Wir sind dabei
Mit dem „Herbst in Wiesbaden“ fing es an
Besuch bei Maximilian Karagöz in seiner Firma Alton. Nein, nicht in der Zweigstelle Miami, vielmehr in unserer Wiesbadener Rue, in der Wilhelmstraße. Höchst beeindruckend sein Büro – das „ Hans Sachs-Zimmer“, benannt nach dem Sammler von Gebrauchsgrafik. Denn hier ist man umgeben von Plakatkunst. Und es lässt sich gut nachvollziehen, dass der Hausherr fasziniert von ihr ist, er besitzt eine große Sammlung spannender Grafikkunst. Seit Oktober, als gleichzeitig mit dem Geburtstagsempfang zum 30-Jährigen des Fördervereins Freunde des Museums Wiesbaden die Ausstellung „Plakatfrauen. Frauenplakate“ eröffnet wurde, ist ein Teil der Schätze aus dem Sammlung Karagöz, ergänzt um Plakate zum selben Thema aus der Sammlung Ferdinand W. Neess und Danielle Nees, zu sehen. Dem Museum war es, wie im Flyer für die Schau geschildert, wichtig, einerseits die Rolle der Frau als vielfältig eingesetztes Modell in der ersten Hochphase deutscher Plakatgestaltung 1905 bis 1921 zu beleuchten, aber ebenso das imponierende Schaffen professioneller Plakatgestalterinnen in einer Zeit voller Vorurteile gegen die Künstlerinnen zu dokumentieren.
Herr Karagöz, Sie sind seit 2023 bei den Freunden. Was hat Sie bewogen, dem Förderkreis beizutreten?
Ich finde es gut, dass es solche Fördervereine gibt, dass durch Privatinitiative Gelder für das Museum generiert werden. Kustos Peter Forster hat mich für den Verein geworben. Das war, als wir begannen, die Plakat-Ausstellung zu planen.

Wie kam es eigentlich zur Idee für die tolle Ausstellung „Plakatfrauen. Frauenplakate“?
Der Kontakt entstand über den Kunstkenner und Kunstsammler Nikolas Jacobs, auch Mitglied im Freunde-Förderkreis. Er erzählte von Plakaten, die für die Neess-Jugendstilsammlung angeschafft wurden. Es sollte ja eine große Schau mit Arbeiten von Hans Christiansen stattfinden, die aber nicht zustande kam, weil der Sammler erkrankte. So wurde Peter Forster auf meine Sammlung aufmerksam gemacht, und wir kamen ins Gespräch. Und dann kam noch Professorin Petra Eisele von der Hochschule Mainz, Fachbereich Gestaltung mit ins Boot. Sie ist Design-Forscherin und befasst sich derzeit dem Projekt „UN/SEEN – Für die Sichtbarkeit. Innovative Frauen im Grafikdesgin, 1865 bis 1919 und heute“. Es kam zum Austausch. Kustos Peter Forster kuratierte zusammen mit ihr, es wurde auch gemeinsam am Katalog gearbeitet.
Und sie waren stark involviert?
Ja, ich war voll einbezogen. Ich assistierte und konnte mitentscheiden.
Bevor wir über Ihre Sammlung und die Schau sprechen, möchte ich kurz zurück zu den Freunden des Museums kommen. Haben Sie als viel beschäftigter Geschäftsmann Zeit, hin und wieder an einer unserer Veranstaltungen teilzunehmen?
Ich versuche es schon, ist ja ein interessantes Programm. Aber tatsächlich bin ich privat und beruflich stark eingebunden.
Was interessiert Sie denn im Haus der Kunst und Natur besonders, was gefällt Ihnen?
Erst einmal das Museumsgebäude, die Architektur. Im Haus zieht es mich schon in verschiedene Abteilungen. Für mich ist die Neess-Jugendstilsammlung faszinierend, von ihr geht ein besonderer Zauber aus. Sehr angezogen fühle ich mich auch von den Expressionisten. Die Jawlenskys zum Beispiel sind immer wieder die Betrachtung wert.
Und die Natur?
Diese Abteilung ist konzeptionell hervorragend aufgebaut. Sie ist nicht zuletzt für die jungen Menschen sehr interessant. Die Kinder werden dort bestens abgeholt und erfahren so vieles.

