Von Bienen und Menschen
Honig für die Götter und Bienen für den Kaiser – Volkskunde und Natur in der großen Jubiläumsausstellung
Legenden, Mythen, Metaphern, Allegorien – kaum ein anderes Tier vereint so viele Geschichten wie die Biene. Sofort fällt mir „das Land, in dem Milch und Honig fließen“ ein. Eine Verheißung aus der Bibel für all jene, die sich auf der Suche nach dem gelobten Land machen, ein Ort des Überflusses. Honig war in der Antike ein Zeichen für Wohlstand und das Versprechen einer besseren Zukunft. Oder wie war das mit dem Jupiterknaben, der mit Milch und Honig aufgezogen wurde? Und dann gibt es noch jene Überlieferung aus dem alten Ägypten, wo Honig nicht nur zum Süßen von Speisen, sondern auch als Opfergabe an die Pharaonen diente.
Bienen wurden als heilige Tiere verehrt. Vor einigen tausend Jahren war die Imkerei im Land am Nil fest verwurzelt. Nicht nur im Tempel, sondern auch im Haushalt reicher Familien gab es schon Bienenstöcke und im Museum Wiesbaden gibt es dazu eine wunderbare Darstellung: Auf einer flachen Nilbarke zieht ein Wanderimker mit Bienenstöcken nachts zu neuen Feldern. Mit dem Bienenvolk sollte die Fruchtbarkeit auf den Feldern gesteigert werden.

Die Geschichte ist reich an Erzählungen zur Biene, zu Bienenvölkern und ihren magischen Produkten. In der großen Jubiläumsausstellung „Honiggelb. Die Biene in Kunst und Natur“ werden zahlreiche Gemälde, Zeichnungen, Stiche und Skulpturen von der Renaissance bis heute gezeigt. Daneben widmen sich Teil 2 und 3 der Volkskunde und der Natur.

Ohne Bienenwachs hätte es keine Bronzezeit gegeben. Denn mit Hilfe des Wachsausschmelzverfahrens konnten die ersten Speere und Lanzen gegossen werden. Der Bronzeguss verbesserte das tägliche Leben wie etwa die Jagd, die Zubereitung und Aufbewahrung von Essen in Metallbehältern. Wie dunkel wären vergangene Jahrhunderte ohne Wachs gewesen. Kerzen sorgten für Licht, waren aber auch wichtig in der katholischen Kirche. Schon immer riefen Hilfe suchende Menschen überirdische Mächte an, denen sie, um ihrem Begehr Nachdruck zu verleihen, Opfer darbrachten. Besonders im katholisch geprägten Süddeutschland wurden vom 16. bis zum 18. Jahrhundert in Wallfahrtskirchen Votivgaben aus Wachs geopfert, um sich selbst, die Familie, Haus und Hof, aber auch das Vieh im Stall der Obhut von Fürsprechern anzuvertrauen. Aber auch, um für Gebetserhörungen in Krankheit, Not und Gefahr zu danken. Erhalten sind bis heute Votivgaben, die etwas mit der Notsituation zu tun haben – bei Beinleiden ein Bein, bei Unterleibsbeschwerden eine Kröte, bei Augenleiden ein Auge.
Und dann gibt es noch die Biene als Wappentier. Napoleon Bonaparte berief sich auf dieses Insekt ganz bewusst, steht es doch als Symbol für Unsterblichkeit und Auferstehung. Da der Kaiser keine namhafte Familientradition vorzuweisen hatte, nur aus korsischen Kleinadel stammte, wählte er kurzerhand die Merowinger als seine Ahnen aus. Und da man im Grab des fränkischen Königs Childerich, dem Begründer der Merowinger Dynastie, 300 goldene Bienen gefunden hatte, schmückte Napoleon das rote Samtornat, das er zur Krönung trug, mit goldenen Bienen.
Das Museum Wiesbaden besitzt seit seiner Gründung am 1.April 1825 eine der weltweit wichtigsten Insektensammlungen, sagt Museumsdirektor Dr. Andreas Henning. Nassau erwarb die Bestände der Naturkunde und der Kunst damals von Johann Isaak von Gerning aus Frankfurt. Darunter auch Präparate von Bienen, die bis heute zu den Schätzen des Hauses gehören.

In großen Kästen sitzen die Insekten nebeneinander in Reih und Glied. Rund 600 Arten von Waldbienen soll es in Deutschland geben. Weltweit? Wer weiß es? Bienen zählen, so Kurator Fritz Geller-Grimm, zur Spezies der Hautflügler. Und man sollte immer schön die Flügel zählen: 4 Flügel und ein Stachel bedeuten Vorsicht Honigbiene, 2 Flügel dagegen harmlose Schwebfliege. In der Ausstellung gibt es ein wunderbares Modell einer Arbeitsbiene, wir erfahren wie Karl von Frisch im letzten Jahrhundert den Bienentanz enträtselte und auch wie sich ein Bienenstaat organisiert.

Und nicht zuletzt ist die Geschichte der Bienenhaltung Thema in der Naturkunde, sie ist weit über 10.000 Jahre alt. Für den Menschen von immens großer Bedeutung war von jeher die Imkerei, sie soll seit gut 7000 Jahre existieren. So gibt es bis heute zum einen das honey hunting, bei dem der Honig von Wildbienen gesammelt wird. Parallel dazu aber wurden schon früh in vielen Kulturen in Südamerika, Asien und Afrika Bienenstöcke aufgestellt. Die Ansiedlung von Bienen in künstlichen Behausungen – aus Weidengeflecht, Ton oder Holz – vereinfachte das Gewinnen von Honig. Die ältesten Funde von Bienenbeutel sind 5000 Jahre alt. Honig war bis zum Anbau von Zuckerrohr das einzige Süssungsmittel. Schon in den Grabkammern am Glauberg fanden die Archäologen Reste von Met und Honig.

Die Biene ist ein Insekt mit vielfältigen Talenten und ihre Produkte – ob Gift oder heilbringende Medizin, ob Wachs oder Nektar als Göttertrank – wurden schon immer von den Menschen hochgeschätzt. Doch wie das in der Geschichte oft so ist, unterlagen die Menschen lange Zeit dem Irrglauben, die Biene sei männlich. Von der Antike bis ins 17. Jahrhundert gab es den Mythos vom Bienenkönig, erst dann wurde als Herrscherin des Staates die Bienenkönigin akzeptiert.

Bienen und Menschen, das ist seit 14.000 Jahren die älteste Tier-Mensch-Beziehung, die wir kennen. Und die wir pflegen sollten. Egal ob als Bienenstock auf dem Dach des Museums Wiesbaden, ob durch Wildblumenwiesen oder durch Wertschätzung des Bienenstaates als Idealorganismus. Die Wiesbadener Jubiläumsausstellung zeigt warum.
Martina Caroline Conrad