Unter Freunden

Nach dem Jawort zur „Goldenen Hochzeit“

Regenwetter – ideales Museumswetter? Nein, so kann man das in diesen Augusttagen nicht sagen. Tropentage – ideales Museumswetter? Ja, das passt! Und genau so animiert unser neuer Direktor Andreas Henning im Gespräch für die Freunde-Website zum Besuch im Haus der Kunst und Natur.

Was kann es Besseres geben als in klimatisierten Räumen beispielsweise die Schmetterlinge oder die „Lebensmenschen“ zu besuchen? Es läuft prima seit Wiedereröffnung nach der Corona-bedingten Schließung, freut sich Henning und kann für den eintrittsfreien ersten August-Samstag wieder rund 1.000 Besucherinnen und Besucher verbuchen. Auch die Sonntage nach den eintrittsfreien Samstagen sind stark frequentiert. Nach wie vor verhalten sich die Museumsgäste diszipliniert, nehmen auch Wartezeiten in Kauf. Etwa dann, wenn sie unbedingt noch die Ausstellung „Lebensmenschen“ sehen wollen, in der das Schaffen und die Beziehung Jawlenskys und der Werefkin zueinander so wunderbar in Bildern erzählt wird. „Wir merken einen stetigen Anstieg“, sagt Andreas Henning zu dieser Schau, die noch bis zum 23. August zu sehen sein wird.

Jawlenskys Prinzessin Turandot mitten in der Stadt. Die Werbemaßnahme nach Verlängerung der Ausstellung Lebensmenschen zeigt Erfolg. (Foto: Agentur Q)

Über das große Interesse ist natürlich auch Kurator Roman Zieglgänsberger glücklich. „Unsere Presseabteilung hat es geschafft, die Verlängerung gut zu kommunizieren, die Besucherzahlen nehmen zum Ende hin nach und nach trotz des schönen Wetters zu. Und dennoch muss sich niemand ängstigen: die Ausstellung ist mit 16 Räumen so umfangreich, dass man genug Platz für sich und seine Kunstentdeckungen hat“, sagt uns der Kustos der Klassischen Moderne. Er konnte bei den „Lebensmenschen“ auch eine Reihe von Leihgebern begrüßen.

Über die Kunst blieben sie ihr Leben lang verbunden: Blick in einen der Ausstellungsräume mit Arbeiten beider Künstlerpersönlichkeiten. Alexej von Jawlenskys abstrakte Köpfe entstanden in Wiesbaden, die Arbeiten Marianne von Werefkins in Ascona. (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Waren Sie eigentlich schon beim Genremaler Ludwig Knaus? Auch in der Ausstellung „Homecoming“ gibt es vieles zu entdecken. Sie ist bis in den November verlängert worden. Kurator Peter Forster hat kürzlich ganz besondere Gäste zum berühmten Knaus-Gemälde „Die Goldene Hochzeit“ geführt – einem Schlüsselwerk, das 1859 entstanden ist und aus dem Grohmann Museum at Milwaukee School of Engineering nach Wiesbaden gekommen ist. Es waren Brautpaare, die sich das tanzende „goldene Paar“ anschauten – und vielleicht überlegten, ob sie es auch so weit bringen werden … Zum ersten Mal fanden im Museum Wiesbaden standesamtliche Trauungen statt, und zwar in der Alten Bibliothek. An einem Freitag gaben sich hier gleich vier Paare das Jawort – und wurden zum kleinen Ausflug in die „Homecoming“-Schau eingeladen. Sie wissen ja: Ludwig Knaus war ein Wiesbadener. Was Direktor Andreas Henning besonders gut gefällt: Die Stadt Wiesbaden möchte das Landesmuseum zu einem festen Ort im Angebot des Standesamtes machen. Eine schöne Idee. An Brautpaaren, die sich gerne zwischen Kunst und Natur trauen lassen, wird es sicher nicht fehlen. Andreas Henning fände es schön, wenn die Frischvermählten jeweils auch ein Lieblingsobjekt im Museum haben oder fänden – und dieses natürlich dann auch immer wieder mal ansteuern würden …

Dieses berühmte Knaus-Bild beeindruckte vier Brautpaare, die sich kurz zuvor im Museum Wiesbaden das Jawort gegeben hatten: „Die Goldene Hochzeit“, 1859, Grohmann Museum at Milwaukee School of Engineering (Foto: Grohmann Mueum and Larry Sanders, Milwaukee)

Gerne möchte ich nochmals an die Abschiedspräsentation des Hölzel-Gemäldes „Prozession im Gebirge“ erinnern. Es wird, weiß die Museumsleitung, häufiger von Besuchern gezielt danach gefragt. Noch bis zum 31. August ist es zu sehen, werden die Forschungsergebnisse der Provenienz-Expertin Miriam Merz eindrücklich dargestellt. Wie wir schon berichtet haben, geht das Gemälde zurück an die Flersheim-Familie. Die Erben des in der NS-Zeit verfolgten, jüdischen Sammlerpaares leben in den USA. Natürlich hätte man im Museum das Werk gerne behalten und den Nachkommen abgekauft, zumal es keinen anderen Hölzel hier gibt, doch die Erben möchten es nicht veräußern. „Es ist ja auch erfreulich, wenn sie Interesse an dem Gemälde haben und einen Bezug dazu entwickeln“, kommentiert Direktor Henning diese Haltung. Und meint, dass in den deutschen Museen zu spät begonnen wurde, die Bestände aus dem Nazi-Deutschland zu überprüfen. Die Zentrale Stelle für Provenienzforschung mit Sitz im Museum Wiesbaden wird noch eine Menge zu tun haben. Darüber und über die Expertin für diese hochsensible Aufgabe können Sie im Laufe der kommenden Woche ein Interview auf unserer Freunde-Website lesen. Einen MuWi-Blog zur tragischen Geschichte der Familie Flersheim während der Nazi-Herrschaft und zur Restitution des Gemäldes „Prozession im Gebirge“ finden Sie jetzt bereits auf der Museums-Website. Für Andreas Henning ist klar: Es sollten noch mehr solcher Forschungsergebnisse mit den Lebensläufen der Betroffenen erzählt werden.

Ein Hölzel-Bild, das Frank Brabant erworben hat: „Der Turban“ (entstanden zwischen 1925 und 1930), Pastell auf Velourpapier. (Foto: Ingeborg Salm-Boost)

Eine schöne Nachricht zum Schluss: Der uns allen bekannte Wiesbadener Mäzen Frank Brabant, der seine herausragende Sammlung hälftig dem Museum Wiesbaden und dem Museum Schwerin vermachen wird, zeigte mir kürzlich eine seiner Neuerwerbungen: Eine Papierarbeit von Adolf Hölzel, „Der Turban“. Für ihn steht außer Frage, dass dieser Kopf in das Schenkungskonvolut des Museums Wiesbaden gehört.

Ingeborg Salm-Boost


PS: Mit der idealen „Besuchszeit“ fürs Museum dank angenehm klimatisierter Räume haben wir begonnen. Mit einem weiteren Tipp des Museumschefs hören wir auf: Dienstags und donnerstags gibt es die Abendöffnung des Hauses, eine Zeit, in der man sich meist ganz in Ruhe umsehen kann.

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