Lassen Sie uns jetzt in ihre Sammlung der Plakate einzutauchen. Wie kamen Sie zu dem Entschluss, derartige grafische Kunst aus der Zeit von 1890 bis 1930 zu sammeln?
Es passierte irgendwann, als wir bei Freunden eingeladen waren: Bei der Verabschiedung fällt im Flur mein Blick auf zwei Poster, Nachdrucke von Ludwig Hohlwein, „Frühling in Wiesbaden“ und „Herbst in Wiesbaden“. Sie hingen da zur Deko und gefielen mir sehr gut. Ich ging dann in die Tiefe und recherchierte, es beeindruckte mich, wie revolutionär damals Plakate in der Werbung waren. Und ich fand zeitnah eines der beiden Motive als Original von dem Wiesbadener Künstler Hohlwein. Seitdem kaufe ich Originale und bin weltweit auf der Suche nach Plakatkunst aus der Zeit 1890 bis 1930. Es ist oft schwierig, an die Werke zu kommen. In München und Hamburg gibt es übrigens Museen mit großen Sammlungen von Plakatkunst. Ich konzentriere mich fast ausschließlich auf deutsche Plakate aus der Richtung Reklame und Ausstellungen.

Und wie umfangreich ist die Sammlung jetzt?
Aktuell umfasst sie mehr als 1.000 Plakate, die Sammlung wächst ständig. Dem Museum Wiesbaden habe ich 2023 fünf Hohlwein-Plakate geschenkt (u.a. eine Doublette von „Herbst in Wiesbaden“ und eines der Wiesbadener Zigarettenfabrik Menes), sie sollten der Öffentlichkeit, weil es Wiesbaden-Motive sind, immer zugänglich sein. In Zukunft kommen da sicher noch welche dazu.
Nun hängt ein Teil Ihrer Schätze noch bis zum 15. Juni in unserem Museum, die Schau ist ja wegen des großen Interesses verlängert worden. Sagen Sie doch bitte unseren Leserinnen und Lesern, warum sie unbedingt die Schau „Plakatfrauen. Frauenplakate“ besuchen sollten.
Es ist spannend zu sehen, wie bunt die Welt vor ca. 100 Jahren schon war. Die Plakatkunst zeigt moderne Menschen, Menschen wie du und ich. Sie zeigt, wie die Menschen gelebt haben oder wie sie leben wollten. Sie verdeutlicht den Stellenwert der Frauen als Motiv. Aber die Ausstellung zeigt eben auch, wie Künstlerinnen damals trotz aller Schwierigkeiten ihren Weg gingen. Die Zeiten waren faszinierend.

Zwei Beispiele vielleicht noch für Plakatkunst von Frauen, die zu Ihrer Sammlung gehören und zu sehen sind.
Da möchte ich „Skating Ring“ von Rosa Bruntsch, nennen, es stammt von der Eröffnung der ersten Rollschuhbahn in Karlsruhe im Jahr 1910. Oder etwa der künstlerische Werbefilm von Dore Mönkemeyer-Corty, der zur Vorstellung des Werbefilm-Erfinders „Julius Pinschewer“ 1920 entstanden ist.
Sie leben natürlich auch mit Ihren Plakaten, haben in Ihrem Unternehmen auf der Rue das „Hans Sachs-Zimmer“. Er war ja auch ein großer Sammler. Sie wechseln die Arbeiten immer wieder mal aus. Zwei Beispiele, was zur Zeit ihre Wände schmückt?
Das erste Plakat zu den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm. Oder etwa das Plakat zu der Großen Schau der sogenannten Zuverlässigkeitsflüge von Mainz aus, die Prinz-Heinrich-Flüge … auch von 1912.

