Wir sind dabei

Kunst ist ihr „Lebensmittel“

Sind seit 1995 schon bei den Freunden: Annette und Friedrich-Eckart Isemer. Hier beim Jubiläumsempfang des Förderkreises im September 2019, der zusammen mit der Ausstellungseröffnung „Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“ stattfand. (Foto: Josh Schlasius)

Schade, eigentlich hätte man sich ja gerne zum Gespräch im Museum getroffen, doch in Pandemie-Zeiten ist dies nicht möglich. Dennoch hatte ich – mit räumlicher Distanz – einen lebendigen Austausch mit dem Ehepaar Isemer, das liebend gerne auch Kunst sammelt. „Unser Hausumbau musste teilweise um die Bilder herum stattfinden“ verraten Dr. Annette Isemer (63) und Professor Dr. Friedrich-Eckart Isemer (71). Und so finden sich Bilder u. a. aus Russland, Frankreich oder etwa der ehemaligen DDR im Hause Isemer. „Kunst ist für uns nicht Dekoration, sondern Lebensmittel“ – diesen Slogan der Salzburger Festspiele 2019 haben die zwei Freunde-Mitglieder für sich übernommen. Noch etwas gibt der Mediziner preis: Seit der Schulzeit fühlt er sich der Kunst verbunden, nicht zuletzt durch „Eigenproduktionen“ und den Erwerb von Bildern auf Ratenbasis. Unvergessen bleibt für ihn auch seine Reise vom Studienort Kiel zur Art Basel, „als Tramper mit langen Haaren“. Und auch dem Kunstverein Braunschweig im Hause „Salve Hospes“ gehörte er als Jugendlicher an.  Doch nun wollen wir auf „unser“ Wiesbadener Haus der Kunst und Natur schauen …


Seit wann sind Sie beide im Förderkreis, hat Sie jemand geworben?

Das müsste seit 1995 sein. Felicitas Reusch aus dem Soroptimist-International Club Wiesbaden brachte uns die Mitgliedschaft nahe.

Welche Ausstellung aus der Anfangszeit Ihrer Mitgliedschaft ist Ihnen in bester Erinnerung?

Friedrich-Eckart Isemer: Zunächst mal, in schlechtester Erinnerung habe ich meinen ersten Besuch in meiner Probezeit in Wiesbaden, noch vor der Mitgliedschaft. Es war wohl Anfang 1991: dunkle Räume, schöne Bilder in schlechtester Hängung und Beleuchtung. Folge: Museumsdepression, nie wieder Wiesbadener Museum! Aber dann, umgekehrt, die Begeisterung nach der Renovierung durch Volker Rattemeyer. Es folgte der Eintritt in den Förderverein.

Annette Isemer: Eva Hesse ist mir sehr positiv im Gedächtnis.

Und welche Schau hat Ihnen vor der Corona-bedingten Schließung des Museums besonders gut gefallen?

Beide: Die „Junge Malerei in Deutschland“.

Annette Isemer:  Danach habe ich mir noch die Parallel-Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn angesehen.

Haben Sie August Macke mit „Paradies! Paradies?“ noch gesehen, bevor die Türen geschlossen wurden?

Beide: Nein, leider haben  wir die Ausstellung noch nicht sehen können. Aber sie ist ja bis in den Mai verlängert worden.

Welche Kunstrichtung präferieren Sie?

Beide: Die Klassische Moderne.

Gibt es für Sie ein Lieblingswerk in den Sammlungen des Museums Wiesbaden?

Friedrich-Eckart Isemer: Sam Francis, o. T. (SFP 68-47), 1968. Ich mag diese puristischen, minimalistischen Bilder. Sie geben mir nach meinem eher lebendigen Alltag Ruhe und Entspannung. Dennoch tragen sie eine tiefe Spannung in sich. Natürlich stehen mir die expressionistischen Bilder aus der ständigen Sammlung auch sehr nahe.

Annette Isemer: Mir gefällt sehr das „Liebespaar“ von Otto Mueller.

Annette Isemer liebt das „Liebespaar“ von Otto Mueller (1874–1930), 1917/19, Öl auf Rupfen, erworben 1954 (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Wie nah ist Ihnen die Natur im Zwei-Sparten-Haus?

