Unter Freunden

Die Gedanken fließen lassen …

Manchmal, liebe Freunde und Freundinnen des Museums, geschieht Seltsames: Während ich meine Gedanken ordne und Ihnen einiges aus dem Museum erzählen möchte, stört mich plötzlich die Überlegung, dass doch unbedingt auch noch ganz andere Dinge heute von mir erledigt werden müssten. Ist der Tag wieder zu kurz? Will ich wirklich alles gleichzeitig angehen? Wie schön, dass mein Blick in diesem Moment auf ein altes Kalenderkärtchen (von 2013!) mit vierblättrigem Kleeblatt fällt. Weiß der Himmel, warum es so griffbereit auf dem Schreibtisch liegt: „Zeit, die wir uns nehmen, ist Zeit, die uns etwas gibt“, heißt das Zitat. Es wird zwar – auf diesem Mini-Kalender – Goethe zugeordnet, und ich wollte schon sagen: „Recht hat der Mann, der uns vor dem Haus der Kunst und Natur immer wieder willkommen heißt.“ Aber beim Nachprüfen stoße ich auf einen österreichischen Aphoristiker namens Ernst Ferstl, dem der Spruch zugeschrieben wird. Auch gut, sage ich mir. Und deshalb lassen Sie mich nun ganz bei uns Freunden des Museums bleiben und die Gedanken fließen lassen. Mit Goethe vor der Tür …

Erst einmal in das Wiesbadener Jahr des Wassers, das unbedingt in die Natur und in die Kunst führen sollte. Schon seit Mitte April heißt es in der Natur-Abteilung „Vom Wert des Wassers. Alles im Fluss?“. Und man kann hier eine Wasser-Reise durch Zeit und Raum unternehmen. Wie eng Natur und Jugendstil zusammenhängen, ist kein Geheimnis. „Heilsbringer und Todesschlund“, mit diesem spannenden Thema ist nun die Sonderschau „Wasser im Jugendstil“ verknüpft – und in die kann man sich seit Donnerstag, 12. Mai, vertiefen. Das Schöne an diesem Datum war: Erstmals seit die Pandemie uns ausgebremst hat, haben wir die Förderkreis-Mitglieder wieder zur Preview einladen können. Sie wissen ja: Schon ab 17 Uhr in aller Ruhe die Ausstellung besuchen, sich davor oder danach beim Sekt mit Gleichgesinnten in der Alten Bibliothek und davor, in der Wandelhalle, austauschen … Ein gutes Gefühl, wieder zusammenzustehen. Und wie schön, wenn man gleich auf mehrere Neumitglieder stößt, sogar Gäste aus Mainz im Namen des Vorstands als neue Freunde des Wiesbadener Förderkreises begrüßen kann! Unter den gut gelaunten Besuchern des Sektempfangs auch das Ehepaar Tauchner, passionierte Jugendstil-Sammler, die eigens aus München angereist sind. Kurator Peter Forster ist die Freude ins Gesicht geschrieben, als er später seine ebenso tiefgreifende wie launige Einführung im voll besetzten Vortragssaal mit vielen Leihgebern und weiteren Ehrengästen hält. Keine Frage, dass auch Danielle Neess, die Witwe des großen Mäzens Ferdinand Wolfgang Neess, gekommen ist und herzlich begrüßt wird.

Blick in die Sonderschau „Wasser im Jugendstil – Heilsbringer und Todesschlund“ (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

„Im Jugendstil hat alles mit Wasser zu tun“, sagt Kustos Peter Forster nach der Eröffnung, erzählt vom aufwendigen, aber sehr erfolgreichen Zusammentragen der Exponate und von „wenig Vorbereitungszeit“. Ihm zur Seite stand, das möchte er hervorheben, das „Wasserteam“: Lea Schäfer (mittlerweile ins Museum Reinhard Ernst gewechselt), Valerie Ucke und Jana Dennhard waren bzw. sind hochmotiviert dabei. Valerie und Jana habe ich zwischen den Preview-Gästen getroffen, und sie versprechen mir, dass sie für die Freunde-Website einige interessante Aspekte über die Ausstellung zusammentragen werden.

