Gesichter des Museums
Folge 5: Caren Jones – mit Leib und Seele Registrar
Heute, liebe Freunde des Museums, stellen wir Ihnen eine ebenso begeistert wie präzise arbeitende Frau vor, die den Beruf „Registrar“ mit Leib und Seele ausfüllt: Caren Jones. Die Kunsthistorikerin und frühere Galeristin gewährt uns Einblicke in ihre spannende Arbeit, ohne die eine Ausstellung nicht zustande käme und auf die sich der Museumschef und die Kuratoren verlassen.
Frau Jones, Registrarin, das hört sich eher altertümlich an. Dabei hat sich das Berufsbild erst in den 1960er Jahren entwickelt. Wie kamen Sie zu dieser Berufswahl?
Ja, den Beruf gab es früher so nicht, der Begriff kommt aus dem Englischen und wird auch englisch ausgesprochen. Das Berufsbild ist in England entstanden, und dort ist man titelfreudiger als bei uns. Es gibt keine spezielle Ausbildung, oft kommen die Registrars auch aus dem Speditionswesen, der Versicherungsbranche oder der Verwaltung. Mich als Kunsthistorikerin und frühere Galeristin hat diese Arbeit gereizt, weil alles ineinandergreift.
Das Aufgabenfeld ist groß. Schildern Sie doch einmal, was da zusammenkommt.
Internationaler Leihverkehr, Transport, Versicherungen … Daraus im Zusammenspiel mit anderen Abteilungen ein Ganzes zu machen, das reizt mich.
Konzentrieren wir uns auf den Leihverkehr. Etwa für die so erfolgreiche Barockausstellung „Caravaggios Erben“ mit 70 Leihgebern und 200 Leihgaben?
Ja, die hat alle Rekorde gebrochen! Als ich Anfang 2015 in Wiesbaden tätig wurde, liefen die Vorbereitungen schon, und ich stieg ein. Da kamen ja Bilder von unschätzbarem Wert zusammen, etwa aus dem Capo di Monte in Neapel, der Royal Collection in London oder aus dem Louvre in Paris. Das kann man gar nicht adäquat versichern. Natürlich müssen wir eine Gebühr zahlen. Wichtig ist, den vom Leihgeber entworfenen Vertrag bis ins letzte Detail zu studieren und gegebenenfalls auch über Einzelheiten zu verhandeln.
Was wird denn da alles festgelegt?
Das beginnt schon mit dem Transport. Manche Leihgeber wollen nicht, dass mehrere Stellen auf der oft langen Reise angefahren werden, sondern ihr Werk auf einer direkten Route zu uns gebracht wird. Aber da muss ich hartnäckig verhandeln, nicht nur aus finanziellen, sondern auch aus ökologischen Gründen.
Es gibt sicher spezielle Firmen für den Transport.
Ja, in Deutschland gibt es nur eine Handvoll Kunstspediteure. Deren Lkws – unter anderem mit spezieller Federung – waren ursprünglich für die Unterhaltungstechnologie gebaut worden. In so genannten „Klimakisten“ werden die Kunstwerke sicher transportiert. Die Wagen sind immer mit zwei Fahrern besetzt, und die Lastwagen sollen nicht über Nacht abgestellt werden. Das sind nur einige der Vorgaben.
Und wenn die teure Fracht dann angekommen ist?
Dann ist oft auch gleich ein Kurier des Leihgebers zur Stelle. Er begleitet die Hängung. Zuvor habe ich schon einen Grundriss unseres Hauses geschickt und genau markiert, wo das Bild seinen Platz erhalten soll, nicht jeder kennt ja das Wiesbadener Museum. Manchmal wird, wie zum Beispiel bei einem Werk aus dem Louvre oder bei den Serra-Skulpturen, eine Absperrung drumherum gefordert. Manchmal wird eine Überwachungskamera verlangt.
Ist einem Leihbild in Wiesbaden schon einmal etwas passiert?
Nein, zum Glück nicht. Wir sorgen wirklich für ein Maximum an Sicherheit, jedes einzelne Bild wird materiell und ideell mit großem Aufwand umsorgt. Und bei Ankunft sind natürlich auch unsere Restauratoren involviert, die machen ein Zustandsprotokoll.
Das Verfahren ist sicher jetzt für die große Kirchhoff-Ausstellung „Im Garten der der Avantgarde“ auch höchst aufwendig?
Hier haben wir viele private Leihgeber, deren Bilder sonst nicht öffentlich zu sehen sind. Wir haben es mit routinierten Sammlern zu tun, von denen meist nur ein einzelnes Bild kommt. Wir erhalten rund 150 Werke aus Frankreich, Deutschland, der Schweiz und den USA.
Wie lange schon dauert die Vorbereitungszeit?
Seit eineinhalb Jahren bin ich dran, mit Unterbrechungen, weil wir ja auch noch andere Ausstellungen in dieser Zeit hatten. Der Aufbau nimmt drei Wochen in Anspruch.
