Unter Freunden

Wie schön, vor Bildern zu stehen …

Pfingsten 2021 – die Wetterprognosen geben kaum Anlass zur Freude. Da wäre es doch schön, könnte man sich von Licht und an Farben in unserem Museum berauschen lassen. Nur leider ist die Zeit des Wartens noch nicht beendet. Wir wollen uns nun nicht in Spekulationen vertiefen, warum wohl Wiesbaden sich so schwer tut, unter die Inzidenzmarke von 100 zu gelangen. Immerhin: Es besteht Hoffnung, dass der Juni uns wieder offene Türen zu Kunst und Natur beschert.

Lassen Sie mich von einem kurzen Zusammentreffen dieser Tage in der Klassischen Moderne erzählen. Ja, es ist schon wunderbar, wenn man als Autorin für diese Freunde-Website Einlass erhält, zumal ein Zusammentreffen mit einer interessanten chinesischen Künstlerin stattfindet: Chunqing Huang kommt aus Frankfurt nach Wiesbaden, um zusammen mit Roman Zieglgänsberger die Hängung ihrer Bilder zu verfolgen. Eine Malerin unserer Zeit zwischen den „alten“ Kollegen wie Jawlensky oder Heckel? Genau das ergibt Sinn, sagt der Kustos: Hier werden „Painter’s Portraits“ präsentiert. Hier können Sie das aktuelle Interview mit ihm lesen. Sie erfahren, was es mit dem Projekt auf sich hat und wie die Zusammenarbeit, nicht zum ersten Mal, mit dem Kunsthaus Wiesbaden zustande kam!

Noch hängen sie nicht: Chunqing Huang im Museum Wiesbaden vor fünf ihrer „Painter’s Portraits“ und einem Münter-Gemälde (Foto: Salm-Boost)

Zurück in einen der Räume der Klassischen Moderne: Wie soll man die fünf Arbeiten der besonderen Art anordnen? Das Team, darunter neben Roman Zieglgänsberger auch der Kurator der Ausstellung im Kunsthaus, Ulf Ziegler, und eben Chunqing Huang selbst, berät sich. Und wird sich schnell einig. Jawlensky, Heckel, Kirchner, Nay und Münter – nein, Sie werden keine Köpfe von ihnen sehen. „Es handelt sich bei den ,Portraits‘ um eine sehr ernsthafte Aneignung des modernen Kanons, Huang vollzieht malerisch Werke nach, nähert sich ihnen motivisch, stilistisch, atmosphärisch.“ So heißt es in der Ankündigung des Kunsthauses, wo vom 13. Juni an fünfzig dieser Werke zu sehen sein werden. Es ist der Auftakt einer neuen Ausstellungsreihe „Kunst über …“, die „wegweisend“ mit Kunst über Kunst beginnen soll. Und bei der sich eben das Museum als Partner einbringen wird. Sie erinnern sich – so sollte es auch bei Vollrad Kutscher sein. Nur, leider hatte die Pandemie diese Präsentation sehr eingeschränkt. Und unsere Freunde-Führung mit dem Künstler unmöglich gemacht.

Im Gespräch für die Freunde-Website erzählt Huang, dass sie Ende 2000 nach Deutschland kam, 2016 mit ihrer Serie begonnen und sie immer weiter entwickelt hat. Die 47-Jährige mit Atelier nahe des Doms in Frankfurt empfand es als „große Bereicherung“, von der Kunstakademie in Peking an die Städelschule gekommen zu sein. Denn die Meisterschülerin von Hermann Nitsch war plötzlich ganz in der Nähe der europäischen Kunst, sah vor Ort in den Museen, was sie zuvor nur aus Fachbüchern kannte. Licht und Farbigkeit bei Gemälden von Paul Gauguin, Max Liebermann, Gabriele Münter, Maria Lassnig oder etwa Franz Marc (ihr erstes „Portrait“ in der Serie) nahmen sie so gefangen, dass ihre Ölbilder in kleinen Formaten entstanden. Und sie immer weitermachte … Ja, sagt Chunqing Huang, gegenständlich hat sie auch schon gearbeitet. Zum Beispiel eine Serie mit Schwimmern und Schwimmerinnen geschaffen.
Schön, ein bisschen Leben im Museum zu spüren – und Farben zu sehen. Schön auch, zu hören, wie sehr sich die Künstlerin auf Wiesbaden als Ausstellungsort freut.