Und zu Hause leben Sie sicher ebenfalls mit Plakatkunst?
Meine Frau hat durchaus Verständnis für meine Sammelleidenschaft. Natürlich finden sich auch zu Hause Originale an den Wänden. Ich habe aber durch die Plakate auch das Interesse insgesamt an der Kunst entdeckt und kaufe seitdem Gemälde, bevorzugt von Künstlern, die in Wiesbaden gelebt und gewirkt haben. Zum Beispiel von Hans Christiansen, Egon Josef Kossuth oder etwa Karl Otto Hy.
Hy? Da haben Sie etwas mit dem Sammler Frank Brabant gemeinsam Er hatte ja 2023 dafür gesorgt, dass es eine eindrucksvolle Hy-Schau im Museum gab. Haben Sie diese gesehen?
Leider nicht. Hys Wiesbaden-Motive sind sehr interessant.
Wenn wir mal kurz hinaus auf die City gehen, was gefällt Ihnen denn gut in Ihrer Geburtsstadt?
Wir haben viel Jugendstil in Wiesbaden. Und man kann generell so viel Stadtgeschichte hier erleben, wenn man unterwegs ist. Keine Frage, dass auch das Kurhaus für mich ein Anziehungspunkt ist. Ich beschäftige mich viel mit meiner Heimat, bin ja ein „Wiesbadener Bub“. Und ich identifiziere mich mit dieser Stadt.
Und woran sollte man in ihr noch arbeiten?
Sie muss wieder attraktiver werden, es sind zu viele Ketten hier, zu viele Leerstände, zu viele Geschäfte, die attraktiv waren, gibt es nicht mehr. Man muss die Menschen wieder in die City ziehen. Kurstadt ist Wiesbaden ja leider schon lange nicht mehr.
Sie beraten mit Ihrer Firma Alton Geschäftsleute, die in den USA Fuß fassen wollen, haben auch eine Niederlassung in Miami. Vielleicht ein Wort zur neuen Trump-Ära? Was bedeutet sie für ihr Business?
Ich vermute, dass es sich positiv auf mein Geschäft auswirken wird. Tatsächlich erwarte ich sogar eine höhere Auftragslage für dieses Jahr. Das mag verwunderlich klingen, insbesondere bei den vielen kritischen Stimmen zu Trump, aber der allgemeine Trend in den letzten zwei bis drei Jahren geht ja schon generell dahin, dass viele deutsche Unternehmen sich auf den US-Markt wagen und zum Teil auch größere Standortverlegungen in die USA unternommen haben oder vorbereiten. Die Zeit wird zeigen, in welche Richtung das alles gehen wird. Wir bleiben gespannt.

Gehen wir nochmal kurz zurück zur Kunst: Als Sie in den USA lebten, waren Sie da auch schon auf den Wegen der bildenden Kunst unterwegs?
Eher weniger. Ich bin erst durch meine Plakat-Leidenschaft zum Kunst-Interessierten geworden. Das hat mir Türen geöffnet. So will ich unbedingt auch mal Zeit im Museum Reinhard Ernst verbringen. Ich schaue ja von meinem Büro hier in der Wilhelmstraße genau auf den Maki-Bau. Aber ich hatte noch nicht so viel Zeit, mich tiefer mit dem mre zu beschäftigen.
Unser Museum Wiesbaden für Kunst und Natur wird ja nun 200 Jahre alt. Was wünschen Sie ihm?
Alles Gute! Vor allem, dass der Anbau nun bald Wirklichkeit wird, damit das Haus der Kunst und Natur endlich genug Raumkapazitäten hat. Und ich wünsche ihm, dass es weiterhin durch sein vielfältiges Angebot viele Menschen an sich binden kann.
Das Gespräch führte Ingeborg Salm-Boost
Zur Person
Maximilian Karagöz (42) ist in Wiesbaden geboren und aufgewachsen. Mit Anfang 20 schon ging er nach Miami und baute hier als Angestellter eine deutsche Niederlassung mit auf. In jungen Jahren gründete er sein eigenes Beratungsunternehmen für deutschsprachige Firmen, die in den US-Markt einsteigen wollen, und ist seit 2005 Geschäftsführer der Firma Alton mit Büros in Wiesbaden und Miami. „Wir betreuen deutschsprachige Unternehmen von klein bis groß, bekannte wie unbekannte Firmen“, so beschreibt der Firmengründer seine Profession. Er lebte acht Jahre lang in Florida, ehe er 2013 aus familiären Gründen nach Deutschland zurückkehrte, wo er mit Ehefrau und zwei Kindern in Eltville wohnt. Schon als Schüler entwarf Maximilian Karagöz gerne Webseiten und Werbematerialien. Sein erstes Plakat hat er übrigens in Italien gekauft. Der Sammler von Plakatkunst aus der Zeit 1890 bis in die 1930er Jahre und Freund des Museums Wiesbaden interessiert sich außerdem für historische Wiesbadener Touristikreklame, hat Broschüren, Karten und Plakate zusammengetragen. Außerdem freut er sich über seine große Sammlung von Originalfotografien des Leica-Fotografen Dr. Paul Wolff, darunter viele Wiesbaden-Motive. Maximilian Karagöz fühlt sich dem verstorbenen Sammler Karl Lagerfeld sehr verbunden, der bis zu seinem Tod die Leidenschaft zur Plakatkunst gepflegt habe. Bleibt dem Wiesbadener Karagöz noch Zeit für andere Hobbys? Das Reisen ist ihm wichtig, aber auch das Klavierspielen.