Aber auch das Museum Wiesbaden verleiht Bilder, beispielweise Jawlensky-Kostbarkeiten?
Natürlich, dann funktioniert es genauso umgekehrt. Ich entwerfe den Vertrag und mache die Vorgaben. Unsere Experten schauen genau hin: Kann man dieses Bild überhaupt noch einmal reisen lassen, wie müssen wir es darauf vorbereiten? Etwa mit Verglasung oder einer bestimmten Restaurierung vorab? So eine Verleihung braucht mindestens sechs Monate Vorbereitung.
Sie hatten sicher auch ordentlich zu tun, als die Ausstellung von Richard Serra oder etwa Katharina Grosses Dauer-Installation „Sieben Stunden, acht Stimmen, drei Bäume“ aufgebaut wurden.
Oh ja, hier bei mir laufen ja die Fäden zusammen. Bei Grosses Installation brauchten wir nicht zuletzt einen Kran. Die Künstlerin war selber lange vor Ort mit Helfern, sie brauchte Geräte und Farbe…
Bei Serra dürfte es auch besonders schwierig gewesen sein.
Wahnsinnig aufwändig, ganz wenige Leute dürfen seine speziellen Skulpturen aufbauen. Es gibt millimetergenaue Anweisungen, da die Metallplatten nur aneinander gelegt zum Stehen kommen. Die Assistentin war ständig mit dem Künstler im Kontakt, er konnte ja aus gesundheitlichen Gründen nicht selber in Wiesbaden sein.
Frau Jones, haben Sie denn auch Muße, ab und zu selbst die Kunst zu genießen, und gibt es ein Lieblingsbild im Museum Wiesbaden?
Ich genieße die Kunst sehr. Die Nanna von Feuerbach mag ich besonders hier in Wiesbaden. Und auch Ellsworth Kelly ist ein Favorit, da gefällt mir das Minimalistische.
Welches andere Museum mögen Sie besonders?
Ich bin ein großer Fan der Tate Modern in London.
Was ist denn Ihr Hobby?
Reisen, am liebsten mit der Familie. Ich kann mich sehr für andere Kulturen begeistern. Aber natürlich immer wieder auch für die Kunst. Klar, dass ich in Kassel auf der documenta, in Münster zur Skulpturenausstellung, in Venedig zur Biennale war. Und Kunstmessen ziehen mich als ehemalige Galeristin auch immer wieder an.
Teilen Ihre Kinder Ihre Liebe zur Kunst?
Ich denke ja. Für sie hängen Bilder nicht nur langweilig an der Wand.
Sind Sie als Frankfurterin und beruflich viel herumgekommene Frau denn glücklich in der Stadt Wiesbaden?
Meine Familie und ich, wir vermissen gar nichts. Wiesbaden gefällt uns.
Sie wissen es vielleicht, Frau Jones, zum Schluss haben die „Gesichter des Museums“ immer einen Wunsch frei fürs Museum. Wie lautet Ihrer?
Das ist nicht so einfach zu sagen: Also, manchmal würde ich mir schon wünschen, dass die Besucher eine Ahnung davon hätten, wie viel Arbeit hinter unseren Ausstellungen steckt und dass wirklich nichts dem Zufall überlassen wird. Aber am Ende denke ich wieder, eine Ausstellung ist dann am besten, wenn der Betrachter nicht sieht, wie viel Anstrengung und Mühe aller Beteiligten dahintersteht.
Das Gespräch führte Ingeborg Salm-Boost
Zur Person
Die Frau hat eine Menge Power. Und ohne diese würde Caren Jones (52) auch kaum den anspruchsvollen Registrar-Job am Museum Wiesbaden bewältigen können. Die in Frankfurt aufgewachsene Kunsthistorikerin und Mutter zweier Teenager ist mit einem Engländer verheiratet, der als Tontechniker viel auf Reisen geht. Sie ist seit 2015 im Museum Wiesbaden tätig und hat zuvor im Kunstbereich viel Erfahrung sammeln können. Ein paar Schlaglichter: studentische Hilfskraft in den Aufbauzeiten des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt, ca. 20 Jahre aktiv in kommerziellen Galerien, so in Köln bei Johnen und Schöttle, wo zum Beispiel Künstler wie die Fotografin Candida Höfer sowie Katharina Fritsch, Martin Honert und Thomas Ruff (die 1995 gemeinsam den deutschen Biennale-Pavillon in Venedig gestalteten) vertreten wurden. Zehn Jahre arbeitete Jones in London, davon acht in den Waddington Galleries. In Köln war sie auch als selbstständige Galeristin tätig. Vor Wiesbaden war Jones drei Jahre im Museum Ludwig, wohin sie der renommierte Kunstprofessor und Kurator Kaspar König vermittelt hatte. Caren Jones gehört dem Registrar-Verein an. In einem Forum findet ein ständiger Austausch statt.