Aktion Sehnsuchtsobjekt (Teil 5)

Immer wieder aufs Neue …

Wohin laufen sie denn, die Enkelkinder von Jutta Leimbert, Chefin der Buchhandlung Vaternahm? In die Natur-Abteilung, zweiter Stock, zum Diorama der großen und kleinen Tiere, die sich in der Schneelandschaft tarnen. Immer wieder sind die siebenjährigen Zwillinge fasziniert – und malen. Faszination geht für viele Besucher des Museums Wiesbaden von „Jupiter im Oktogon“ im Eingangsbereich aus. Leander Rubrecht, der in seiner Galerie Rubrecht Contemporary zeitgenössische Kunst präsentiert und wie Buchhändlerin Leimbert Freunde-Mitglied ist, entdeckt immer wieder neue Facetten im vielschichtigen Kunstwerk. Ähnlich ergeht es Kuratoriumsmitglied Prof. Dr. Tom Sommerlatte, der selbst künstlerisch tätig ist. Seine Highlights sind zwar Jawlenskys Variationen beim Blick in den Garten sowie die „Farben, Formen und Bewegungen“ in der Naturhistorischen Sammlung. Sehnsucht nach der besonderen Atmosphäre des Museums löst in ihm aber ebenso Rebecca Horn mit ihrer Spiegel-Installation im Oktogon aus. Und auch die Bodenskulptur „NachTag“ von Micha Ullman.


Die Natur-Abteilung lockt

Jutta Leimbert schreibt: „Da kann man mal sehen, was man alles NICHT sieht, wenn man nicht weiß, WAS man sieht. Was sich nämlich versteckt hat zwischen Herbstlaub und Zweigen. Meine Enkel (7 Jahre) und mich zieht es seit Jahren in den zweiten Stock der Naturwissenschaftlichen Sammlung. Und dort immer wieder vor das Diorama der gut getarnten großen und kleinen Tiere. Unbedingt schauen wir immer erstmal alleine, bevor wir den ,Spickzettel‘ des Museums dazunehmen, um auch das letzte Tier noch zu entdecken. – Zum Glück liegt immer genug Zeichenmaterial bereit, um die Lieblingstiere auf Papier festzuhalten. Wie hier die Schneeeule und den Eisbär.

Seit Jahren kennen die Kinder den englischen Hinweis ,Please don’t touch‘ und sprechen ihn gerne mit, wann immer ein (vor allem erwachsener) Besucher den beiden Bären beim Selfie-Machen zu nahe kommt.“

Schnurstracks geht es in die Naturwissenschaftliche Sammlung: Das Diorama „Tarnung in der Schneelandschaft“ hat es den beiden Enkelkindern von Jutta Leimbert besonders angetan. (Foto: Jutta Leimbert)

Geheimnisvoll und facettenreich

Leander Rubrecht schreibt: „Mein Weg wird mich in den Eingangsbereich führen, dorthin, wo jeder Museumsbesuch beginnt – bei dem wundervollen Werk von Rebecca Horn, Jupiter im Oktogon. Diese Spiegel-Installation, seit 2007 ist sie im Museum Wiesbaden zu bewundern, wurde von der Künstlerin speziell für diesen Ort geschaffen.
Eine zeitgenössische Arbeit mit präzisen technischen Abläufen fügt sich hier zeitlos in den achteckigen, historisch und regional geprägten Raum des ehrwürdigen Museumsbaus von Theodor Fischer ein. Einerseits löst sich das Werk in der Architektur komplett auf und doch entstehen – je nach Perspektive – unwirklich anmutende, scharfe und kreisrunde Einkopierungen der goldenen Kuppel, des Himmels oder des Achtecks, Spiegelkabinett-artige Effekte stellen Raum- und Körpergefühl in Frage.
Der zentrale Ort erlaubt es, sich noch während des Museumsbesuchs auf ein Wiedersehen mit der geheimnisvollen Installation beim Verlassen des Hauses zu freuen – um mit höchster Wahrscheinlichkeit weitere Facetten dieses vielschichtigen Kunstwerks zu entdecken.“

Fasziniert von Rebecca Horns vielschichtiger Spiegel-Installation: Leander Rubrecht zieht es immer wieder an diesen Ort, der ihn stets neue Facetten entdecken lässt. (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Ein Ort der Ruhe und kreativen Stimulation

Prof. Dr. Tom Sommerlatte schreibt: „Es war ein seltsamer Zustand, vom Museum Wiesbaden und seinen Schätzen zu wissen, aber nicht hingehen zu dürfen. Ich vermisste einen Teil dessen, was mir für meinen Lebenswandel wichtig ist: die bislang als selbstverständlich angesehene Freude, an einem Ort sein zu können, wo ich über das Tagesgeschehen und seine vordergründigen Wichtigkeiten hinaus in aller Ruhe kreative Stimulierung erleben kann.
Woran liegt es, dass das Museum Wiesbaden diese Ruhe und Stimulierung bietet?
Ja, es gibt Highlights, die mich besonders berühren und bewegen. In der Kunst sind es für mich Jawlenskys Variationen seines Blicks in den Garten, in der Naturhistorischen Sammlung ist es die Faszination der Farben, Formen und Bewegungen, mit denen die Natur sich als unüberbietbare kreative Schöpfung erweist. Gerade diese Wechselbeziehung Kunst-Natur stellt für mich immer wieder das stimulierende Erlebnis dar, das ich nicht missen möchte.“

Von Jawlenskys Landschaftvariationen berührt und bewegt (im Bild: „Große Variation, Großer Weg, Abend“ von 1916): für Prof. Dr. Tom Sommerlatte ein Anblick, um Ruhe und kreative Stimulierung zu erfahren. (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Aber über die Highlights hinaus ist es die besondere Atmosphäre des Museums Wiesbaden, die ich genieße und die mich schon im Eingangsoktogon mit den irritierenden Spiegelungen von Rebecca Horn umfängt und in der Bodenskulptur „NachTag“ von Micha Ullman ein erregendes Pendant erhalten hat.

Für Prof. Dr. Tom Sommerlatte ist Micha Ullmans Bodenskulptur „NachTag“ aus dem Jahr 2006 ein besonderes Highlight. © Micha Ullman. (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

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