Wir sind dabei

Thilo von Debschitz: Ein Kopf voller Ideen

Sein Vorfahre Wilhelm war Kunstmaler und hob 1902 die reformorientierte Debschitz-Schule – ein „Lehr- und Versuchsatelier für angewandte und freie Kunst“ – in München aus der Taufe; dort lernten unter anderem Friedrich Adler, Ernst Ludwig Kirchner, Sophie Taeuber-Arp und Alexander Sacharoff (ein Freund der „Lebensmenschen“ Jawlensky und von Werefkin). Kreativität liegt also möglicherweise in den familiären Genen des Designers Thilo von Debschitz. In seiner Agentur Q in der Wiesbadener Walkmühle – dem neuen Hotspot für Kreative und Künstler in unserer Stadt – entstehen Erscheinungsbilder, Webseiten oder Magazine. Das zehnköpfige Q-Team gestaltet Kommunikation für Unternehmen, Ministerien, Verbände und Kulturorganisationen. Auch für die Freunde des Museums Wiesbaden ist Thilo – ich duze ihn aufgrund der langen Zusammenarbeit – schon eine halbe Ewigkeit aktiv und hält diese Website am Laufen. Heute befragen wir ihn als Mitglied des Förderkreises.


Als Referenz zum Hessischen Staatsballett, das Q seit Gründung der Compagnie betreut, ließen sich die Gründer und Partner der Agentur im Tütü ablichten. Thilo von Debschitz, der in der Luft des Staatstheater-Foyers zu stehen scheint, gibt zu: „Meiner jüngsten Tochter ist dieses Bild furchtbar peinlich.“ (Foto: Hannah Meinhardt)

Thilo, wie kamst Du auf die Idee, Mitglied bei den Freunden des Museums zu werden?

Unsere Agentur hat den Internetauftritt, auf dem dieses Gespräch zu lesen ist, vor einigen Jahren entwickelt und betreut ihn seitdem. Die Inhalte, die von Martina Mulcahy und Dir geschrieben werden, arbeiten wir ein. Eigentlich wollte ich nur aus der professionellen Distanz auf die Aktivitäten der Freunde blicken. Aber natürlich habe ich als derjenige, der die Inhalte der Website einpflegt, die Vielzahl Eurer Angebote immer aufmerksam verfolgt. Und nachdem ich mit meiner Frau an einer inspirierenden Kunstreise der Freunde teilnehmen durfte – Henry Moore im Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Sammlung Gurlitt in der Bundeskunsthalle Bonn –, wollten wir beide unbedingt auch offiziell zu diesem Kreis gehören.

Hattest Du schon früher einen Bezug zum Museum?

Oh ja, schon seit über dreißig Jahren! Ende der Achtziger hat meine Mutter einige Jahre als „Aufpasserin“ im Museum Wiesbaden gearbeitet. Sie war und ist sehr an Kunst und Kultur interessiert, spricht neun Sprachen, unter anderem auch Russisch, und die erste Ausstellung, bei der sie die Kunst bewachen durfte, hieß „1.000 Jahre Russische Kunst“. Ich habe sie immer wieder im Museum besucht – an der Kasse hat mich Herr Büttner einfach durchgewinkt –, dann hat sie mir alles zu den ausgestellten Arbeiten erzählt. So konnte ich eine erste Beziehung zum Haus knüpfen.

Das Museum war Deiner Familie offenbar wichtig …

Ja, ich erinnere mich auch noch daran, dass Besucher aus Israel ein paar Tage bei meinen Eltern in Bierstadt wohnten. Diese waren durch eine Ausstellung im Museum Wiesbaden gegangen, meine Mutter – sie lebte ein Jahr in Israel und beherrscht auch diese Sprache – hat die Israelis angesprochen und dann Informationen zu den Kunstwerken auf hebräisch beigesteuert. So ergab sich eine lange Freundschaft, das Museum war also ein Ort vieler positiver Begegnungen unserer Familie.

Der neue Direktor Andreas Henning hat, als das Museum wegen der Corona-Pandemie geschlossen wurde, die Freunde nach ihrem „Sehnsuchtsobjekt“ gefragt. Welches ist denn Deines?

Die Beantwortung dieser Frage mit einem Objekt ist mir nicht möglich. Die Farbenpracht der Schmetterlingsflügel im Naturbereich ziehen mich ebenso an wie die verschwurbelten Kerzenleuchter von Fernand Dubois in der Jugendstil-Ausstellung oder Eva Hesses Arbeit „Ohne Titel“, auf der sich so viel entdecken lässt …

„Ohne Titel“, von Eva Hesse 1964 in Öl auf Leinwand gemalt, wurde vom Museum Wiesbaden 1992 erworben.

