Unter Freunden

In Rosen versunken

Geht Ihnen auch das Herz auf, wenn Sie Rosen in voller Blüte anschauen, liebe Freunde und Freundinnen des Museums? Wie schön, dass Kustos Peter Forster, als ich ihn recht kurzfristig nach einem Bildmotiv anlässlich der Pfingstfeiertage fragte, „Die Seele der Rose“ empfahl und mir dazu die Abbildung schickte! Zur Sammlung Neess gehört diese Arbeit von Pierre Bonnaud, Emaille auf Kupfer, Kopie des Werks „The Soul of the Rose“, das John William Waterhouse 1908 schuf. Eine junge Frau, völlig in sich gekehrt, erfreut sich am Duft einer Rose. Dazu dieser ganz besondere Name. Zurzeit ist das Bild leider nicht ausgestellt, aber wir dürfen uns jetzt schon auf die Präsentation freuen. Warum nicht einmal darüber nachdenken, welche Rosen-Bilder im eigenen Kopf abrufbereit sind, frage ich mich. Und schon entstehen Bilder vor meinen Augen …

Betörende Rosen: Zur Sammlung Ferdinand Wolfgang Neess gehört diese Arbeit von Pierre Bonnaud, Emaille auf Kupfer. Kopie nach dem Ölgemälde „The Soul of the Rose“, 1908, von John William Waterhouse. (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Meine Gedanken gehen in die Kindheit, und zunächst zur Pfingstrose. Die duftenden Blütenbätter streute ich als kleines Mädchen bei der Fronleichnamsprozession vor den Altar, der im Freien, vor meiner Schule, aufgebaut war. Ich trug sie in einem Korb mit mir – die sehr gläubige Oma hatte es mich so gelehrt. Sie erklärte mir auch: Rosenblätter, die vom Himmel fallen, sollen die Ankunft des heiligen Geistes körperlich erlebbar machen … In der Tat: Im Pantheon in Rom regnen an Pfingsten zum Ende des Gottesdienstes zwar keine Pfingstrosen, aber Abertausende rote Rosen-Blütenblätter von der Kuppel herab – durch eine neun Meter breite Öffnung! Seit mehr als 20 Jahren gibt es wieder dieses Spektakel, das aus den ersten Jahrhunderten des Christentums stammen soll.

Noch einmal zur Pfingstrose (lat. Paeonia): Leider, die Exemplare, die seit acht Tagen in unserer Wohnung duften, lassen recht schnell, zu schnell, die Blütenblätter fallen. Aber es macht nichts, ich sammle sie auf und lege sie für eine Weile in einen Korb – so wie damals, mit der Oma. Sie verbreiten noch einen angenehmen Duft.

Und der Rosenstrauch, einer, wie auf der Abbildung von Waterhouse/Bonnaud, was löst diese Darstellung aus? Den Rosenstrauch verbinde ich ganz selbstverständlich zunächst einmal mit meinem verstorbenen Vater. Er war ein großer Blumenfreund und talentierter Hobbygärtner. Ganz besonders liebte er seine Rosen. Er hegte und pflegte sie mit Hingabe. Die Familie begegnete ihm und den Ergebnissen seiner Rosenzucht mit gebührender Bewunderung. Es gibt einen Ort, wo ein Strauch aus jener Zeit nach Jahrzehnten immer wieder in Blüte steht – obwohl ihm kaum Pflege zuteil wird. Die Seele der Rose lebt weiter …

Ach ja, auch heute, auf unseren Balkonen, zeigen sich die Rosen, ob gelb, rot oder weiß, meist von ihrer besten Seite. Das liegt nicht an mir, ein Glück, dass mein Mann – ganz wie mein Vater einst – ein großer Pflanzen- und natürlich auch Rosen-Freund mit Talent zur richtigen Pflege ist. Übrigens, einer unserer Rosenstöcke – in Rot – hat einen wunderbaren Namen: Ingrid Bergmann. Und so wird die Pflanze auch stets genannt: Hat Ingrid Bergmann vielleicht Durst? Braucht sie mal eine besondere Nahrung? Bewunderung ist ihr natürlich gewiss!

„Wilder Rosenstrauch“: Dieses Werk von Louis Eysen ist ein Lieblingsbild unseres Kuratoriumsmitglieds Jan Baechle, der uns viele Jahre mit seinen Depotfrühschoppen im Museum erfreute. (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Keine Frage, in der Kunst treffen wir sie immer wieder, die Rose, auch unser Jawlensky hat sie gemalt, etwa die „Rose in blauer Vase“. Freunde-Kuratoriumsmitglied Jan Baechle, der dem Museum seine Sammlung vermacht hat, verriet einmal in einem Interview, dass „Wilder Rosenstrauch“ des Landschafts- und Porträtmalers Louis Eysen (1843 bis 1899) eines seiner Lieblingsmotive ist. Warum das so ist, erfahren wir in seinem Beitrag zur Serie „Aktion Sehnsuchtsobjekt“.

Jan Baechle hatte auch einmal bei einem seiner beliebten Depotfrühschoppen über Dora Hitz (1856 bis 1924) gesprochen. Ihr Werk „In den Rosen“, das unserem Museum gehört, ist wiederum für Provenienzforscherin Miriam Merz eines der schönsten Sommerbilder, eines ihrer „Herzensprojekte“. Es zeigt eine junge Frau inmitten eines Rosenstrauchs, „versunken in den Duft und in die Schönheit der Rosen“, so beschreibt es Miriam Merz in einem Interview unserer Serie „Gesichter des Museums“ für die Freunde-Website. Auch mit diesem Bild hat sich die Provenienzforscherin intensiv beschäftigt.

„In den Rosen“: Auch das Werk von Dora Hitz zeigt eine junge Frau, die sich an Duft und Schönheit der Rosen erfreut. (Foto: Museum Wiesbaden)

Unzählige Stillleben sind der Rose gewidmet, der Blume, die Symbolkraft für Liebe und Schmerz hat. Und auch ein berühmter Komiker hat die Rose in seinem Bilder-Repertoire: Otto Waalkes, durchaus sehr aktiv als Maler (der in jungen Jahren Kunstpädagogik studierte). Die Arbeit zeigt zwei seiner „Ottifanten“, sie halten gemeinsam einen Rosenstrauß in ihren Rüsseln. Otto nennt das Bild „La vie en Rose“ …

Und dann die zahlreichen Gedichte, die ihr gewidmet sind. Ob Goethe, Rilke, Brentano oder auch Nietzsche, wer googelt, kann in Rosengedichten versinken. Man mag unwillkürlich auch an Gertrude Steins Satz (aus dem Gedicht „Sacred Emily“, 1913) denken: „Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose“. Gertrude Stein gehörte zu den Kultfiguren der Kunst- und Literaturszene ihrer Zeit, lese ich über sie, und dass sie mit ihrem durch ständige Wortwiederholungen geprägten Stil den Kubismus der abstrakten Malerei in die Literatur übersetzen wollte … Aha, das wusste ich nicht so genau. Muss man jetzt nicht vertiefen. Immerhin, wir sind wieder bei der Malerei angekommen. Und ich schaue auf das Bild „Die Seele der Rose“, freue mich darauf, ihr bald einmal zu begegnen.

Ingeborg Salm-Boost

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