Das führende Museum von Rebecca Horn

Wenn Ideen im Universum kreisen, …

… dann werden daraus bei Rebecca Horn Arbeiten voller Poesie, sanfter Bewegung, Anmut und Irritation. Die Künstlerin gilt mit ihren Performances, Installationen, kinetischen Arbeiten, Filmen, Malereien und Gedichten weltweit als eine Frau mit großem Gespür und einem unvergleichbaren Werk.

Ihren 80. Geburtstag am 24. März konnte Rebecca Horn nun im Wissen feiern, dass ihre Arbeiten in der Heimat einen Platz gefunden haben. In Michelstadt im Odenwald geboren, hat sie selbst 2006 vorrausschauend verfügt, dass 60 Arbeiten ihres Oeuvres in die Moontower Foundation eingehen. Seit fünf Jahren reifte der Gedanke, dass Rebecca Horns Arbeiten in Hessen einen würdigen Platz finden sollen, und mit dem neuen Kooperationsvertrag zwischen dem Land Hessen und der Stiftung erhält das Museum Wiesbaden den Kernbestand als Dauerleihgabe auf unbestimmte Zeit kostenlos.

Bei der Bekanntgabe der exklusiven Kooperation (v.l.n.r.): Ministerpräsident Boris Rhein, Museumsdirektor Dr. Andreas Henning, Karin und Peter Weyrich von Moontower Foundation, Dr. Jörg Daur, Stellvertretender Museumsdirektor und Kustos zeitgenössische Kunst, Prof. Dr. Peter Raue, Vorsitzender der Moontower Foundation (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Leider konnte Rebecca Horn nicht selbst an der Verkündung der überaus großzügigen Vereinbarung teilnehmen. Vor einigen Jahren erlitt die Künstlerin einen Schlaganfall und lebt seitdem zurückgezogen im Odenwald. Aber wie Museumsdirektor Dr. Andreas Henning sagte: „Niemand kommt im Museum Wiesbaden an Rebecca Horn vorbei“. Seit 2007 befindet sich im Eingangsbereich die Arbeit „Jupiter im Oktogon“. Sie entstand anlässlich der Verleihung des hochdotierten und renommierten Jawlensky-Preises an Rebecca Horn. Damals erhielt endlich nach drei Preisträgern aus den USA wieder eine Deutsche die Auszeichnung. Jedoch nicht, weil sie die deutsche Staatsbürgerschaft hat, sondern weil es sich um eine Künstlerin handelt, die mit ihrem Werk auf der Höhe der Zeit in den 1960er und 70er Jahren parallel zu Fluxus und Performance-Kunst ihren ganz eigenen Weg gegangen ist. Im Hinterkopf sollte man behalten, dass sich Rebecca Horn ohne Jean Tinguely oder Mario Merz nicht denken lässt, zudem könnten kritische Geister wie Wolf Vostell eine Rolle spielen. Zielstrebig und konsequent hat die Künstlerin ihre Ideen vorangetrieben und als erste Frau folgerichtig 1993 im Guggenheim Museum in New York eine Retrospektive erhalten. Der Ehrungen waren viele – mehrfache Teilnahme an der „documenta“ in Kassel, den Biennalen in Venedig und Sydney.

Aber wieso eigentlich, was ist das Besondere am Werk von Rebecca Horn?

Es ist ohne Zweifel die Verknüpfung von Leben, Erinnern und Transformieren in verschiedene Spielformen der Kunst. Wobei die Mechanik eine große Rolle spielt. Sprechen wir z. B. über die „Pfauenmaschine“, ein zentrales Werk von 1982 – sehr ähnlich übrigens der mechanischen Installation „Im Kreis des Adlers“ (2006), das jetzt im Museum Wiesbaden zu sehen ist.

Eine der international renommiertesten Künstlerinnen der Gegenwart: Rebecca Horn, © Rebecca Horn (Foto: Gunter Lepkowski, Berlin)

Rebecca Horn hat 1982 in ihrem Gedicht zur Pfauenmaschine, die erstmals in Kassel zu sehen war, geschrieben:

„Ausgelöst durch die Schreie der werbenden Pfauenmännchen beginnt im Inneren des achteckigen Tempels eine Maschine sich zu regen, spreizt ihre langen Metallfühler fächerförmig in äußerster Konzentration in den Raum, erstarrt, die gegenüberliegenden Wände berührend, um dann, beruhigt durch das Plätschern des goldenen Wasserfalls, behutsam den geöffneten Fächerhalbkreis zum Boden zu senken, den Raum zu versperren.“

