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Ricarda Peters: Immer weiter machen

Die ältere Dame mit dem langen, gepflegten Haar und dem ganz besonderen, ihr auf den Leib geschnittenen Kleidungsstil ist im Museum Wiesbaden zuhause. Stets bewegt sie sich sehr leise und sehr aufmerksam in Kunst oder Natur, ist eine aufmerksame Zuhörerin bei den Veranstaltungen des Förderkreises. Ricarda Peters (85) freut sich über den Austausch unter den Freunden – auch wenn er in dieser Pandemie-Zeit nicht so häufig stattfinden kann. Spannend ist es, mit der Malerin über ihre Kunst zu sprechen.


Ricarda Peters inmitten ihrer Kunst, die zwischen 2002 und 2019 entstanden ist. Einen „Bilderteppich“ hatte sie für acht Tage im Kunsthaus ausgelegt. (Foto: Ingeborg Salm-Boost)

Ricarda, Du bist Wiesbadenerin, warst Du schon als Kind im Museum?

Oh ja, als Elfjährige sah ich nach dem Krieg die Nofretete im Museum Wiesbaden. Hier war ja der Central Collecting Point. Sie stand auf einem Sockel, und man konnte ganz dicht ran. Ich erinnere mich auch, wie ich bei diesem Besuch mit unserem Kunstlehrer, Herrn Wurm, vor Leda mit dem Schwan stand und ihn fragte: „Was macht der Schwan mit der Leda?“ Da lief mein Lehrer rot an. Und wir wurden in einen anderen Raum zu gotischen Madonnen geführt.

Seit wann bist Du im Förderkreis – und wie kamst Du auf die Idee, beizutreten?

Als eine Eva Hesse-Ausstellung stattfand. Ich glaube, das war 2002. Freunde hatten mich darauf aufmerksam gemacht und regten an, dass ich doch auch Freundin des Museums werden könnte.

Erinnerst Du Dich an eine Ausstellung in den früheren Jahren des Freunde-Vereins, die Du ganz besonders gelungen fandest?

Eben diese Eva Hesse-Schau. Und 2013 Ellsworth Kelly. Das war eine Anregung für mich, einen Schwarz-Weiß-Zyklus zu beginnen. Die Arbeiten wurden damals in der Deutschen Bank ausgestellt. Auch die Retrospektive Antonio Saura 2013 hat mir gefallen.

Welche Schau hat Dich in jüngerer Zeit beeindruckt?

Das waren vergangenes Jahr die Arbeiten von Eduardo Chillida in der Ausstellung „Architekt der Leere“ aus unserer Wiesbadener Partnerstadt San Sebastian.

Gibt es ein Werk oder mehrere Werke, die Dich immer wieder im Museum Wiesbaden anziehen?

Die Schmetterlinge und die Käfer faszinieren mich immer wieder aufs Neue. Zur Zeit zieht es mich auch zu dem Knaus-Bild „Die Goldene Hochzeit“ in der Ausstellung „Homecoming“. Stell Dir vor, ein Abzug von diesem Bild hing über den elterlichen Biedermeier-Betten, „hier wurden Generationen gezeugt, hier wurde gelebt und gestorben“, hat mein Vater immer gesagt. Ludwig Knaus ist ja auch unter einer Reproduktion seines Bildes „Die Goldene Hochzeit“ gestorben.

Gehen wir noch einmal zu Schmetterlingen und Käfern, die Du regelmäßig besuchst. Hältst Du als Künstlerin das Zwei-Sparten-Haus für eine gute Sache?

Absolut! Die Erfindungsgabe der Natur ist ja faszinierend, unglaublich diese Farben und Formen. Wie viele Maler haben das schon abzuzeichnen versucht …

Wie beurteilst Du das Veranstaltungsangebot des Förderkreises?

Es ist ein sehr schönes Angebot, mit individueller Gestaltung. Es lädt in jedem Fall zu weiteren Museumsbesuchen ein. Man kann unter Gleichgesinnten – etwa beim Jour Fixe – gute Gespräche führen. Und der von den Freunden mit initiierte eintrittsfreie Samstag immer zum Anfang des Monats ist großartig, bringt viele neue Besucher. Und ich denke, da kommen auch zahlende Museumsbesucher nach.

Wie geht es Dir in dieser anhaltenden Corona-Zeit?

Ich bin wie immer fast täglich unterwegs von meiner Wohnung in mein Atelier und arbeite. Sonst kommuniziere ich aber schon mehr mit iPad und Telefon als früher. Mittlerweile habe ich übrigens auch zwei E-Books publiziert. Digitale Angebote sind wichtig, unvermeidbar heute. So kann man beispielsweise meine Wandmalerei vom Elzer Hof in Mainz im Netz sehen. Aber mittlerweile besuche ich auch wieder die eine oder andere kulturelle Veranstaltung, so wie sie derzeit stattfinden dürfen.

Wie würdest Du Dein langes Künstlerleben beschreiben?

Ich würde mir auf meine Fahnen schreiben, dass ich immer zweckfrei und absichtslos künstlerisch unterwegs war.

Welche Deiner Schaffensperioden sind Dir die wichtigsten?