Hat das Q-Team auch schon kreative Projekte für das Museum Wiesbaden betreut?

Ja. Vor sechs Jahren initiierten wir mit Alexander Klar die Kampagne „Wiesbaden schafft die Wende!“. Damit wollten wir die Aufmerksamkeit auf ein großes Unrecht lenken, das über 70 Jahre zurückliegt. Die Abteilung für Provenienzforschung im Museum hatte bei einem Gemälde aus dem Bestand herausgefunden, dass es seinem jüdischen Besitzer von den Nazis verfolgungsbedingt entzogen worden war. Mit Hilfe von Spenden aus der Bürgerschaft sollte das Bild von den Erben rechtmäßig erworben und damit Unrecht in Recht gewendet werden. So haben wir die Arbeit sieben Wochen lang von seiner Rückseite präsentiert; erst, nachdem das nötige Geld von Privatpersonen und Stiftungen zusammengekommen war, wurde das Kunstwerk – unter großer Anteilnahme der in- und ausländischen Presse – feierlich umgedreht.

Noch so ein tolles Beispiel!

Als die Queen im Jahr 2015 Deutschland besuchen wollte, bereiteten wir für das Museum (nach begeisterter Freigabe durch den Direktor) eine ziemlich ungewöhnliche Aktion mit einer täuschend echten, noch dazu britischen Doppelgängerin der Königin vor. Das im Museum befindliche Portrait „Queen Elisabeth“ von Gerhard Richter sollte dabei eine besondere Rolle spielen, mehr darf ich dazu nicht sagen. Doch höhere politische Mächte haben die Realisierung unserer Idee in letzter Sekunde verhindert. Man befürchtete diplomatische Verwerfungen. Im Nachhinein bin ich noch immer traurig, dass uns dieser Coup nicht gelungen ist.

Und im vergangenenen Jahr habt Ihr Euch um die „Junge Malerei“ gekümmert. …

Das stimmt. Für die aktuell noch in Hamburg präsentierte Ausstellung „Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“ kreierte unser Team das Design – von der Website bis zum Katalog. Eine ganz aufregende Schau mit vielen verschiedenen künstlerischen Positionen! Hier haben wir uns eng mit den Museen in Wiesbaden, Bonn, Chemnitz und Hamburg abgestimmt. Die Vorgabe bestand darin, keinen der 53 Künstler*innen durch die Bewerbung der Ausstellung hervorzuheben; daher haben wir den Titel der Ausstellung selbst zum Helden gemacht und die Typografie mit einem Malpinsel inszeniert.

Das expressiv-typografische Erscheinungsbild der Ausstellung „Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“ (Foto: Q)

Eure Agentur ist auch sonst stark kulturell unterwegs, nicht zuletzt ist sie die Ansprechpartnerin der Freunde für ihre Website. Woher kommt das besondere Faible für diese Themen?

Wir sind Gestalter. Daher liegt uns künstlerische Gestaltung naturgemäß nahe – ganz egal, ob Musik, Literatur, Tanz oder Bildende Kunst. Auch wenn die Budgets dort eher überschaubar sind, werfen wir uns mit genauso viel Leidenschaft in kulturelle Kommunikationsaufgaben wie in Jobs, die wir für kommerziell orientierte Auftraggeber betreuen. Unsere Kunden stammen zu einem Fünftel aus dem Kulturbereich – in Corona-Zeiten natürlich eine eher ungünstige Quote. Zum Glück kam unerwartetes Neugeschäft aus anderen Branchen, so dass wir in der Agentur trotz der virusbedingten Kulturflaute gut zu tun hatten.

Q arbeitet eng mit Reinhard Ernst zusammen, dem Bauherrn des Museums für abstrakte Kunst. Sicher eine spannende Aufgabe.

Auf jeden Fall! Es ist super, bei diesem Kulturbau mitten in unserer Stadt von Anfang an dabei sein zu dürfen und dabei das große Vertrauen der Stifter zu genießen. Auch wenn das Museum Reinhard Ernst erst 2022 eröffnet wird, ist schon einiges zu tun. Aktuell informiert eine Website die Öffentlichkeit über alles, was sich aktuell auf dem Baugelände gegenüber vom Museum Wiesbaden tut. Und wir stellen einzelne Stücke aus der Sammlung Reinhard Ernst vor, damit man sich auf die künftigen Ausstellungen freuen kann. Die Zusammenarbeit mit dem Stifter Reinhard Ernst und seiner Crew macht viel Spaß!

Ist die abstrakte Kunst auch die von Dir bevorzugte Richtung?