Beide: Für unsere fünf Enkel immer einen Besuch wert.

Was gefällt Ihnen besonders in den Naturhistorischen Sammlungen?

Beide: Die Themenaufbereitung und Darstellung der Tiere und Objekte. Die Ausstellung zum Erdreich beispielsweise und die Führung waren Spitze.

Apropos Natur: Sind Sie in dieser Ausnahmezeit auch, wie so viele Menschen, häufig auf Spazier- und Wanderwegen unterwegs?

Beide: Häufiger denn je, auf der Suche nach einsamen Wegen, immer erfolgreich. Neu entdeckten wir die zertifizierten Wisper-Trails. Im Herbst noch gerne mit dem Mountainbike. Im Urlaub gerne auch längere Ganztagestouren an der Ostsee oder im Allgäu. Zu einem Alpencross hat es leider nie gereicht, die Urlaube sind halt begrenzt und derzeit gar nicht angesagt.

Wenn man wieder unbeschwert reisen kann: Welches Museum im In- oder Ausland würden Sie besonders gerne besuchen?

Beide: Bilbao und die Christo-Verkleidung des Arc de Triomphe de l’Étoile in Paris würden wir gerne vor Ort sehen. Beides gerne auch mit Wilma Estelmanns Reisen im Programm des Freunde-Vereins.

Sind Sie, wenn nicht gerade Pandemie-bedingt das Programm ausfallen muss, regelmäßige Gäste unserer Förderkreis-Veranstaltungen?

Beide: Regelmäßig besuchen wir zu unserer Freude und Erbauung die Ausstellungseröffnungen.

Beim Neujahrsempfang, Herr Professor Dr. Isemer, haben Sie von einem besonderen Projekt erzählt, das Ihr Lions-Club gefördert hat. Können Sie dazu nochmal etwas sagen!

Das ist das Projekt „Der Weg des Löwen: 100 freie Führungen in der Kunst“ zum 50. Geburtstag des Lions Club Wiesbaden Mattiacum (50.000 Euro). Es lief über drei Jahre und war für Kinder im Vorschulalter, also für Kitas gedacht.

Wie wurde das Ziel definiert?

In einer Broschüre zum Projekt habe ich u. a. folgendes dazu gesagt: Es war das Ziel, Vorschulkinder aus gegebenenfalls bildungsfernen Familien oder auch aus Familien mit Migrationshintergrund – aber auch deren Familien selbst – an die Kunst heranzuführen und deren Kreativität zu fördern. Es sollte ein Beitrag zur Bildung und Integration in unsere Gesellschaft sein. Dies ist in vollem Umfang gelungen, so dass die Stadt Wiesbaden nach Abschluss unserer dreijährigen Förderung dieses Programm weiterführt.

Und nun steigt der Club nochmals ein?

Es ist uns auch jetzt wieder eine Freude, dieses Projekt erneut und punktgenau unterstützen zu können. Dies umso mehr, als jetzt das Museum auch äußerlich und zusammen mit dem RheinMain CongressCenter ein einladendes und attraktives Ensemble darstellt. Fazit: Kunst lohnt sich und ist ein sinnvolles Investment in die Zukunft. Insofern steht dieses Projekt auch weiter im Fokus des Lions Club Wiesbaden Mattiacum.

Nutzen Sie die digitalen Angebote von Museum und Freunde-Verein, die beide seit Corona ausgeweitet wurden?

Beide: Ja, das tun wir.

Vielleicht haben Sie noch eine Anregung für den Förderkreis für die Zeit nach der Pandemie?

Beide: Eine App mit den jeweiligen Bildern einer Ausstellung mit einzelnen Bilderläuterungen wäre schön. Diese könnte man dann während eines Museumsbesuchs vor den Werken aufschlagen.

Und eine Empfehlung noch für unseren Direktor Dr. Andreas Henning, der gleich nach Übernahme der Museumsleitung im März vor besondere Herausforderungen gestellt wurde?

