Wir sind dabei

Mit Graffiti fing alles an …

Das Werk „Sieben Stunden, Acht Stimmen, Drei Bäume“ von Katharina Grosse ist eines seiner Lieblingsobjekte im Museum Wiesbaden: Robert David Schwartz sieht in der raumfüllenden Arbeit „Installation und Malerei in einem“ und ist davon nachhaltig beeindruckt. (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Unser Gespräch in der Alten Bibliothek fand noch statt, bevor die Museumstüren wieder geöffnet wurden. In einem so ruhigen Haus lässt sich sehr angenehm ein Interview führen, sagen wir uns. Doch Robert David Schwartz und ich sind uns einig: Es ist höchste Zeit, dass Kunst und Natur wieder vor Ort erlebbar sind, dass hier „museumshungrige“ Menschen unterwegs sein können. „Ich freue mich auf Veranstaltungen von den Freunden“, sagt der 45-jährige Grafikdesigner und will sich in Zukunft öfter mal die Zeit für solche Begegnungen nehmen. Nun ist erst einmal wieder – mit Einschränkungen – der Ausstellungsbesuch möglich. Vermutlich wird Robert David Schwartz mit Sohn Louis bald nach dem Gepard in der Naturhistorischen Abteilung schauen … 


Herr Schwartz, wie war es denn bei Ihnen: Was hat Sie bewogen, sich den Freunden anzuschließen?

Das Museum Wiesbaden war immer präsent für mich. Ich bin in eine Künstlerfamilie hineingeboren worden. Vater, Mutter, Schwester – alle haben mit Kunst zu tun, und ich bin ja auch im kreativen Beruf. Als Kind wurde ich immer überall hingeschleift – ob Louvre oder Documenta. Das „hingeschleift“ meine ich durchaus positiv.

Gehen Sie im Museum Wiesbaden auch in die Naturhistorischen Sammlungen?

Oh ja, unser Sohn Louis ist sechs. Der Gepard im ersten Stock hat es ihm angetan, da zieht es ihn immer wieder hin.

Und Sie selbst, wo zieht es Sie hin?

Ich sehe mir gerne Eva Hesses Zeichnungen an. Auch spricht mich Katharina Grosses raumfüllende Arbeit „Sieben Stunden, Acht Stimmen, Drei Bäume“ sehr an.

Was gefällt Ihnen daran besonders?

Mich beeindruckt das Monumentale und Vereinnahmende. Da ich aus der Graffiti-Szene komme, ist für mich das Bunte und die Gestik – der Prozess – besonders toll. Sie lässt viel passieren. Das ist spannend und ein Statement gegen die Zurückhaltung. Es ist Installation und Malerei in einem.

Kommen wir mal auf Ihre kreative Arbeit zu sprechen. Alles hat mit Graffiti begonnen …

Zunächst war es mein Hobby. Der Schlachthof war ein ganz wichtiger Ort für meine Freunde und mich. Wir haben das dann später auch professionell gemacht.

Und eine Agentur gegründet …

Schon während des Studiums in Grafik- und Mediendesign an der FH Mainz haben wir zu sechst die Agentur gegründet, fünf von uns hatten ihr Spezialgebiet und einen eigenen Stil. Ich habe mich mit animierter Grafik beschäftigt. Unser Betrieb war eine Mischung aus Werbeagentur und Künstlerkollektiv. Wir machten Designprojekte für große Marken wie Nike, Adidas, MTV, aber auch Gruppenausstellungen in Paris, Mailand, Amsterdam, Göteborg oder Danzig.

ViaGrafik Wandbild, 6 x 25m, ICONE Street Art Festival 2006, Sprühdose, Pinsel, Wandfarbe

Das klingt groß …

Leider haben wir uns aber keine goldene Nase verdient. Es galt als Ehre, für so bekannte Auftraggeber wie Nike oder Adidas tätig zu sein.

War das zur gleichen Zeit, als Sie mit ihren Partnern auch ins Graffiti-Geschäft eingestiegen sind?

Das war circa 2000, als der Street-Art-Hype stattfand. Da haben wir kommerziell auch große Wandarbeiten gemacht. Wir waren weltweit in Magazinen und Büchern vertreten, haben übrigens auch ein eigenes. Und in dieser Zeit waren wir eingeladen zu einer großen Ausstellung in Hamburg, „Urban Discipline 2002“. Da war auch Banksy dabei.

Wie hieß denn die Agentur?

ViaGrafik. Die gibt es heute noch. Damals war das Grafik auf verschiedenen Ebenen. Heute ist es mehr Web und Webdesign.

Sie haben sich dann aber ganz anders orientiert.

Neben den grafischen Arbeiten  habe ich mich auf Skulpturen fokussiert. Ich hatte das Glück, in New York ausstellen zu dürfen. Meine letzte Solo-Ausstellung war 2010 in der SystM Galerie in Berlin.