Nein, ich mag viele Kunstrichtungen. Genauso, wie ich Sergei Rachmaninow, Duke Ellington oder Snoop Dog höre, ist für mich auch die Bildende Kunst auf keine Richtung festgelegt. Ich lasse mich von vielen unterschiedlichen Stilen berühren.

Was könnte man im Museum Wiesbaden noch zusätzlich anbieten?

Im Guggenheim Museum Bilbao findet einmal im Monat „Art After Dark“ statt, ein Event mit überregional bekannten DJs und cooler Musik. Das senkt die Hemmschwelle für junge Menschen, die sonst eher nicht ihren Weg über die Treppenstufen in den Museumsbau finden würden. So etwas fände ich prima. Vielleicht kann man diesbezüglich mit engagierten Kulturschaffenden der Stadt zusammenarbeiten, da hätte ich einige gute Leute im Auge.

Gibt es einen Wunsch an die neue Museumsleitung beziehungsweise an sein Team?

Das Team ist super, da hätte ich keine Wünsche. Aber nach den Erfahrungen, die ich mit meiner Mutter sammeln konnte: Das Personal der Aufpasserinnen und Aufpasser sollte ein bisschen darüber Bescheid wissen, was sich an Kunst- und Naturexponaten mit ihnen im Raum befindet, und bei Bedarf inhaltliche Hilfestellung für Besucher geben können.

Zum Schluss noch die Frage an den Vater erwachsener Töchter: Wie könnte man junge Leute stärker für den Museumsbesuch begeistern?

Früher war es einfacher, Flora und Clara zu Kulturveranstaltungen mitzunehmen. Jetzt sind die beiden 17 und 21 Jahre alt, sie lassen sich nicht mehr so selbstverständlich „einpacken“ und gehen lieber auf Pop-Konzerte als in Museen. Manchmal gelingt es uns aber, sie für andere Formate zu begeistern.
Mit Clara habe ich zuletzt eine Privatführung im Folkwang Museum erleben dürfen, weil ich für die Ausstellung „Der montierte Mensch“ einige Leihgaben aus meiner persönlichen Fritz-Kahn-Sammlung zur Verfügung gestellt hatte. Clara war von der Schau in Essen ganz begeistert! Mit der Museumscard – also dem freien Eintritt für Studierende – sind die Freunde des Museums Wiesbaden schon auf dem richtigen Weg; wenn es darüber hinaus gelingt, Veranstaltungen außerhalb des regulären Kunst- und Naturbetriebs im Museum stattfinden zu lassen und Studierende immer wieder ins Haus zu locken, wird sich die Hemmschwelle weiter absenken.

Die Fragen stellte Isa Salm-Boost

Im Corona-Lockdown entwarf das Q-Team eine Maskenserie, die als limitierte Edition produziert wurde und bislang nur auf persönliche Anfrage beim Agenturgründer erhältlich ist. Doch zwei Modelle tragen Motive aus dem Museum Wiesbaden – ein Seestern aus der Natur, ein Jawlensky aus der Kunst – und sind im Museumsshop zu erwerben, solange der Vorrat reicht.


Zur Person
Thilo von Debschitz wurde 1966 in Offenbach am Main geboren. Der Pastorensohn verdiente schon während der Schulzeit Geld mit eigenen Comics und Pressezeichnungen. Nach dem Studium für Kommunikationsdesign und beruflichen Erfahrungen als Gestalter, unter anderem in New York, gründete der Diplom-Designer mit seinem ehemaligen Kommilitonen Laurenz Nielbock im Jahr 1997 in Wiesbaden die Designagentur Q. Zu den Kunden der vielfach ausgezeichneten Agentur zählen Verbände, Ministerien und Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen, darüber hinaus viele Kulturorganisationen wie das Rheingau Musik Festival, das Hessische Staatsballett, das Mozartfest Würzburg, der Förderverein des Literaturhauses Villa Clementine oder das Ensemble Musikfabrik.
Thilo von Debschitz entdeckte Fritz Kahn wieder – einen von den Nationalsozialisten verstoßenen Sachbuchautor der Weimarer Republik – und veröffentlichte zu dessen Leben und Werk gemeinsam mit seiner Schwester Uta von Debschitz den mehrsprachigen Bildband „Fritz Kahn – Infographic Pioneer“ im Taschen-Verlag. Das von ihm herausgegebene Buch „Verkehrte Welt“ mit grotesken Fotografien von Frank Kunert erhielt den Deutschen Fotobuchpreis. Neben seiner Agenturarbeit ist Thilo von Debschitz als Hochschuldozent tätig und sitzt in Jurys von Designwettbewerben (Red Dot Design Award, Designpreis Rheinland-Pfalz).

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