Wir sind dabei

Dem Cadillac treu geblieben

Der in Frankfurt lebende Künstler Vollrad Kutscher ist Förderkreis-Mitglied der ersten Stunde. Schon als Schüler fühlte er sich im Wiesbadener Museum zuhause. Mit seinen Installationen, mit Lichtkunst und Performance macht der 74-Jährige Furore. Im Museum Wiesbaden sind mehrere Werke von ihm zu finden, so etwa die „Leuchtenden Vorbilder“. Unter den 60 Schattenporträts von Künstlern finden sich beispielsweise Max Beckmann und Joseph Beuys, August Macke und Käthe Kollwitz, Alexej Jawlensky und Marianne von Werefkin. Unseren Neujahrsempfang am 22. Januar 2020 will Vollrad Kutscher nicht verpassen.

Museumsfreund seit der Jugend: Vollrad Kutscher (Foto privat)

Herr Kutscher, Sie waren einer der ersten Freunde im Museumsverein. Erinnern Sie sich noch?

Ja, ich war dem Wiesbadener Museum schon als Schüler sehr zugetan. Als dann vor 25 Jahren Felicitas Reusch, mit der ich seit der Jugend befreundet bin, gemeinsam mit dem Museum die Initiative ergriff und einen Förderverein für die Kunst gründen wollte, habe ich gesagt: Da bin ich dabei.

Schauen wir mal weit zurück in ihre Jugend: Wie haben Sie das Landesmuseum damals wahrgenommen?

Ich empfand es als einen zentralen Anlaufpunkt. Ich war, weil mit der Familie aus dem Weserbergland nach Wiebaden gezogen, ein Zugereister und ein Stück weit Außenseiter. Damals gefiel mir, dass es dort Kunst und Natur gab, das zog mich an und war wie eine Ersatzheimat.

Sie haben dann später sogar mit dem Museum zusammengearbeitet ….

Das war während meiner Zeit als Hospitant an der Gutenbergschule. Ich ging mit den Jugendlichen in den Giraffensaal, wo wir zeichneten und malten. Damals begann die Zusammenarbeit zwischen Museum und Schülern.

Und Sie sind selbst konsequent den Weg in die Kunst gegangen.

Ja, in Mainz an dem Hochschulinstitut für Kunst und Werkerziehung hatte ich zuvor auf Lehramt studiert und alle Techniken gelernt.

Der Schuldienst war aber nichts für Sie?

Nein, die Referendarzeit in Wiesbaden brach ich ab und ging nach Frankfurt. Geld verdiente ich mit Kursen. Mein erstes Atelier bezog ich 1970. Eines muss man lernen: Kunst braucht einen langen Atem.

Haben Sie sich damals mehr der Museumszene in Frankfurt zugewandt?

Eher nicht, das Städel zum Beispiel war zu dieser Zeit ein eingeschlafener Verein … In Wiesbaden war einiges los, und ich fühlte mich hingezogen. Spannend war in den 70er Jahren eine Ausstellung in der Space Gallery im Wiesbadener Schiffchen. Da war die ganze Avantgarde vertreten. Ich kam auch mit Michael Berger vom Harlekinäum in Kontakt. Der stellte dann in Erbenheim in seiner Kirche meinen „Weißen Traum“ aus.

„Weißer Traum“? Beschreiben Sie ihn.

Das ist eine sehr große Installation, basierend auf einer Performance, die in meiner Heimat, dem Weserbergland, entstanden ist. Aus Polaroidbildern, riesigen weißen Tüchern, Klang und Gerüchen … Ich sehe es als ein zentrales Werk, das etwas aussagen soll über unser Verhältnis zur Natur – da gibt es durchaus einen Bezug zur heutigen Zeit. Es wurde übrigens 2000 vom Museum Wiesbaden erworben.

Dem Museum Wiesbaden blieben Sie auch treu?

Es ist ein so tolles Haus, wie ein alter Cadillac, ein Oldtimer, den man aufbauen und pflegen muss. Als Volker Rattemeyer, dann Renate Petzinger kamen, wollten die zwei das Haus zum Leuchtturm machen, wollten internationales Niveau. Es war damals so: Alle liefen nach Frankfurt. Für mich war das Rhein-Main-Gebiet immer schon ein Ort.

Und das Museum Wiesbaden wurde zu einem Ort, an dem der Künstler Vollrad Kutscher vertreten ist. Wie würden Sie uns die wunderbare Installation „Leuchtende Vorbilder“ beschreiben? Ich habe zu den Künstlerporträts in einer Broschüre den Satz gefunden: Die „Leuchtenden Vorbilder“ demonstrieren das einzigartige geistige Profil des Museums Wiesbaden.

Das ist richtig, es ist ein Porträt des Museums Wiesbaden. Eine neue Art des Porträts, mit Licht und Schatten – minimalisiert.

Die „leuchtenden Vorbilder“ – Genaues Hinschauen im Museum Wiesbaden lohnt sich! (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Vielleicht noch ein Wort zu Ihrem Koffer im Wiesbadener Museum?

Ein Reiseutensil, es hat Norbert Klassen und mich als Performer 25 Jahre lang begleitet. Norbert Klassen ist 2011 verstorben. Nun ist diese Arbeit abgeschlossen, das Koffer-Projekt ist eine Zusammenfassung unserer Arbeiten – Skulptur in Bewegung, so möchte ich es sagen.

Ganz besonders spannend ist ja auch Ihr Kartoffelkino, das man – leider nicht immer – in der Naturhistorischen Abteilung findet.

Das passt natürlich ins Museum Wiesbaden, weil hier Natur und Kunst zusammengeführt sind. Für mich ist die Kartoffel ein urdeutsches Gemüse. Ich stelle im Kartoffelkino das Erdverbundene dar, den Prozess der Vergänglichkeit, den doch auch wir Menschen durchleben. Das Thema Vergänglichkeit beschäftigt mich seit meiner Jugend.

Zum Schluss haben Sie zwei Wünsche offen, einmal für das Museum. Zum anderen für den Freundeskreis, dem Sie so lange schon angehören.

Für den Verein, dass er weiter derart wächst und gedeiht. Die Entwicklung ist toll.
Für das Museum, dass es den „Cadillac“ weiter so gut pflegt und fortentwickelt. Es ist sehr schön, dass das Museum ins Zentrum  Wiesbadens gelangt ist, wobei ja auch der Förderkreis sehr geholfen hat.

Das Gespräch führte Ingeborg Salm-Boost


P.S.
Vollrad Kutscher, der für den Hessischen Landtag die Installation „Himmel über Hessen“ geschaffen hat, verrät uns im Gespräch für die Freunde-Website, dass er mit einem weiteren Projekt für die Landeshauptstadt beschäftigt ist: „Für Demokratie – Wiesbadener Bürgerinnen und Bürger im Widerstand gegen die Nazidiktatur 1933 bis 1945“, so heißt der Titel eines Werks mit 14 Biografien, das bis 2021 entstehen und im Rathaus seinen Platz finden soll.

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