Unter Freunden

Auf gute Nachbarschaft

Ein „Glücksfall für Wiesbaden, wie es ihn höchstens alle hundert Jahre gibt“, so sagte es Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende schon im Sommer 2019 anlässlich des Baubeginns. Auch unten den Freunden des Museums Wiesbaden ist das Interesse am imposanten „Nachbarhaus“ und seinem Inhalt groß. Keine Frage, dass der Förderkreis zeitnah, für Juli, Führungen für seine Mitglieder gebucht hat. Im Nu waren sie ausgebucht.

„Farbe ist alles“, so der schöne Titel der ersten Ausstellung aus der Sammlung Reinhard Ernst, die mittlerweile mehr als eintausend Werke abstrakter Kunst (aus Japan, Nordamerika und Europa) umfasst. In der Eröffnungsschau werden 60 Werke gezeigt, darunter viele große Formate. Dazu die erste Sonderausstellung über das Schaffen des japanischen Pritzker-Preisträgers Fumihiko Maki, der nunmehr zehn Museen entworfen hat. Er gestaltete für die Reinhard und Sonja Ernst-Stiftung nach dem Tsunami in Japan auch ein Haus der Hoffnung, das heute noch als Begegnungszentrum genutzt wird. Traurig stimmt den Bauherrn und Freund des großen Architekten, dass dieser Anfang Juni im Alter von 95 Jahren verstorben ist. Bis zuletzt war er mit ihm in telefonischem Kontakt geblieben. „Für eine menschliche Architektur“, so ist die Schau zum Schaffen Makis betitelt.

Nun freuen sie sich auf die Besucher: Reinhard Ernst und Oliver Kornhoff im mre (Foto: Tanja Nitzke)

Viel Interessantes und neugierig Machendes war in den vergangenen Wochen über das mre mit Blick auf den Ziellauf in den Medien zu lesen, beispielsweise im Wiesbadener Kurier. So auch über die Eröffnungsgala, während der Sonja und Reinhard Ernst von Ministerpräsident Boris Rhein mit dem Bundesverdienstkreuz überrascht wurden. Die Stiftung des Ehepaares hat bedeutende soziale Projekte verwirklicht; ein weiteres – eine Seniorenresidenz – ist in Planung. Unter den Gästen des Abends befanden sich auch KünstlerInnen, deren Werke im mre vertreten sind – beispielsweise Katharina Grosse. Ein Hörtipp noch an dieser Stelle: Hier können Sie eine Folge der „Blauen Stunde“ von Radio Rheinwelle hören, in der auf Einladung unseres Freunde-Mitglieds Dr. Jutta Szostak kürzlich Reinhard Ernst zusammen mit dem Architekten Peter Gresser zu Gast war. Gresser lenkt dabei den Blick auf die Arbeitsweise des japanischen Architekten, den er in der 1980er Jahren einmal in seinem Büro begrüßen durfte; er spricht im Interview mit Jutta Szostak über die „östlich-westliche Symbiose“ und wie Maki in seinem Gebäude an der Rue die „Nahtstelle von Raum- und Gartenstadt verarbeitet hat“. Reinhard Ernst berichtet von seiner Liebe zur abstrakten Kunst und dem Aufbau der Sammlung, auch davon, wie er die jungen Menschen an Kunst mit Hilfe von Elektronik heranführen will. Und er blickt zurück auf die Planungs- und Baujahre mit all ihren Stolpersteinen, erklärt, warum der Museumsbau eine „Hommage an das Umfeld“ ist. Beide übrigens, Reinhard Ernst und Peter Gresser, sind Mitglieder des Förderkreises. Der Mann mit dem eigenen Museum will dies auch bleiben, so sagte er es schon in einem der drei Interviews mit ihm, die man hier auf unserer Website findet: Interview 1 (8. Oktober 2017), Interview 2 (23. August 2019) und Interview 3 (15. September 2020).