Sehr freuen dürfte sich auch Jan Baechle, wenn endlich „Exquisit – Kunst des 19. Jahrhunderts“ besucht werden kann. Bis zum 26. September ist die Ausstellung, die anlässlich der Schenkung Jan und Friederike Baechle stattfindet, nun verlängert worden. Das langjährige Kuratoriumsmitglied im Freunde-Förderkreis, das unser Programm viele Jahre mit dem legendären „Depot-Frühschoppen“ bereichert hat, will nun seinen 80. Geburtstag bei der Finissage nachfeiern und den Gästen „einen ausgeben“, wie Jan Baechle uns verrät. Aber dies ist nicht alles, er wird doch noch einmal eine Art Depot-Frühschoppen anbieten und am 26. September in den Vortragssaal einladen – ehe man dann in der Museumshalle hoffentlich miteinander wieder anstoßen darf.

Hoffentlich kann man bald davor stehen: Eugen Spiros, Blumenstillleben mit Narzissen und Tulpen, 1921, Museum Wiesbaden, Schenkung Jan und Friederike Baechle. (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Gerne zeigen wir in diesem „Unter Freunden“-Beitrag noch einmal Eugen Spiros „Blumenstillleben mit weißen Narzissen und roten Tulpen“, ein Werk aus den 1920er Jahren, das zur Baechle-Schenkung gehört. Kustos Peter Forster hat es uns mit einem herzlichen Pfingstgruß an die Freunde und Freundinnen des Museums übermittelt. „Die Darstellung verliert sich nicht in Details, sondern erfasst das Motiv großzügig in seiner Gänze in sicherer, breiter Malweise, wobei der Fokus auf das perfekt abgestimmte Kolorit gelegt ist und intensive Schlagschatten die Helldunkel-Wirkung betonen …“, so beschreibt der Kurator das Gemälde. Und fährt fort: „Elegant hebt sich der helle belebte Strauß vor seinem dunklen kräftigen Grund ab. Auch diesem Bild wohnt, trotz der intensiven Farbigkeit, eine gewisse Kühle inne – um die Anmut des Motivs zu steigern.“ Übrigens: Laut Peter Forster wird der üppige Strauß weißer Narzissen auch „Dichternarzissen“ genannt …

Von den Narzissen und Tulpen noch rasch zu den „Bo(o)tschaften“: Leider durfte dieses Workshop-Angebot zum Internationalen Museumstag nur digital stattfinden. Sie erinnern sich? Ziel war es, ein Mini-Boot aus Holz zu bauen und mit einer eigenen Botschaft zum Thema Nachhaltigkeit zu versehen, es sollte ein Appell an sich selbst und an die Welt sein, so formuliert es Daniel Altzweig von der Abteilung Bildung und Vermittlung. Groß war die Zahl der Teilnehmenden nicht, aber wer mitmachte, so die Beobachtung, war mit Herz, Verstand und Kreativität dabei. Eine Lehrerin zeigte sich begeistert von der Idee, so Daniel Altzweig, und möchte das Projekt mit in ihre Schule nehmen. Keine Frage, als die „Bo(o)tschaften“ am 19. September 2020 draußen an den Wasserbecken stattfinden konnten, war das eine ganz andere Sache. So wie auch jede noch so gelungene Online-Führung eben nicht den Besuch des Museums, das Stehen und Staunen vor den Kunstwerken und in der Natur, beispielsweise vor den Kristallen, ersetzen kann. Davon ist übrigens auch Chunqing Huang überzeugt. Allzu gut erinnert sie sich daran, wie sie die Werke, die sie heute zu „Painter’s Portraits“ inspirieren, nur in Kunstbüchern studieren konnte.

„Bo(o)tschaften“ im digitalen Workshop. Rechts auf dem Monitor: Daniel Altzweig, der dazu eingeladen hatte. (Foto: Museum Wiesbaden)

Ingeborg Salm-Boost

PS: Trotzdem ist es natürlich gut, dass es digitale Angebote in unserem Museum gibt! Schauen Sie unter www.museum-wiesbaden.de
etwa auf „Eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert“ in der Museumswerkstatt für Kinder oder auf den Vortrag über Schlangen im Taunus!

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