Friedrich-Eckart Isemer: Zeigen Sie, Herr Dr. Henning, zusammen mit Ihrer hervorragenden Mannschaft, Internetpräsenz mit regelmäßigen, repetitiven Präsentationen aus dem Museum, ähnlich wie unsere Regierungserklärungen aus dem Bundestag – bis nach dem Lockdown. Danach in Versammlungen vertretbarer, kleinerer Größe im Museum. Die Präsentationen müssen nicht allumfassend die ganze Ausstellung betreffen, hier kann auch mal eine einzelne Bildbetrachtung spannend sein, z. B. „Der Seiltänzer“ von August Macke. Und: wäre vielleicht eine Mark-Rothko-Ausstellung denkbar? Der hatte auch ein spannendes Leben.

Beide: Noch ein Verbesserungstipp, beim Internet-Auftritt fehlt eine Suchfunktion, so konnten wir die Ellsworth-Kelly-Ausstellung von 2012 zwar nach systematischer Durchforstung der Ausstellungen der Jahre finden, aber keine Bilder der Ausstellung, die uns sehr gefallen hat.

Friedrich-Eckart Isemer freut sich, im Museum Wiesbaden über Ellsworth Kellys „White relief over Black“, 1963 (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Lassen Sie uns zum Schluss noch kurz auf die Baustelle in unmittelbarer Nachbarschaft des Museums schauen: Was erwarten Sie persönlich vom Museum Reinhard Ernst, das 2022 eröffnet werden soll?

Beide: Das Museum Reinhard Ernst wird zum einen eine unglaublich gute Ergänzung zum Ensemble RMCC und Museum Wiesbaden bringen. Hier erweitert sich die „Kulturmeile“, die ein Publikumsmagnet für Wiesbaden und die Kongresse gegenüber, aber auch in den Museen darstellen wird. Um mit Herrn Ernst zu sprechen: Keine Reise, insbesondere auch Kongress-Reise, ohne Museumsbesuch! Der Schwerpunkt der Ausstellungen liegt ja auf dem amerikanischen Expressionismus und auf japanischer moderner Kunst, das bildet einen animierenden Spannungsbogen zum Thema Klassische Moderne in unserem Museum Wiesbaden.

Die Fragen stellte Ingeborg Salm-Boost


Zu den Personen
Friedrich-Eckart Isemer ist in Braunschweig aufgewachsen, Annette Isemer in Krefeld. Seit 1991 ist das Ehepaar in Wiesbaden zu Hause. Sohn Johann-Caspar lebt und arbeitet als Betriebswirt im Silicon Valley. Die Zwillingstöchter Lea-Margarete und Sophie-Charlotte (Ärztin und Juristin) haben ihren Lebensmittelpunkt in Köln und Bonn. Professor Isemer (71) ist als Chefarzt des Hernienzentrums der DKD Helios-Klinik tätig. Von 1991 bis 2014 war er Chefarzt der Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Unfallchirurgie am St. Josefs-Hospital Wiesbaden. Er hat in Wiesbaden die laproskopische Chirurgie eingeführt, die Tumor-Chirurgie am St. Josefs-Hospital etabliert und die Hernien-Chirurgie entwickelt. Verbindung zum Museum: Hier fanden einige der acht internationalen Hernien-Symposien statt. Als Isemer 2014 Kongress-Präsident der 12. Jahrestagung der Deutschen Hernien-Gesellschaft war, hielt der frühere Museumsdirektor Alexander Klar den Festvortrag. Und Bilder aus der Jawlensky-Sammlung dienten als Hintergrund für die Einladungsflyer. Allgemeinmedizinerin Dr. Annette Isemer war Partnerin einer hausärztlich-diabetologischen Gemeinschaftspraxis in Biebrich. Kunst, Theater, Lesen und Radsport sind Hobbys des Paars. Beide widmen sich u. a. auch gern der hebräischen Sprache, denn sie sind große Freunde Israels und möchten sich vor Ort besser orientieren und verständigen können. Zweimal hatte Professor Dr. Isemer die Präsidentschaft des Lions Clubs Mattiacum inne, der die Museumspädagogik stark fördert. Dr. Annette Isemer war Gründungspräsidentin des Soroptimist-International Club Wiesbaden. (isa)

 

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