeyer gehörte nicht zu den Fans der Hahn-Statue. Nebenbei: Der Künstler hatte für Chicago einen ganz anderen Goethe geschaffen – zwar mit Adler, aber ansonsten eher griechisch-nackt. Doch zurück nach Wiesbaden: Rattemeyer wollte Goethe 1992 im Innenhof aufbewahren, also weniger sehen. Da gab es ordentlich Bürger-Proteste. Man vermisste den dichtenden Wiesbaden-Freund. Der Kompromiss: Goethe wurde rechts neben dem Gebäude auf den Rasen verfrachtet – ohne Sockel.

Zum Vergleich: Die Goethe-Statue in Chicago
Zum Vergleich: Die Goethe-Statue in Chicago

Wer es auch immer in die Wege geleitet hat: Zwei Tage vor dem 250. Geburtstag des Dichterfürsten, 1999, zog er wieder auf den Sockel um. Allerdings weiter unten, vor dem Treppenaufgang. Und die Welt war einigermaßen in Ordnung.

Nun also ist er also erst einmal verschwunden. Doch so viel steht fest: Wenn die Bauarbeiten erledigt sind, Goethe bearbeitet worden ist, darf er wieder an den Original-Standort zwischen den Säulen zurückkehren. Ob man ihn nun gelungen findet oder nicht.

Hier könnte die Geschichte jetzt zu Ende sein, hätte nicht eine renommierte Wiesbadener Künstlerin, Mitglied des Freunde-Vereins, eine Idee entwickelt. Zufällig kam diese mir vor einigen Tagen zu Ohren. Renate Reifert würde den alten Herrn gerne „im Zentrum seiner Farbenlehre“ sehen. Sie hat da einen Vorschlag zu machen: „Farbige Glasflächen – prismatische Kompositionen in den drei Grundfarben – umgeben den Autor der Farbenlehre“, Reifert, wohl wissend, dass man das Hahn-Werk nicht als großen Wurf betrachten muss, schlägt das einfach mal vor – sie hat, ganz Profi, gleich eine Multimedia-Show als Anschauungsmaterial zusammengestellt. Und dem Museum vorbeigebracht

Goethe im „Farbgewand“, eine Idee der Wiesbadener Künstlerin Renate Reifert. Foto: Renate Reifert
Goethe im „Farbgewand“, eine Idee der Wiesbadener Künstlerin Renate Reifert. Foto: Renate Reifert

„Wir sehen Goethe durch das Werk, das er für sein Bedeutendstes hielt“, meint die frühere BBK-Vorsitzende zu ihrem Farbenspiel mit dem Dichter. Was man im Museum dazu meint, ist mir (noch) nicht bekannt. Aber gegen so kühne Gedanken als Reminiszenz an seine Farbenlehre hätte Johann Wolfgang von Goethe doch sicher nichts einzuwenden gehabt, oder?

 Ingeborg Salm-Boost

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