Unter Freunden

Jawlenskys Bad Schwalbach bleibt bei uns

Alexej von Jawlensky, Bad Schwalbach, 1927. Das Bild gehört nach Wiesbaden. (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Kennen Sie die Geschichte vom Jawlensky-Gemälde aus der Sammlung Frank Brabant? Nein, heute geht es nicht um die berühmte „Helene im spanischen Kostüm“, heute geht es um eine Ortsansicht. In Bad Wörishofen sollte sie bei einem der Kuraufenthalte des Künstlers 1927 entstanden sein. Aber in jenem Jahr war Alexej von Jawlensky gar nicht dort. Er weilte vielmehr in Bad Schwalbach und hat das dortige Pfarrhaus dargestellt – mit einem Teil der Kirche unter blauem Himmel und mit Grün umsäumt. Zu schade nur, dass nach der Schenkung Frank Brabant und der Aufteilung des imponierenden Bilder-Schatzes aus Expressionismus und Neuer Sachlichkeit dieses Werk nach Schwerin gehen sollte. Wohlbemerkt, als vermeintliche Ansicht aus Bad Wörishofen …

Um es vorwegzunehmen: Seit kurzem ist dies nun rückgängig gemacht. Der in Schwerin geborene, aber seit vielen Jahrzehnten in Wiesbaden heimische Mäzen änderte in diesem Punkt sein Testament. Wichtig war es ihm aber, dass die beiden Kustoden, die auf seinen Wunsch alleine über die Schenkung verhandeln und entscheiden durften, sich auch in dieser Sache nun einig wurden.

Das also ist jetzt geschehen. Und Roman Zieglgänsberger, Kustos der Klassischen Moderne, ist glücklich, dass nach der 2016 „auf sehr freundschaftliche Art und Weise vorgenommenen Aufteilung“ nun dieses Jawlensky-Bild in Wiesbaden bleiben kann. „Eine schöne Entwicklung“, sagt er, der im Auftrag Brabants die Änderung mit dem Schweriner Kollegen zu besprechen hatte. Und er ist überzeugt: „Für die Wiesbadener Jawlensky-Sammlung sind diese an einem goldenen Septembertag gemalten Häuser, die Seele und Persönlichkeit zu haben scheinen, ein enormer Gewinn. Ich bin mir sicher, das Bild wird immer hängen.“

Zur Zeit allerdings hängt es in Bonn in einer großen Jawlensky-Ausstellung – wohin auch die von Frank Brabant bereits vor Jahren dem Museum geschenkte „Helene“ und viele andere Werke des Künstlers ausgeliehen sind. Schade nur, dass auch hier, im Kunstmuseum, die Besucher noch nicht vor Ort schauen können.

In Frank Brabants Zuhause hat die Ortsansicht, die dank Angelica Jawlensky Bianconi korrekterweise dem Taunus zugeordnet werden konnte, einen Stammplatz – bis sie eines Tages im Museum Wiesbaden „zuhause“ sein wird. Klar auch, dass der Sammler sie immer wieder mal anderen Häusern ausleiht. In den achtziger Jahren  erstand er das Gemälde in einem Wiesbadener Antiquitätengeschäft.

Dankbar ist Kustos Roman Zieglgänsberger der Jawlensky-Enkelin und Leiterin des Jawlensky-Archivs in Locarno, dass sie den Irrtum durch ihre Forschungen noch rechtzeitig vor Drucklegung des Katalogs anlässlich der Ausstellungen „Von Beckmann bis Jawlensky“ zur Schenkung Brabant in Schwerin und Wiesbaden (2018) aufdeckte. Für diese Website erzählte Angelica Jawlensky Bianconi davon bereits im Mai 2019, als sie ein Interview zu ihrer „Lebensaufgabe“ gab. Sie erzählte damals, dass die Datierung des Bildes auf der Rückseite die Überprüfung auslöste. Denn 1927 sei der Großvater gar nicht in Bad Wörishofen gewesen. Hinzu kam, dass der Enkelin zu Hause wieder eine kleine Dose in die Hände fiel, auf deren Deckel „Bad Schwalbach“ steht – ein Souvenir des Malers für seine Frau Helene. Und dann fand die Bewahrerin des Erbes ihres Großvaters bei Google-Recherchen die Bad Schwalbacher Gebäude – kein Irrtum war mehr möglich!