„Hinreißendes Farbenmeer“: „Argonaut“, ein raumgreifendes Werk von Friedel Dzubas © Estate of Friedel Dzubas/VG Bild-Kunst, Bonn 2024 (Foto: Sascha Kopp)

Ein kurzer Blick zurück: Ich erinnere mich an erste persönliche Eindrücke bei einem Rundgang und Gespräch mit Museumsdirektor Dr. Oliver Kornhoff vor einigen Wochen, als die Hängung in vollem Gange war. Wir bleiben bei einem unglaublich farbintensiven Großgemälde stehen. „Das ist mein Lieblingsbild“, sagt Oliver Kornhoff. „Dieses hinreißende Farbenmeer, dieses Azurblau …“ gerät der Direktor ins Schwärmen über das Werk. Die Faszination ist sehr gut nachvollziehbar. Ein Bild von Friedel Dzubas mit dem Namen „Argonaut“ (1983), eine Arbeit, die mehr als sieben Meter Breite misst. Oliver Kornhoff, der auch Gründungsdirektor des Arp-Museums (Rolandseck) war, wirkt zufrieden so kurz vor dem Start. „Museum ist und bleibt ein Marathon, der natürlich lange vor der Eröffnung begonnen hat“, sagt er. „Und immer wieder Staunen. Staunen, dass unsere Pläne so gut funktionieren, Staunen, wie jedes Kunstwerk in den Räumen den genau richtigen Platz erhält, Freude über die Website, die weiteren Publikationen …“ Ein zufriedener Blick auf das Shop-Sortiment, alles genau abgestimmt … Und so hat es Perfektionist Ernst immer wieder in den Gesprächen für unsere Freunde-Website gesagt: „Jedes Detail ist wichtig.“

Einbringung der Glasarbeit von Katharina Grosse (Foto Anika Dekubanowski)

Als wir durchs Gebäude schlendern, kommt trotz aller Geschäftigkeit auf jeder Ebene eine besondere Stimmung auf: Wie schön, von so viel Kunst umgeben zu sein. Blick auf die Glasarbeit von Katharina Grosse, „sie führt zu unserem Farblabor“, sagt Oliver Kornhoff. Es ist das erste Glaskunstwerk von Grosse. „Die Glaswand zeigt bestmöglich die unerschöpfliche Vielfalt der Malerei“. Die Arbeit einer Künstlerin, die ja auch in unserem Museum mit einer raumgreifenden Installation „Sieben Stunden, Acht Stimmen, Drei Bäume“ vertreten ist – für manche immer wieder Anziehungspunkt, für andere eher ein Rätsel. Und so einige von den Freunde-Mitgliedern werden sich sicherlich gern an den Förderkreis-Ausflug zu den Derix-Glasstudios in Taunusstein erinnern, dort nämlich ist das Grosse-Kunstwerk ebenso entstanden wie eine Arbeit des Wiesbadener Künstlers Karl-Martin Hartmann, die er fürs mre geschaffen hat. Freude löst die (Wieder-)Begegnung mit wunderbaren Frank-Stella-Reliefs aus der Moby Dick-Serie (alles ist Farbe!).

Drei Arbeiten Frank Stellas ist ein Raum gewidmet. Hier das Relief „The Chase – Second Day“ von 1989 aus der Moby-Dick-Serie, VG Bild-Kunst 2024, Bonn

Ich denke zurück an die große Ausstellung, die im Museum Wiesbaden dem mittlerweile verstorbenen Künstler gewidmet war und zu der auch eine Leihgabe aus der Sammlung Ernst gehörte. K.O Goetz, ein dem Museumserbauer sehr wichtiger Künstler, gibt es hier wie da. Die „Chromatischen Scheiben“ von Ernst Wilhelm Nay erinnern, dass dieser auch im Museum Wiesbaden zu Hause ist. Man begegnet Eduardo Chillida, dessen Skulpturen noch 2018 in unserem Museum in einer beeindruckenden Ausstellung gezeigt wurden. Aber auch Werke wie die von Reinhard Ernsts Lieblingskünstlerin Helen Frankentaler, über die er so viel zu erzählen weiß, ziehen mächtig an. Die Förderkreis-Freunde werden sicher „nebenan“ ihren eigenen Favoriten finden, so wie sie ihn ganz bestimmt auch im Museum Wiesbaden haben.

Ingeborg Salm-Boost

PS: Beim Besuch des mre erhalten Mitglieder des Förderkreises bei Vorlage ihres gültigen Mitgliedsausweises den ermäßigten Eintrittspreis. Auf unserer Website finden Sie neben den drei Interviews mit Reinhard Ernst hier auch ein Gespräch mit Oliver Kornhoff.

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