Es ist die Zeit zu Beginn der 80er Jahre, in der die ersten Maschinenarbeiten von Rebecca Horn entstehen. Sie folgen auf die Performances mit Körpererweiterungen und Masken. Rebecca Horn erzählte einmal, dass die Arbeiten auf ein Erlebnis bei Dreharbeiten in der Villa Medici zurückgehen, wo sie Pfauen gesehen habe. Das ganze Jahr hindurch wachsen den Pfauenmännchen die prächtigen Schwanzfedern, doch nur in der vierwöchigen Paarungszeit schlagen sie damit ein prächtiges Rad. Im September, als die Künstlerin zu Dreharbeiten dort weilte, hatten die Tiere alle Federn verloren. Enttäuschung und Trauer führten zur ersten Pfauenmaschine. Ein ständiges Öffnen und Schließen verleiht der fächerförmigen Maschineninstallation eine dauerhafte Existenz – ganz im Gegensatz zu den lebendigen, aber sterblichen Tieren.

Auch die großen Malereien erzählen von Verletzungen, berichtet Kustos Dr. Jörg Daur. Rebecca Horn sei eine starke Persönlichkeit, die zwischen zwei Polen stehe – sie wolle sich zum einen in der Kunstwelt behaupten, zum anderen aber sei sie eine sehr verletzliche Frau. In ihrer Malerei verarbeite sie sehr viel Persönliches und Schmerz. Auch die Maschinenwesen, kinetischen Objekte und Installationen zeigen dieses Spannungsfeld zwischen empfindsam – Materialien wie Schmetterlinge und Federn, sowie gefährlich – Metallspitzen und zuschnappende Schnäbel. Über die Maschinenwesen sagte Rebecca Horn, sie hätten „eine Seele, denn sie agieren, zittern, beben, werden ohnmächtig, fallen fast auseinander und erwachen dann wieder zum Leben. Es sind keine perfekten Maschinen … Ich interessiere mich für die Seele einer Sache, nicht für die Maschine selbst. … Es ist die Geschichte zwischen der Maschine und ihrem Publikum, die mich wirklich bewegt.“ Und so entstehen überaus poetische Werke, die sinnlich zwischen Aggressivität und Zärtlichkeit pendeln.

Diese ersten Raumskulpturen wie die „Pfauenmaschine“ oder später „Im Kreis des Adlers“ haben aber auch noch eine andere Ebene – es sind Ebbe und Flut, Einatmen und Ausatmen, Geburt und Tod. Und der Moment dazwischen, das ist das Leben, die Welt, der Kosmos. Ein Prinzip, das wir auch bei „Jupiter im Oktogon“ wiederfinden. Jene Installation von 2007 funktioniert nur mit dem Betrachter, der sich einbringt in die Spiegel, der Teil einer Illusion wird, die sich in Spiralbewegungen in die Höhe schraubt. Ein Teil vom großen Ganzen.

Eine von 30 raumgreifenden Installationen, die dem Museum Wiesbaden im Rahmen der neuen exklusiven Kooperation bereits anvertraut worden sind: „Der Rabenbaum“ von Rebecca Horn. © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Installationsansicht mit Gästen (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Es könnte keinen besseren Ort als das Museum Wiesbaden geben, um das Œuvre von Rebecca Horn öffentlich zu präsentieren und damit lebendig zu erhalten. Hier, nicht weit von „Jupiter im Oktogon“ gibt es jetzt einen Rebecca-Horn-Raum, in dem in Zukunft im Wechsel die Dauerleihgaben der Künstlerin gezeigt werden. Sie ist damit in guter Gesellschaft von anderen documenta-Künstlern wie etwa Ilja Kabakov oder Künstlerinnen-Räumen wie jenen von Katharina Grosse und Angela Glajcar.

Das Museum Wiesbaden verfügt bereits über einige Maschinenwerke, Grafiken und Aquarelle von Rebecca Horn. Mit den neuen Dauerleihgaben wird es zum führenden Haus auf internationaler Ebene in Bezug auf das Werk der Künstlerin. Ein Pfund, mit dem man wuchern kann in Zeiten, in denen es immer schwieriger wird, einen hochkarätigen Leihverkehr unter Ausstellungshäusern aufrecht zu erhalten. Ging gerade ein Werk Rebecca Horns an das Haus der Kunst in München, so könnte das auch eine Möglichkeit zu internationalen Projekten sein.

Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein sieht es so: „Wir sind stolz und dankbar, dass dank der Kooperation zwischen der Stiftung von Rebecca Horn und dem Land Hessen ein zentraler Teil ihres beeindruckenden Lebenswerks in Hessen verbleibt und den Menschen im Museum Wiesbaden zugänglich gemacht wird.“

Martina Caroline Conrad

Alle Zitate von Rebecca Horn stammen aus dem Katalog „Rebecca Horn, Jupiter im Oktogon“, Wiesbaden 2007.

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