Natürlich war 1965 das Projekt Eltzer Hof in Mainz, diese Auftragsarbeit für die Liedertafel, etwas ganz Besonderes. Sie bedeutete auch meine Selbstfindung zur Malerin ohne Therorie und Anleitung von außen. 60 Quadratmeter Wand konnte ich hier gestalten. 1968 folgte Venedig, die Begegnung mit Professor Emilio Vedova. Bei ihm war ich Meisterschülerin und dann bis 2004 Assistentin. Eine prägende Zeit.

Wandgemälde im Foyer des barocken Stadtpalais „Eltzer Hof“ in Mainz. Die Arbeit, die Ricarda Peters 1965 schuf, wurde aufgrund von Sanierungarbeiten abmontiert und befindet sich seitdem in Privatbesitz. (Fotomontage: Ricarda Peters)
Ricarda Peters vor einem Ausschnitt des Wandgemäldes. (Foto: Benjamin Barnett)

Das Wandgemälde im Foyer in Mainz musste ja dann eines Tages weichen …

Ja, das war 2017, als der Konzertsaal wegen Asbest abgerissen wurde. Da war natürlich auch die Wand des Foyers und damit mein Malerei betroffen. Ich bin sehr froh, dass die Hälfte des Werks, also 30 Quadratmeter, in Thüringen bei Freunden eine wunderbare neue Heimat gefunden hat. Die andere Hälfte ist im Taunus in einer Garage gelagert und wartet auf einen Liebhaber. Zwei Sopraporte – also Gemälde, die über Türen im Eltzer Hof hingen – befinden sich nun im Haus eines Wiesbadener Mediziners.

Wie würdest Du Deine Malerei beschreiben?

Ich widme mich der Informellen Malerei: Phänomen des Bewusstseins. Die Unmittelbarkeit des Augenblicks. Zeitlosigkeit – jetzt – jenseits von Zeit, Raum und Ursache und Wirkung.

Das klingt sehr philosophisch …

Thema und Motiv ist die Bilderfindung selbst, zweckfrei und absichtslos. Kein Apriori, keine intellektuellen Schlussfolgerungen. Das Bild ist, was es ist, und nichts anderes. Eine Einladung an den Betrachter in die Zeitlosigkeit – eben jetzt.

Bitte sag uns etwas zu Deiner Ausstellung im Sommer 2019 im Kunsthaus.

Die Idee war, mir einen Überblick über meine Arbeiten seit 2010 zu verschaffen, eine Art Nabelschau. Ich konnte acht Tage lang im Kunsthaus einen „Bilderteppich“ auslegen, habe Freunde eingeladen, diese Arbeiten aus ungeübter Sicht wahrzunehmen.

Ricarda, Du bist vor kurzem 85 Jahre alt geworden. Man mag es Dir gar nicht abnehmen. Verrate uns mal, wie man so fit in Körper und Geist bleibt.

Immer weiter machen – würde ich sagen. Und es braucht eine gewisse Disziplin. Das fängt schon im Kleinen an. Wenn ich das Haus verlasse, ziehe ich mich immer so an, als ob ich etwas Besonderes vorhätte.

Gehen wir ins Museum: Wenn Du einen Wunsch frei hättest für das Haus der Kunst und Natur, wie würde der lauten?

Dass es weiter so auf hohem Niveau und mit viel Gegenwartskunst aufwartet. Und auch wissenschaftlich arbeitet, nicht zuletzt in der Natur.

Und was rufst Du dem neuem Direktor zu?

Er möge mit Faszination und Freude an der Arbeit sein und den Kontakt mit den Besuchern gut pflegen, auch wenn es in dieser Pandemie-Zeit nicht ganz so einfach ist

Das Gespräch führte Ingeborg Salm-Boost


Zur Person
Ricarda Peters (85) ist als Tochter eines Dirigenten und einer klassischen Tänzerin in Wiesbaden geboren und aufgewachsen. An der Werkkunstschule in Offenbach machte sie ihr Staatsexamen, ehe sie für mehrere Jahre nach Venedig ging, als Meisterschülerin, dann als Assistentin von Professor Emilio Vedova. Er gilt, sagt uns Ricarda Peters, als ein bedeutender Protagonist der Informellen Malerei. In den 80er Jahren begann sie an der Universität Mainz ihr Studium der Archäologie und Kunstgeschichte. Stipendien und Arbeitsaufenthalte führten sie außer nach Italien u. a. auch in die USA, nach Israel, Südfrankreich und in die Türkei. In einer Reihe von Einzelausstellungen und in Gruppenausstellungen zeigte sie ihre abstrakte Kunst. Auch an der Biennale in Venedig nahm sie teil, das war im Jahr 2009. Zu der Foundation Anna Bianca und Emilio Vedova in Venedig sowie zur deutsch-italienischen Gesellschaft hat sie bis heute engen Kontakt. Nach wie vor geht Ricarda Peters mit großer Energie und Kreativität ihrer Passion nach. Zeit für Hobbys bleibt ihr da nicht. Sie gehört der Künstlergruppe50 Wiesbaden an, die ihr 70-jähriges Bestehen feiert und aus diesem Grund im September im SAM (Stadtmuseum) zu einer Ausstellung einlädt.

 

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