Apropos Schreiben: Peter Forster darf mit Fug und Recht den umfangreichen Katalog zum Wasser im Jugendstil loben. Tolle Autoren, freut er sich, hätten eine Art Handbuch verfasst, das aktueller nicht sein könnte. Aber auch das Begleitheft zur Ausstellung gibt schon einen gründlich-unterhaltsamen Überblick. Sie merken schon, liebe Freunde und Freundinnen des Museums: Hier ließe sich noch vieles sagen, beispielsweise über Wiesbaden als Weltkurstad, oder über die gute Zusammenarbeit der Wiesbadener Ausstellungsmacher mit dem Bröhan-Museum für Jugendstil in Berlin, für Forster „die Speerspitze des Jugendstils“. Oder mit dem Landesmuseum Darmstadt: „Die Schwester hat uns erstmals mit Schmuck behängt“, drückt sich der Kurator poetisch aus.

Ein Werk, das in die Sonderschau „Wasser im Jugenstil“ integriert ist: Emilio Longoni, „Die Melodie des Flusses“, 1900/1903. Museum Wiesbaden, Sammlung F. W. Neess (Foto: Markus Bollen)

Aus unserer herausragenden Jugendstil-Dauerausstellung sind die „Melodie des Flusses“ von Emilio Longoni (Öl auf Leinwand) und eine Vase von Louis Chalon in das Untergeschoss zur Sonderschau „verlegt“. Und natürlich gibt es eine App, die die Interaktion nach oben gewährleistet. Ja und dann, haben Sie es vielleicht schon bemerkt, ist nun auch der Vortragsort ein Ort der Jugendstil-Sonderschau. Wer sich dorthin begibt, kann zu jeder Zeit in Claude Debussys „La Mer“ eintauchen, in einer Inszenierung von Daniel Barenboim mit dem West-Eastern Divan Orchestra!

Ein weiterer Gedanke: Sie haben vielleicht gelesen, dass dank Danielle Neess und der Musik-Professorin, Pianistin und Flötistin Cordula Hacke vom 23. bis 26. Juni erstmals ein Internationaler Flötenwettbewerb im Museum Wiesbaden stattfinden wird – zur Musik der Jugendstilzeit. 55 Bewerbungen sind nun eingegangen. Ferdinand Wolfgang Neess, dessen zweite Leidenschaft der Musik und vor allem dem Flötenspiel gehörte, ist der Wettbewerb gewidmet, der in Wiesbaden etabliert werden soll. In Kürze können Sie auf dieser Website weiteres über die Premiere erfahren. Und auch dieses Musikerlebnis ist wieder ein wunderbarer Grund, zusammenzukommen.

Eine kleine Zusammenkunft unter Freunden fand kürzlich auch unter den Arkaden des Fischer-Baus statt. Endlich konnten wir die PreisträgerInnen unseres Rätsels „NovemberFlash“ willkommen heißen, mit ihnen auf ihren Erfolg anstoßen und über ihre ganz besonderen Preise sprechen. Mitten unten den Gewinnern und Gewinnerinnen freute sich Sammler und Museumsfreund Frank Brabant über den kleinen Empfang mit guten Gesprächen. So konnte der Mann, der dem Wiesbadener Haus seine Schätze zur Hälfte vermacht hat, auch die Freundin kennenlernen, die mit einer weiteren Person seine Sammlung zu Hause besichtigen darf.

