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Betina Weiler: Die Wiesbadener sind wirklich großzügig

Seit 2019 ist sie bei den Freunden des Museums Wiesbaden und freut sich über die Angebote im Haus der Kunst und Natur – das leider noch eine ganze Weile geschlossen bleiben muss. Geschlossen ist pandemiebedingt auch ihre Modeboutique in der Wilhelmstraße. Es ist Weihnachtszeit, und deshalb soll im Gespräch mit Betina Weiler der Fokus auf ihrem unermüdlichen ehrenamtlichen Engagement für Obdachlose und Bedürftige liegen. „Wenn jeder das tun würde, was er tun kann, wäre vielen geholfen“, so die Überzeugung der Geschäftsfrau.

Sie alle wollen helfen: Betina Weiler mit ihrem ehrenamtlichen Team. Statt Neujahrsfest wird es in diesem Januar für Obdachlose und Bedürftige einen Food-Truck geben. (Foto: privat)

Frau Weiler, lassen Sie uns mit Ihrem Engagement für Obdachlose und Bedürftige beginnen. Denn nun muss leider wegen Corona das traditionelle Neujahrsfest ausfallen. Wie sieht es mit einer Alternative aus?

Es war eine sehr schmerzliche Entscheidung, das Fest absagen zu müssen, das nun seit fünf Jahren in der Evangelischen Versöhnungsgemeinde für Obdachlose und Bedürftige stattfindet. Wir sind aber mit der Alternativplanung schon weit gediehen. Es wird Mitte Januar einen Food-Truck geben.

Wo wird dieser denn stehen?

Er wird mindestens eine Woche lang im Hof der Teestube stehen und täglich zwischen 11 und 15 Uhr Essen ausgeben. Es soll trotz Corona und aller Einschränkungen eine schöne Stimmung aufkommen.

Wieviele Unterstützer haben Sie denn?

Unser Haupt-Unterstützer ist immer schon seit Jahren die Firma Feinkost Dittmann. Sie spendet nicht nur die Lebensmittel, sondern es wird immer auch ein leckeres Menu gezaubert. Dadurch können die weiteren Spenden, die von zahlreichen, auch kleineren Unternehmen kommen, für Geschenke wie Schlafsäcke, Schuhe, Taschenlampen, Unterwäsche oder Taschen verwendet werden. Ich möchte betonen, dass die Wiesbadener wirklich großzügig sind. Sehr dankbar bin ich auch, dass wir bislang stets in der Versöhnungsgemeinde feiern durften. Die Gemeinde kümmert sich auch um das Spendenkonto.

Und wie kommen die Spenden zusammen?

Hilfreich ist immer der Spendenaufruf im Wiesbadener Kurier. Viele wollen helfen, und zwar kontinuierlich. Das ist großartig.

Und Sie haben auch genug Helfer und Helferinnen vor Ort?

Mir als Initiatorin und Organisatorin steht jedes Jahr ein 30-köpfiges Team zur Seite, in das sich auch Freunde einbringen. Keiner ist sich für etwas zu schade …

In diesem Pandemie-Jahr haben Sie sogar dafür gesorgt, dass im Stadtgebiet vier Toiletten für Obdachlose aufgestellt werden – als Notlösung, weil Anlaufstellen teils geschlossen sind oder nicht so viele Menschen reinlassen dürfen. Wie haben Sie das gestemmt?

Man muss es einfach anpacken. Das bedeutet natürlich, dass man nicht nur die Toiletten besorgen und die Reinigung regeln, sondern zuvor auch die Genehmigungen einholen muss zum Aufstellen.

Für diejenigen, die noch nichts oder wenig wissen über Ihr langjähriges Engagement, bitte erzählen Sie kurz, wie alles begonnen hat.

Als ich einen Mann vor der „Nordsee“ sein Kleingeld zählen sah. Er wollte sich wohl ein Fischbrötchen kaufen. Ich lud ihn ein, setzte mich mit ihm an einen Tisch und hörte mir seine Geschichte an – wie man aus einem normalen Leben in den Obdachlosen-Kreislauf gerät. Danach empfand ich eine gewisse Demut. Und ich wusste: Man kann nicht die ganze Welt retten, aber vor Ort etwas tun. Einige Wochen später fand das erste Fest statt mit 80 Menschen. Heute kommen mehr als 150 – wenn nicht gerade durch Corona die Welt eine andere ist.