Rauminstallation, Solo-Ausstellung FRAMESHIFT, systM Galerie, Torstraße Berlin, 2010

Welcher Art sind die Skulpturen?

Ich arbeite – übrigens immer noch – mit Kunststoffplatten, rund vier auf fünf Meter, die ich per Hand frei schneide, erhitze, knicke und schraube. So sind spontane Änderungen möglich. Der Prozess ist mir wichtig, man wird nie fertig, es gibt immer neue Kombis …

Und dann verschlug es Sie 2009 in eine ganz andere Welt, zur Telekom Deutschland …

In der Tat hatte ich dort einen Job als Art Director angenommen. Es gab keine einheitliche Designlinie, es galt zu harmonisieren, zu vereinfachen. Ziel war eine einheitliche Designsprache auf allen Ebenen. Acht Jahre war ich bei der Telekom in Festanstellung, zu meinem Team gehörten u. a. Texter und Informationsarchitekten, Webdesigner und Produktdesigner. Erst waren es 20 Leute, später 150. Mein Arbeitsplatz war in Bonn und Darmstadt.

Wollten Sie diesen sicheren Job nicht behalten?

Nach der Geburt meines Sohnes Louis gab ich die Festanstellung auf, ich wollte wieder frei sein und als Solo-Grafikdesigner arbeiten. Zunächst ging ich in Elternzeit.

Aber da hatten Sie zuvor gekündigt? Das war mutig.

Das stimmt. Ich hatte vorher gespart.

Respekt! Und wo liegt nun als Freelancer Ihr Schwerpunkt?

2017 habe ich das alte Handwerk der Schildermalerei für mich entdeckt, das fasziniert mich total. Schriftmalerei von Hand – mit Pinsel, Lack und Blattgold – das ist ein schöner Kontrast zum bisher gewohnten Grafikdesign. Dieses analoge Arbeiten, zurück zu den Wurzeln des Grafikdesigns, biete ich mittlerweile auch als Dienstleistung an. Zuvor habe ich ausgiebig Technik- und Materialkunde betrieben.

Ladenschild, 2020, Hinterglasvergoldung mit 23 Karat Blattgold und Dammar-Embossing-Technik, Emaillelack

Gibt es dafür einen Markt?

Den gibt es, ich hatte auch schon Aufträge für Schriftzüge ausgeführt. Für diese professionellen Schriftmalerei-Freunde gibt es eine Community, die bei Instagram vernetzt ist. Ich selbst will mich hier positionieren, ich stecke viel Herzblut in die Schriftmalerei, in die Erhaltung eines so alten Handwerks.

Wie ist es Ihnen in der Zeit der Pandemie-Einschränkungen ergangen? Ihre Frau ist ja auch freiberuflich aktiv. Und Sie haben zusammen den kleinen Sohn.

Zunächst einmal: Wir haben nun die ganze Zeit extrem aufgepasst bei den Kontakten. Zur Arbeit: Nach langer Durststrecke kommen jetzt wieder Aufträge rein. Da wir beide selbstständig sind, haben wir viel Verständnis und Toleranz füreinander. Ein Glück auch, dass die Großeltern uns bei der Betreuung von Louis unterstützen. Im Sommer wird er eingeschult.

Wenn Sie mal wieder verreisen würden. Welches Museum wäre ein Sehnsuchtsort?

Ganz bestimmt das MoMA in New York. Aber ebenso in Wien das einzige Schildermuseum Europas.

Und was sind Ihre dringlichsten privaten Wünsche?

Gesundheit in der Familie und Erfolg in unseren Berufen. Ich möchte gerne ganz in meinem neuen Metier der alten Schildermalerei ankommen.

Das Gespräch führte Ingeborg Salm-Boost


Zur Person:
Robert David Schwartz ist 45 Jahre alt, in Mainz geboren und in Wiesbaden aufgewachsen. Sein Abitur machte er an der Martin Niemöller-Schule in Wiesbaden, studierte dann Mediendesign an der Fachhochschule Mainz. Schon während des Studiums gründete er mit fünf Freunden und Kommilitonen die Agentur ViaGrafik, in der man zehn Jahre lang erfolgreich zusammen arbeitete. Neben der grafischen Arbeit schafft Robert David Schwartz Skulpturen, die er auch ausstellte. Acht Jahre war er in leitender Funktion als Art Director bei der Telekom Deutschland tätig, ehe er sich wieder für ein Leben als freier Grafikdesigner entschied. Nach der Festanstellung betreute er zunächst zwei Jahre in Elternzeit sein Kind. Mit großer Begeisterung widmet er sich heute dem alten Handwerk der Schriftmalerei. Mit seiner Frau Marta Sekula (42) und dem gemeinsamen Sohn Louis (6) lebt und arbeitet der 45-Jährige in Wiesbaden. Den Freunden des Museums gehört er seit 2009 an. (isa)

 

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