Große Freude über den noch verpackten Preis: Pia Fischer, Gewinnerin der signierten und limitierten iPad-Zeichnung „Frau mit Fächer (nach Alexej von Jawlensky, 1912)“ des Otto-Ritschl-Preisträgers Slawomir Elsners. Die exklusive Edition (Auflage 25, Größe A4) hat der Künstler im Rahmen der Schau „Präzision und Unschärfe“ fertiggestellt. (Foto: Josh Schlasius)

Meine Gedanken gehen noch ein wenig weiter zurück: In die Jawlensky-Ausstellung, die „Alles“ verspricht – und die man sich ruhig mehrmals anschauen kann. Hierhin fanden beispielsweise auch Mitglieder des Städel-Vereins den Weg, keine Frage, dass unser Förderkreis sie gerne im Museum Wiesbaden begrüßte. Unbedingt wiederkommen möchte die Overstolzengesellschaft, Freunde des Museums für Angewandte Kunst Köln. Es gibt sie schon seit 1888! Auch mit ihnen war es bereichernd, sich zu unterhalten und sie – fachlich begleitet – mit unserer Jugendstil-Sammlung von Ferdinand Wolfgang Neess ebenso bekannt zu machen wie mit dem großen Repertoire an Jawlensky-Werken, die dem Museum Wiesbaden gehören.

Beeindruckt vom Jugendstil in Wiesbaden: Besuch der Overstolzengesellschaft Köln (Foto: Ingeborg Salm-Boost)

Wir sprachen über Zeit – Zeit, die man sich nehmen sollte. Und manchmal denkt man erstaunt, wie schnell sie vergeht. Das mögen auch die Diplom-Designer Thilo von Debschitz und Laurenz Nielbock gedacht haben, als sie kürzlich das 25-jährige Bestehen ihrer erfolgreichen Kreativagentur Q feierten. Sie befassen sich viel mit Kunst, Bildung und Kultur, sind Spezialisten für Kreativkampagnen, Logos und Erscheinungsbilder. Auch für den Förderkreis des Museums sind sie das Experten-Team, das die Inhalte der Freunde-Website in ein ansprechendes Design bringt. Immer ansprechbar für uns ist Thilo von Debschitz, auch ein Freund des Museums Wiesbaden. Eine schöne Zeitreise haben die beiden Chefs kürzlich unternommen, als ihnen von IHK-Hauptgeschäftsführerin Sabine Meder die Urkunde zum Jubiläum überreicht wurde: Nicht in der IHK, auch nicht im eindrucksvollen Domizil in der Wiesbadener Walkmühle – wohin die Agentur Q 2019 aus der Sonnenberger Straße umgezogen ist – mochten sie das Dokument entgegennehmen. Man traf sich bei einem anderen Mitglied der Freunde des Museums: In der Wohnung von Cornelia Luetkens. Denn genau dort, in diesen Räumen, hatte die Agentur vor 25 Jahren einen guten Start hingelegt. Die ehemalige Vermieterin, Cornelia Luetkens, kann sich noch gut daran erinnern …

Die Zeit vergeht …Thilo von Debschitz (links) und Laurenz Nielbock mit IHK-Hauptgeschäftsführerin Sabine Meder dort, wo alles begann. (Foto: Tanja Nitzke)

Am Ende meiner Gedanken-Kette möchte ich nun noch ein Wort zum auf dieser Website vorgestellten Projekt „Wiesbaden hält inne“ verlieren. Das Innehalten im Museum, im Oktogon mit der Spiegelinstallation von Rebecca Horn, war gewiss ein Highlight in der „Woche der Stille“. Ebenso wie das Dinner im Schweigen – mit Poesie. Ob viele Besucher und Besucherinnen der Ausstellungen zwölf Minuten statt vier Sekunden ein Werk betrachtet haben, wozu Direktor Andreas Henning einlud, das wissen wir nicht so genau. Keine Frage aber: Das Museum ist nicht zuletzt ein Ort zum Innehalten – vor der Kunst und vor der Natur. Hier passt doch recht gut wieder der Satz: „Zeit, die wir uns nehmen, ist Zeit, die uns etwas gibt.“

Ingeborg Salm-Boost

Innehalten im Museum: Das Oktogon als Ort der Meditation während der „Woche der Stille“ (Foto: Elke Fuchs)

 

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