Wandel
Neuer Themenraum ist auch Hommage an Maria Sibylla Merian
Das Museum Wiesbaden eröffnete passend zu seinem Jubiläum, das unter dem Motto „200 Jahre im Wandel“ steht, einen neuen Themenraum in der „Ästhetik der Natur“. Die Natur unterliegt ständiger Veränderung, dem Wechsel von Zerstörung, Erneuerung und Umwandlung. Vom kleinen Schmetterling, der in seinem Leben eine Verwandlung von der Raupe zum Falter durchläuft bis zu den gewaltigen geologischen Prozessen, die die Erde formen – alles unterliegt einem unaufhörlichen Wandel. Die Ausstellung lädt ein, die unterschiedlichen Aspekte dieser Veränderungen zu entdecken und ihre Triebkräfte und Dynamiken zu verstehen.
Schon von der Pforte lockt der interaktive Globus in den neuen Themenraum Wandel. Hier kann in der Zeit gereist werden, um beispielsweise die Wanderung der Kontinente zu verfolgen oder die Erwärmung der Erde über die letzten 150 Jahre nachzuvollziehen und darüber hinaus einen Blick in die Zukunft zu werfen. So werden zum Beispiel Einblicke in den Klimawandel möglich, die sich sonst nur schwer museal vermitteln lassen. Der menschliche Fußabdruck auf der Erde ist gewaltig und es gibt so gut wie keine Lebensräume mehr, die nicht vom Menschen beeinflusst sind. Oft sind wir uns dessen nicht bewusst und ein Blick von „außen“ auf die Welt hilft beim Verstehen. Aber die Weltsicht als solche hat sich verändert und historische Karten zeigen die Vorstellungen frührer Zeit.

Einen Schwerpunkt legt die Ausstellung allerdings auf die Metamorphose der Insekten und Amphibien – auf den Wandel in der belebten Natur. Mit den Fröschen und Schmetterlingen werden die prominentesten Vertreter vorgestellt, die eine Metamorphose durchlaufen. Aber auch die weniger bekannte Eintagsfliege, von welcher ein vergrößertes Modell beim Übergang von der wassergebundenen Lebensweise der Larve hin zu einem Leben in der Luft als erwachsenes Tier dargestellt ist, findet ihren Platz in der Ausstellung. Aber welchen Vorteil bringt eine solch aufwändige Umwandlung? Sie liegt in der Vermeidung innerartlicher Konkurrenz, da sich die Larve und das adulte Tier nicht nur in ihrer Lebensweise, sondern auch in ihren Lebensräumen unterscheiden.

Der Themenraum „Wandel“ stellt – wie die anderen Themenräume auch – Bezüge zwischen Kunst und Natur her. Er ist auch eine Hommage an die Naturforscherin und Künstlerin Maria Sybilla Merian. Merian widmete sich am Ende des 17. Jahrhunderts der Erforschung der Metamorphose der Schmetterlinge. Die BesucherInnen können unter anderem einen Morpho-Falter aus der Merian-Sammlung bewundern, der ihr als Vorlage in ihrem Werk „Metamorphosis insectorum Surinamensium“ diente. Neben originalen Sammlungsstücken werden dreidimensionale Nachbauten – sogenannte Dioramen –, die in der Machart Merians Kupferstichen nachempfunden sind, präsentiert. Die Dioramen wurden vom Präparatorenteam bestehendend aus Susann Steinmetzger und Felix Richter mit viel Liebe zum Detail hergestellt. So finden sich auf der jeweiligen Futterpflanze nicht nur Ei, Raupe, Puppe und Schmetterling, sondern gelegentlich auch ein entsprechender Parasit. Diese zentralen biologischen Zusammenhänge sind es, die Merian zu einer Pionierin der Biologie gemacht haben. Sie beobachtete genau und stellte das präzise dar. So konnte sie erkennen, dass sich Schmetterlingsraupen in Puppen verwandeln, aus denen dann die Falter schlüpfen. Was uns heute selbstverständlich erscheint, galt zu Merians Zeiten als undenkbar, dachte man doch, Insekten und anderes Gewürm entstehe aus unbelebtem Schlamm und sei zudem sowieso Teufelszeug. Ihre Reise nach Surinam im Jahr 1699 – allein mit ihrer Tochter und selbst finanziert – zeigt ihren Willen und Pioniergeist, von welchem auch ihre Kupferstiche und ihre Sammlungsstücke zeugen. Letztere haben einzig im Museum Wiesbaden die Zeit bis heute überdauert und können als wahre Schätze der Wissenschaftsgeschichte angesehen werden.

Thematisch spannt die Ausstellung einen größeren Bogen, indem auch dem Wandel in der unbelebten Natur nachgespürt wird. Gesteine und Minerale stehen auf den ersten Blick nicht im Zusammenhang mit dem Wandel, doch das Sprichwort „Steter Tropfen höhlt den Stein“ lässt ahnen, dass auch hier der Wandel in Anbetracht der Zeit die Oberhand behält. So wird der Ausstellung nicht nur der Kreislauf der Gesteine behandelt, sondern auch die historische Mineraliensammlung des Museums dauerhaft dem Publikum vorgestellt. Dabei sei noch erwähnt, dass diese nach einem System aufgestellt ist, das der hessische Prof. Dr. Reinhard Brauns 1903 ersann. Ihm war die Vermittlung der sehr komplizierten Materie der Mineralklassifizierung ein großes Anliegen. So können auch Laien etwas sehen und verstehen – wie die Kristallformen.

Und schließlich wird der Mensch selbst in dem Mittelpunkt gerückt. Denn die Entdeckungen von Elektrizität und Radioaktivitäten und deren anschließende Nutzung veränderten nicht nur unser Leben radikal, sondern auch unseren Blick auf die Welt. So möchte der Themenraum „Wandel“ nach der Außenschau in die belebte und unbelebte Natur, die BesucherIinnen einladen, einen kritischen Blick auf unsere Zeit und nicht zuletzt auf uns selbst zu wagen.
Das Team der Bildung und Vermittlung bietet ein vielfältiges Programm für Kinder mit zahlreichen Möglichkeiten zum aktiven Erkunden an – etwa beim Mikroskopieren von Schmetterlingen. Ein Basteltisch, an welchem eigene Kristallstrukturen aus geometrischen Formen geschaffen werden können, richtet sich besonders an das junge Publikum und wird bereits rege genutzt.
Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Katriina Ott und Hannes Lerp
Zu den Personen
Katriina Ott ist kuratorische Assistentin in den Naturhistorischen Sammlungen und hat den Aufbau des Themenraums Wandel umfassend unterstützt.
Dr. Hannes Lerp ist Leiter der Naturhistorischen Sammlungen und Kurator des „Wandels“.