Zum Tod von Ferdinand Wolfgang Neess

„Ein großartiger Förderer und Freund“

Freundschaftliches, fruchtbares Miteinander: Ferdinand Wolfgang Neess und seine Frau Danielle mit Kustos Peter Forster während der Eröffnungsfeier im Juni 2019. (Foto: Elke Fuchs)

„Eine Menge Glück, das empfinde ich nach dieser Wegbereitung, bei der meine Frau mir stark geholfen hat. Jetzt weiß ich, wo meine Sammlung hinkommt, das ist eine Sicherheit, die ich zuvor nicht hatte.“ Dies sagte Ferdinand Wolfgang Neess im Sommer 2018, als ich ihn für die Freunde-Website im „Weißen Haus“, seiner Jugendstil-Villa, interviewen durfte. Der Mann, der dem Land Hessen seine grandiose Jugendstil-Sammlung schenkte, wirkte überaus glücklich, als ein Jahr später – pünktlich zu seinem 90.Geburtstag – die atemberaubende Dauerausstellung mit mehr als 500 Kunstwerken im Museum Wiesbaden eröffnet werden konnte. Die Schau im Südflügel kann mit Fug und Recht ein Gesamtkunstwerk genannt werden. Am Sonntag, 26. Januar, ist Ferdinand Wolfgang Neess gestorben. Friedvoll, zu Hause.

Für Kustos Peter Forster, der engen Kontakt mit ihm hatte, kam der Tod des Jugendstil-Experten überraschend. „Wir verlieren einen großartigen Förderer und einen guten Freund. Wir sind erst einmal sehr traurig, aber wir sind auch glücklich, dass er erleben konnte, wie ,sein Kind‘ im Museum präsentiert wird und dass es ihm gefallen hat.“ Sammlungsleiter Forster empfindet größte Anerkennung für den Menschen, der „zu Lebzeiten loslassen konnte“, sich also von dem Großteil seiner Schätze trennte, um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Und der daraus Freude zog. Er wisse, sagt der Kustos, wie schwer es für passionierte Sammler sei, einen solchen Schritt zu gehen. Somit sei die Schenkung auch ein Appell an andere.

Peter Forster erinnert sich gerne an die Zusammenarbeit mit Ferdinand Wolfgang Neess und seiner Frau Danielle. Natürlich habe es auch schwierige Phasen gegeben, aber der Mäzen, ein Grandseigneur mit ungeheurem Fachwissen, durchaus auch mit Bauchgefühl, habe immer die Ruhe und den Glauben an die Sache bewahrt, er sei geduldig und großzügig gewesen. „Ich glaube, unsere Zusammenarbeit gab ihm auch Antrieb und Power,“ ist sich Peter Forster sicher. „Wir wurden Freunde, wir hatten auch Spaß zusammen.“ Für Forster hat der Schenker den Jugendstil gelebt, das spiegele sich in der Sammlung wider. „Ferdinand Wolfgang Neess lebt im Museum weiter.“ Der Familie Neess sei er unendlich dankbar, so der Kustos.

Dankbar ist auch das Land Hessen, Ministerpräsident Volker Bouffier und Ministerin Angela Dorn sagen: „Ferdinand Wolfgang Neess hat allen Hessen ein Geschenk gemacht. Seine Selbstlosigkeit dient als Vorbild“. Volker Bouffier hatte dem 90-Jährigen im Oktober 2019 als Dank mit der Georg-August-Zinn-Medaille die höchste Auszeichnung des Landes verliehen. Dass der Verstorbene dem Museum Wiesbaden eine der bedeutendsten europäischen Privatsammlungen des Jugendstils und des Symbolismus überlässt, die mit rund 42 Millionen Euro beziffert wird, sei „Verpflichtung, sie zu erhalten, zu zeigen und zu erinnern, wem wir diesen Kunstgenuss zu verdanken haben“, heißt es in der Presseerklärung der Landesregierung. Und: „Diese Kunstwerke werden noch viele künftige Generationen beeindrucken.“

Zum Schluss gehen meine Gedanken nochmals zurück ins „Weiße Haus“, das Jugendstil-Bauwerk, das Ferdinand Wolfgang Neess einst vor dem Verfall und Abriss gerettet hat: Ein Jahr, bevor die Ausstellung mit „Überwältigungsgarantie“ eröffnet wird (die Peter Forster zu Recht verspricht), sitzt dem Kustos und mir ein überaus freundlicher Sammler inmitten seiner Schätze gegenüber. Er spricht von Lieblingsstücken, vom Beginn seiner Jugendstil-Leidenschaft und er hat ein ganz besonderes Leuchten in den Augen. Auch dann, als ich ihn auf seine Leidenschaft, das Musizieren auf hohem Niveau, anspreche. Und als er ganz zu Beginn des Interviews diesen Satz sagt: „Glück, das empfinde ich …“ Genauso wird mir Ferdinand Wolfgang Neess in Erinnerung sein, wenn ich wieder einmal durch sein „Gesamtkunstwerk“ laufe.

Ingeborg Salm-Boost

Atemberaubender Einblick: Das Gesamtkunstwerk ist gelungen. (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)
… und noch ein Blick auf die gelungene Inszenierung im Südflügel des Museums (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

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