Wirbt für ein „solidarisches Miteinander“: Geschäftsfrau Betina Weiler. Seit 2019 ist sie auch Mitglied bei den „Freunden des Museums Wiesbaden“. (Foto: privat)

Sie sind ja Geschäftsfrau, haben die exklusive Damen-Boutique „Betina Weiler“ auf Wiesbadens Rue. Konnten Sie denn auch unter den Händlern in ihrer Umgebung Mitstreiter finden?

Jeder Unterstützer ist herzlich willkommen. Ich spreche aber niemanden direkt an. Die Zeitung hilft mir. Radio-Interviews machen aufmerksam. Und ganz wichtig ist mein Freundeskreis.

Kommen wir nochmal zur besorgniserregenden Corona-Entwicklung und dem harten Lockdown, der die erneuten Ladenschließungen vor Weihnachten mit sich brachte. Wie beurteilen Sie die Lage und Erlasse?

Es ist richtig so, besser hätte man noch früher gehandelt, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Das muss ich sagen, auch wenn ich selber mit betroffen bin und es so viele Einzelschicksale gibt. Ich finde, jeder sollte Verantwortung übernehmen, wir müssen durchhalten. Ich persönlich bin dankbar, noch auf der Sonnenseite des Lebens stehen zu können.

Nun möchte ich gerne zum Museum und den Freunden des Museums kommen. Frau Weiler, was hat Sie bewogen, 2019 beizutreten?

Mir gefällt das Programm des Vereins und des Museums, die Vorträge, Lesungen, Konzerte… Mein Partner ist ebenfalls Mitglied, dadurch sind wir öfter mal in Ausstellungen unterwegs. Ich denke, die engagierte Arbeit des Museums und des Förderkreises zu unterstützen, das ist eine gute Sache!

Gibt es ein Lieblingsobjekt im Museum Wiesbaden?

Ja, ich bin sehr gerne in der Jugendstil-Ausstellung mit der so großzügigen Schenkung von Ferdinand Wolfgang Neess. Und hier beeindruckt mich „La Nature“ von Mucha ganz besonders. Ich hatte übrigens auch einmal eine Führung für meine treuen Kundinnen gebucht, das war sehr, sehr beeindruckend. Ich glaube, so manche Teilnehmerin ist auf den Geschmack gekommen.

Was möchten Sie unserem neuen Direktor Andreas Henning zurufen?

Nur Mut, Herr Dr. Henning, würde ich sagen, zu innovativen und auch progressiven Veranstaltungen. Ich wünsche ihm eine glückliche Hand im Umgang mit seinem Team, mit Künstlern und mit Kunstinteressierten.

Und wenn Sie selbst in der Weihnachtszeit drei private Wünsche formulieren möchten, wie lauten diese?

Das Wichtigste ist mir meine Familie und meine Partnerschaft, und auch dass ich mit meinen Freunden trotz schwieriger Zeiten weiterhin lachen kann. Dann wünsche ich mir, dass mein Geschäft mich weiterhin an jedem Tag aufs Neue glücklich macht. Mit so mancher Kundin ist eine wunderbare Freundschaft entstanden. Und, ganz wichtig ist, dass man den Blick für das Wesentliche nicht verliert. Ich empfinde Dankbarkeit im Hier und Jetzt, auch wenn es zur Zeit nicht so einfach ist. Es möge sich alles zum Guten wenden.

Das Gespräch führte Ingeborg Salm-Boost

PS:
Das Spendenkonto für das Obdachlosenprojekt hat die IBAN DE 92 5105 0015 0109 0155 55. Es ist bei der Evangelischen Versöhnungsgemeinde eingerichtet.


Betina Weiler (54) stammt aus Daun in der Eifel, wo sie sich schon mit 24 Jahren in der Modebranche selbstständig machte. Aus privaten Gründen kam sie mit 30 nach Limburg und war beruflich in Fashion- und Lifestyle-Unternehmen auf Führungsebene aktiv. 2016 machte sich Betina Weiler in der Wilhelmstraße selbstständig und ist mit ihrem Modegeschäft erfolgreich. Für Obdachlose und Bedürftige engagiert sie sich seit 2015. Ihr Credo: „Gemeinsam können wir ein deutliches Zeichen gegen Armut vor der Haustür und für ein solidarisches Miteinander setzen“. Von der Stadt Wiesbaden wurde sie 2020 mit der „Goldenen Lilie“ für außerordentliches gesellschaftliches Engagement ausgezeichnet. In ihrer Freizeit hat die Mutter eines 24-jährigen Sohnes gemeinsam mit ihrem Partner Freude am Golfen und Mountainbike-Fahren. Und natürlich an Museumsbesuchen. (isa)

 

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