Aktion Sehnsuchtsobjekt (Teil 3)

Fesselnde Ansichten

Nach wie vor macht es uns vom Freunde-Website-Team große Freude, die „Sehnsuchtsobjekte“ unserer Mitglieder zu „sortieren“ und in loser Folge jeweils drei Einsendungen vorzustellen. Unser erstes Ziel heute befindet sich gleich neben dem Eingangsbereich des Museums, hier treffen wir auf Katharina Grosses Werk mit dem Titel „Sieben Stunden, Acht Stimmen, Drei Bäume“. Eine raumfüllende Arbeit, die man immer wieder neu entdecken kann. So empfindet es unser Mitglied Irene Haas, die mit ihrem Mann das Kunsthaus Taunusstein führt und dort spannende Ausstellungen anbietet. Michael Liesch, Mitarbeiter im persönlichen Büro des hessischen Ministerpräsidenten und mit seiner Frau bei den Freunden des Museums, wird beim nächsten Museumsbesuch Luca Ferraris Gemälde „Die Fesselung des Prometheus“ mit ganz anderen Augen als bisher anschauen. In dieser Pandemie-Zeit findet er in dem Bild, das ihn immer schon faszinierte, ganz deutlich die Frage, wie alles werden wird. Dieter Goergen, Museumspädagoge a. D., zieht es in die Jugendstil-Ausstellung und hier ganz besonders zu Jean Delville und dem „L’oracle à Dodone“. Die „Rätselhaftigkeit“ lässt den Freund des Jugendstils immer wieder Neues in diesem Werk entdecken.


Berauscht und bereichert

Irene Haas schreibt: „Bei jedem Besuch des Wiesbadener Museums zieht es mich magisch zu der Arbeit von Katharina Grosse ,Sieben Stunden, Acht Stimmen, Drei Bäume‘, die die Künstlerin anlässlich ihrer Ausstellung 2015 für das Museum Wiesbaden geschaffen hat. Diese berauschend intensive Farbenpracht! Diese mächtigen Stämme, wie sie da sturmgefällt liegen und farbüberströmt die ansonsten so geordnet wirkende Säulenhalle in einen dschungelartigen Urwald zu verwandeln scheinen! Und die riesigen mit Farbe übergossenen Stoffbahnen, die geradezu tropisch den Raum fluten und diesen Eindruck noch verstärken – man meint direkt die Geräusche des Urwalds zu hören. Für mich geht eine starke Anziehung und Kraft von dieser Installation aus, ich fühle mich immer wieder von ihr eingefangen und berauscht und bereichert.“

Fühlt sich magisch zu den Bäumen hingezogen: Irene Haas liebt die Installation von Katharina Grosse „Sieben Stunden, Acht Stimmen, Drei Bäume“ (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Hält den Spiegel vor

Michael Liesch schreibt: „Ich werde mir nach der Wiedereröffnung Luca Ferraris ,Prometheus‘ mit anderen Augen ansehen. Die Szenerie spiegelt aus meiner Sicht die Lage der Menschheit in der Krise auf dramatische Art und Weise wider. Der gefesselte Prometheus, der sehnsuchtsvolle, fast flehende Blick zurück auf vermeintliche Fehler und die bange Frage, wie alles werden wird. Eine mahnende Allegorie auf das Schicksal.“

Schaut nun mit anderen Augen auf „Die Fesselung des Prometheus“: Michael Liesch hat ein Faible für das Werk von Lucca Ferrari. (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Immer wieder fasziniert

Dieter Goergen schreibt: „Meine besondere Liebe im Museum gilt der großartigen Jugendstil-Sammlung. Bei meinen wiederholten Besuchen dort zieht es mich besonders zu den Bildwerken der Symbolisten und hier vor allem zu Jean Delville ,L’oracle à Dodone‘. Da ich aufgrund seiner Rätselhaftigkeit immer wieder aufs Neue fasziniert bin und immer wieder davor stehe, um Weiteres zu entdecken, könnte ich es ohne weiteres als mein ,Sehnsuchtsobjekt‘ bezeichnen. Die in der Publikation ,Ruf des Progressiven‘ (auf Seite 94) angebotenen kunsthistorischen Fakten und Interpretationen einzelner Bildinhalte kann ich mir zu eigen machen. Darüber hinaus erschließt sich das Bild in hervorragender Art aus seiner Symbolik der Links-rechts-Seitigkeit (bewusst-unbewusst/männlich-weiblich/Gegenwart-Vergangenheit/real-irreal usw.). Aus der psychologischen Kunstbetrachtung kommend habe ich den Zugang zu Kunstwerken über die Links-rechts-Symbolik oft in meinen Kursen und Führungen an kunsthistorische Laien benutzt. Diese Sichtweise und Betonung in der kunsthistorischen Betrachtung und Interpretation findet sich so gut wie nicht. Sie wird wohl als zu selbstverständlich hingenommen und daher nicht reflektiert. Meiner Meinung nach ist sie ein wesentlicher Fakt neben anderen rational zu erfassenden bildtechnischen Anteilen, der dazu beiträgt, ein Bild als ,schön‘ zu erleben und zu bezeichnen. Mein Zugang zu dem ,Sehnsuchtsbild‘ müsste in seinen vielen Aspekten vor dem Bild geschehen.“

Findet die Jugendstil-Dauerausstellung großartig: Dieter Goergen befasst sich immer wieder gern mit „L’oracle à Dodone“ von Jean Delville. Hier eine Detailansicht. (Schenkung Ferdinand Wolfgang Neess/Foto: Markus Bollen)

Zur Übersicht