Jetzt mögen Sie wissen: Hat Schwerin denn so einfach das Werk wieder hergeben wollen? Na ja, erfreut war man wohl nicht. Aber für Schenker Brabant stand außer Frage, dass es einen Ausgleich geben sollte. Und so kommt nun auf die Schweriner Liste, auf der Bad Schwalbach gestrichen worden ist, ein anderes Bild: „Frank Brabant verstärkt den Schwerpunkt Georg Tappert, den das Museum in Schwerin aufbauen möchte, mit einem Gemälde des Künstlers, das zuvor für Wiesbaden vorgesehen war.“ Es handelt sich, sagt Kustos Zieglgänsberger, um eines der gesuchten frühen Bilder Tapperts, „in dem er von Vincent van Gogh angeregt wurde.“ 1910 entstand das barbusige „Mädchen im Korbsessel“. Tappert ist, so Roman Zieglgänsberger, „nach dem Ersten Weltkrieg als Mitglied der November-Gruppe in Berlin zu überregionaler Bekanntheit gekommen.“ – „Im Dritten Reich hatte er sich zurückgezogen“, weiß Sammler Brabant. Auch wurde Tappert aus seinem Lehramt an der staatlichen Kunstschule entlassen. Bei Wikipedia wird dem Berliner attestiert, dass er als einer der ersten Künstler „die großstädtische Vergnügungswelt“ für seine Bildmotive entdeckte. Sammler Brabant besitzt, so erzählt er uns, 15 Werke von Tappert, davon fünf Ölgemälde. Unser Mitglied des Förderkreises seit den ersten Jahren ist erleichtert, dass es zu einer guten Lösung zwischen Wiesbaden und Schwerin gekommen ist.

Georg Tappert, Mädchen im Korbstuhl, 1910. Dieses Werk erweitert Schwerins Tappert-Schwerpunkt. (Foto: Sammlung Brabant)

Das freut auch den hiesigen Direktor Andreas Henning. Gar nicht erfreut ihn, dass nun das Datum der Öffnung des Hauses offenbar wieder unklar ist. Konnte er nach gemeinsamer Beratung von Bund und Ländern zunächst davon ausgehen, dass am 7. oder 9. März endlich Leben in die Räume kommt (man sich also in der ersten Öffnungsstufe wähnen durfte), so sieht es jetzt wieder nach der „Stufe zwei“ aus, wundert sich Henning. Er ist „sehr enttäuscht“. Nach der jüngsten Verlautbarung vom 25. Februar aus dem Büro des hessischen Ministerpräsidenten bedeutet das, so Dr. Henning: Öffnung später als der Einzelhandel oder etwa Freilichtmuseen und Zoos. Dabei sind alle Hygiene- und weiteren Voraussetzungen für den Einlass von Gästen längst getroffen. Und mehrere Studien hätten belegt, dass die Museen durchaus „sichere Orte“ in Pandemiezeiten sind. „Wir wollen doch Menschen beglückende, sinnstiftende Erlebnisse anbieten“, sagt der Museumschef und muss mit seinem Team nun offenbar auf Ostern schauen – wenn nicht doch noch ein Umdenken beim Land erfolgt.

Bleibt nur, die Zuversicht nicht aufzugeben. Wer noch keine Begegnung mit August Mackes Paradies hatte, dem sei für Sonntag, 28. Februar, 15 Uhr, eine weitere Online-Führung mit Roman Zieglgänsberger empfohlen. Sie kann zu guter Laune beitragen, das Warten auf einen Besuch im Museum, dem „Ort der Berührung“ – siehe unseren Gastbeitrag von Janine Seitz – etwas leichter machen.

Ingeborg Salm-Boost


PS: Während ich diese Zeilen an Sie schreibe, erreicht mich ein Newsletter aus der Liebermann-Villa am Wannsee, wo ich zu anderen Zeiten gerne immer wieder hinfahre. Auch hier, so schreibt man aus Berlin, ist die Hoffnung auf eine Öffnung im März wie eine Seifenblase zerplatzt – wie es so vielen Kulturstätten ergeht. Was bleibt, ist Vorfreude und Geduld.

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