Unter Freunden

Diskutieren, kurbeln, übernachten …

„Heute ist ein wunderbarer Tag, um einen Abstecher ins Museum zu machen“ – dies sagt mir voller Unternehmungslust eine Freundin am Telefon, die während der Corona-Zeit in den Förderkreis eingetreten ist und es nun genießt, dass man wieder ohne Anmeldung Einlass findet. Übrigens: So einige Menschen haben in der Pandemie-Zeit den Weg zu uns Freunden gefunden – auch wenn wir keine Veranstaltungen und Reisen anbieten konnten. Es ist wirklich schön, spontan kulturell unterwegs zu sein. Vieles ist nun möglich, wenn auch immer noch aus guten Gründen mit Einschränkungen. Nun können Sie sich auf zwei außerplanmäßige Jour-Fixe-Treffen mit Führung freuen. Einmal am 16. Juli mit dem Hamburger Künstler Frank Gerritz und Kustos Jörg Daur durch die Ausstellung „Temporary Ground“. Zum anderen am 27. Juli mit der aus China stammenden Frankfurter Künstlerin Chunqing Huang, die mit uns im Kunsthaus und dann im Museum „Painter’s Portraits“ anschauen und erläutern wird. Mehr dazu können Sie in unserer jüngsten Rundmail erfahren.

Chunqing Huang, Gabriele Münter, 2016

Interessantes, ja Außergewöhnliches hat das Museum in den nächsten Tagen zu bieten: Beispielsweise im Beuys-Raum! „Bis alles gesagt ist“ heißt es vom 3. bis 11. Juli (Termin wurde aus dem Juni verschoben), wenn Matthias Schenk (Schloss Freudenberg) und Gerhard Schuster (Wien und Bochum) Gastgeber sind. Sie wollen mit Besuchern und Besucherinnen Gespräche zu den Heilkräften der Kunst führen. 66 Stunden stehen die beiden Beuys-Kenner bereit, wollen auch junge Menschen erreichen und freuen sich über Anmeldungen unter edu@museum-wiesbaden.de oder telefonisch unter 0611-3352185. „Niemand muss schon etwas wissen oder vorbereiten. Die einzige Bedingung ist das bedingungslose Interesse aneinander und an dem, was geschieht“, so heißt es in der Einladung zur Intervention.

66 Stunden soll im Beuys-Raum des Museums über die Heilkräfte der Kunst geredet werden. Für das Gespräch mit Matthias Schenk und Gerhard Schuster gibt es Anmeldungen von Grundschulklassen bis hin zu Erwachsenen-Gruppen, heißt es aus dem Museum. Mit dieser Karte – Joseph Beuys vor der Düsseldorfer Akademie – wird für die Intervention geworben. (Foto: Axel Hinrich Murken)

Interventionen sind ja einige im Jahr des 100. Geburtstages von Beuys geplant. Wir haben hier in einem Gespräch mit Museumsdirektor Andreas Henning darüber berichtet. Dessen Wunsch: Bei den Interventionen im Haus und davor, im Omnibus für direkte Demokratie, sollte man – mit der jungen Generation, die viele Fragen hat – wieder ins gemeinsame Denken kommen. Die Beuys-Sammlung in Wiesbaden stammt von dem Medizinhistoriker und Kunsthistoriker Professor Axel Hinrich Murken, der zusammen mit dem Künstler der Frage nach den Heilkräften der Kunst nachging. Die Sammlung in Wiesbaden erhielt das Museum teils von ihm geschenkt, teils wurde sie vom Museum erworben.

Joseph Beuys, Blue Jeans mit getrockneten Fischen, 1970. Foto: Museum Wiesbaden / Ed Restle © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Eine „Neuheit“ zum Ausprobieren, indem man kurbelt, gibt es ab Mitte nächster Woche auf dem Museumsvorplatz: Eine permanente Installation wird aufgebaut, die anlässlich des 110. Geburtstags des „Monuments Man Captain Walter Ings Farmer“ geschaffen worden ist. Hier kann man mit Hilfe einer Handkurbel den Strom erzeugen, um mit sechs Audiotracks auf einer Hörstation die Geschichte der „Monuments Men and Women“ in Deutsch und Englisch zu hören. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Museum ja Central Collecting Point, zunächst geleitet von Walter Ings Farmer. Und dieser Collecting Point war ein wichtiger Anhaltspunkt für die US-amerikanischen Kunstschutzoffiziere. Die Hörstation, realisiert von Jürgen Czwienk, wurde übrigens auch mit finanzieller Unterstützung der Freunde des Museums Wiesbaden ermöglicht. Dies geschah im Rahmen eines Förderprogramms für drei Künstler und eine Künstlerin, über deren Arbeit Kustos Jörg Daur schon hier berichtet hat.


Jetzt gehen wir noch ein Stück weiter – zum Kranzplatz. Denn auch hier gibt es mit „tinyBE“ ein Projekt, mit dem das Museum Wiesbaden verwoben ist: Eine bewohnbare Skulptur aus Lehm ist im 3-D-Druck entstanden und nun eingeweiht worden, ein Ableger des Frankfurter Skulpturenparks „tinyBE“, wo in den Werken verschiedener Künstler Menschen übernachten können und zum Nachdenken über zukünftige Lebensweisen inspiriert werden sollen. So auch auf dem Kranzplatz!

Die Arbeit aus Lehm, „The House of Dust“ betitelt, ist eine Arbeit von Alison Knowles. Und hier haben wir die Verbindung zum Museum Wiesbaden: In ihm war die Künstlerin mit von der Partie, als 1962 Fluxus für internationales Aufsehen sorgte. Dass nun kurz vor dem Jubiläum der Performance-Kunst eine Alison Knowles-Skulptur, kuratiert von Cornelia Saalfrank und Katrin Lewinsky, in Wiesbaden die Augen auf sich zieht, das findet Jörg Daur großartig. „Gerade weil Fluxus erlebt werden muss und eben nicht nur historisch betrachtet werden darf“, so der Kustos für zeitgenössische Kunst und stellvertretende Direktor. Wieder bedeute Fluxus Aktion und Begegnung.

Noch im Entstehungsprozess: die Alison Knowles-Skulptur „The House of Dust“ auf dem Kranzplatz in Wiesbaden (Foto: Cornelia Saalfrank)

Auch das Land Hessen zeigt sich angetan von „tinyBE“, findet es wichtig, Fragen danach zu stellen, was in unserem Leben unverzichtbar und was nachhaltig ist. Vielleicht begibt sich ja jemand aus der Staatskanzlei für eine Nacht ins tiny-House? Sie kann hier gebucht werden.

Ach ja, auch gegenüber unseres Museums, im RheinMain CongressCenter, ging es zwei Tage lang um die Zukunft. Ein sogenannter Innenstadt-Gipfel interessierte natürlich auch im Museum. Stichwort Stadtzentren – ihre Angebote und die Erlebnisqualität. Internationale Experten wurden angekündigt. Da darf man gespannt sein, was für Wiesbaden dabei herauskommen kann. Eines steht fest: Das Museum ist eine feste Größe mit bestem Erlebnischarakter. Und: Im Herbst wird die ganze Stadt auf „Alles! 100 Jahre Jawlensky“ blicken und so einiges zusammen mit dem Museum an Überraschungen anbieten. Wir schauen gerne genau hin …

Ingeborg Salm-Boost

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